Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Phot. Berliner Illustrations-Gesellschaft m. b. H. 
Englische Marineinfanterie bei den Kämpfen am Bserkanal. 
Engländer versuchen auf ein Kanalschiff zu entfliehen. 
denn immer weiter dehnten sich die von den Franzosen an 
gelegten Schützengräben. Die letzte Kompanie der Deutschen 
entwickelte sich aus einem Wäldchen heraus, um die Linie 
zu verlängern. Das war ein kühnes taktisches Manöver 
der Deutschen. Doch wurde es erst unternommen, nach 
dem französische Artillerie das Wäldchen, aus dem die letzten 
Deutschen vorgingen, unter ständiges Feuer genommen 
hatte. Wahrscheinlich vermuteten die Franzosen in diesem 
Gehölz die deutschen Reserven. Vorwärts kamen nun die 
Deutschen nicht mehr, jedoch machten auch die Franzosen 
keinen Vorstotz. So stand das Gefecht etwa eine Stunde 
still. Das Kleingewehrfeuer wurde ruhiger, von den 
Deutschen sparsam abgegeben. 
Es scheint, dah aus diesem Grunde auf der französischen 
Seite angenommen wurde, die deutsche Schützenlinie sei 
im gegnerischen Feuer wankend geworden. Denn plötz 
lich zeigten sich dem Zentrum der deutschen Linie gegenüber 
etwa 700—800 Mann Kavallerie, Chasseurs d'Afrique 
(afrikanische Jäger). Sofort wurde auf deutscher Seite 
die Sachlage erkannt: Eine Attacke! — Im Augenblick war 
der Befehl ausgegeben: „Ruhig schietzen, sicher zielen, immer 
zuerst auf das Pferd, dann auf den Mann." — Auch wurde 
jeder Abteilung ein gewisses Schutzfeld zugewiesen. Die 
Maschinengewehre richteten sich ebenfalls ein. 
Kaum waren die Anordnungen getroffen, da dröhnte 
der Boden von den Pferdehufen, die Waffen der Reiter 
klirrten und ihr Schreien gellte. Aber die Schwadronen 
ritten nicht in derselben ausgeschlossenen Formation, wie 
die Deutschen eine Attacke reiten. Ihre Verbände begannen 
sich zu lösen und wurden getrennt, noch ehe sie auf 800 Meter 
an die deutsche Linie herangekommen waren. Aber immer 
noch wurde das deutsche Feuer nicht eröffnet. Ruhig lagen 
die Landwehrmänner hinter ihren Gewehren. Die Maschinen 
gewehre waren eingestellt und begannen zuerst ziemlich 
langsam, aber zielsicher ein mörderisches Feuer, als die 
Franzosen auf 500 Meter heran waren. Das Kleingewehr 
feuer sehte auf 350—400 Meter ein. Die Wirkung war 
fürchterlich, der Feuerkampf dauerte höchstens zwei bis 
drei Minuten. Aber kein rasches, rasendes Schnellfeuer 
wurde gegeben, die Schüsse fielen langsam, doch mit 
immer sicher genommenem Ziel. Keine Kerntruppe hätte 
ein ruhigeres Feuer entwickeln können. Immer die vorderen 
Reihen wurden weggeschossen, die hinter den fallenden 
Pferden jagenden Reiter konnten öfters nicht mehr aus 
weichen und stürzten mit dem Pferd über das vor ihnen 
zusammengebrochene Tier. Gelles Wiehern, Röcheln und 
dröhnendes Stöhnen der abgeschossenen Pferde, die auf 
dem Boden liegend um sich schlugen, wieder aufsprangen, 
zusammenbrachen, zuckten. Ebenso schnellte da und dort 
ein gestürzter Reiter in die Höhe, um gleich darauf zu fallen. 
Und dazwischen das pünktliche Feuer der deutschen Schützen 
linie. Kein Reiter konnte 
wenden, sie waren zu 
nahe dem feindlichen 
Feuer. So war aus dem 
schönen und starken Bild 
der vor zwei, drei Mi 
nuten zur Attacke her 
anrasenden Schwadron 
eine unsäglich traurige 
Masse geworden, zer 
schmettert und zertrüm 
mert. 
Ehe die Franzosen 
. noch wertere Angriffe 
unternehmen konnten, 
hatte ein zweites Ba 
taillon deutscher Land 
wehr den französischen 
rechten Flügel überfal 
len können. So mutzten 
sich die Franzosen zurück 
ziehen» Von den afrika 
nischen Jägern, die diese 
Attacke ritten, blieben 
unverletzt 27 Mann als 
Gefangene in den Hän 
den der Deutschen, über 
dieHälfte war schwer ver 
wundet, die anderen tot. 
Die wenigen bei jenem Todesritt heil davongekommenen 
gefangenen Reiter wurden über Lörrach nach Ulm auf die 
Festung gebracht. 
Zwischen derAisne und demArgonnerWald. 
(Hierzu dos Bild Seite 368/369 ) 
In der Kampffront Soissons—Vailly und längs der 
Aisne. nördlich Reims, traten die modernen Feldbefesti 
gungen, gestützt auf beherrschende Höhen und rückwärts 
liegende Ortschaften, die als Stützpunkte dienen konnten, 
erstmals in grötzerem Umfange in Geltung. Hier hatten 
unsere braven Feldgrauen, trotz der steten Feuerbereitschaft, 
in kurzer Zeit weitgestreckte Erdbauten hergestellt und sich 
in ihnen häuslich eingerichtet. Noch ausgeprägter gestaltete 
sich dieses halb unterirdische Leben in dem östlich unmittel 
bar sich anschlietzenden Abschnitte, der von Reims, in der 
allgemeinen Richtung auf Verdun, den Argonner Wald 
seiner ganzen Breite nach durchschneidet. Während ent 
lang der Aisne immer kleinere und grötzere Gefechtspausen 
eintraten, mutzten hier fortgesetzt sehr hartnäckige Wald- 
gefechte geführt werden. Es galt, das ganze Gebiet vom 
Feinde zu säubern, um den sehr starken Festungskompler 
Verdun—Toul auch von Westen her ungestört in An 
griff nehmen zu können oder die Besatzungstruppen min 
destens im Schach zu halten. Der Umstand, datz diese 
ganze, fast urwaldartige, mit dichtem Unterholz besetzte 
Kampfzone vom Feinde mit sorgfältig gewählten Feld 
befestigungen förmlich bespickt war, gestattete nur ein 
ganz allmähliches Vordringen, das oft genug schon zum 
erbitterten Handgemenge führte. Um den Gegner zu fassen, 
war es nötig, seine Stellung, die oft nur 100 Meter weit 
entfernt lag, möglichst genau zu erkunden. Dabei hatten 
sich die Franzosen obendrein mit Drahthindernissen, Ast- 
verhauen und vorgeschobenen. Horchposten, die teils in 
Erdlöchern, teils in den Wipfeln der Bäume untergebracht 
waren, vortrefflich gesichert. Dieser fortgesetzte Kund 
schafterdienst bei Tag und Nacht erforderte ganze Männer 
voll Umsicht, Opfermut und Tapferkeit. War die Stel 
lung erkundet und der Angriffsplan darauf aufgebaut, so 
wurde natürlich nicht lange gezögert, den Gegner wieder 
einmal aus einem oder mehreren Laufgräben in blutigem 
Ringen hinauszuwerfen. 
Bei einem solchen Angriff haben sich am 27. Oktober 
unsere tapferen Schwaben besonders ausgezeichnet, so 
datz der Befehlshaber der Truppen im Argonner Wald sich 
veranlatzt sah, dem König von Württemberg durch ein be 
sonderes Telegramm davon Kenntnis zu geben: „Die 
Regimenter der ... Infanteriedivision haben heute seit 
wenigen Tagen bereits die dritte starke feindliche Stellung 
im Sturm genommen. Ich freue mich, Eurer Majestät
	        
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