Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Welttrieges 1914. 
in Paradestellung an der Straße, die von Camp des Ro 
mains nach Saint-Mihiel führt. Zweimal, vor Mannschaften 
und Offizieren, präsentierten wir die Gewehre, zweimal 
senkten sich unsere Fahnen. — 
Am Abend dieses Tages zogen wir in Saint-Mihiel ein. 
Das Elsaß im Kriege- 
sHierzu die Bilder Seite 332—364.) 
„Man wird einst mit Staunen und Bewunderung in 
der Geschichte dieses Krieges lesen, was rinsere Truppen 
in den schwierigen Vogesentämpfen geleistet haben," sagte 
mir vor wenigen Tagen ein Offizier, der verwundet von 
den Bergen zu uns herabkam. Der französische Operations 
plan ist bekannt. Im Süden, zwischen den letzten mächtigen 
Erhebungen der Vogesen und der Schweiz, sGlte der rechte 
Flügel durch die Belforter Pforte in den Sundgau ein 
fallen, das Zentrum hatte in der Ausdehnung zwischen' 
Metz und Stratzburg vorzugehen, während der linke Flügel 
über die belgisch-deutsche Grenze in die Rheinlande vor 
dringen sollte. Dieser Angriffsplan wurde vereitelt durch die 
Phot. Berliner Jllllstrcitions-Gesekls.hast m. b. H. 
Offizierspalrouille in den Straßen einer elsässischen Stadt kurz nach der Kriegserklärung. 
gewaltigen Schlachttage in Lothringen am 20. und 21. August 
und durch den kühnen Vorstoß nach Belgien hinein. 
Die ungünstige geographisch-strategische Lage der el- 
sässischen Grenze ließ voraussehen, daß das Elsaß und 
besonders der südliche Teil, das Oberelsaß, feindliche 
Einfälle zu erdulden haben würde. Hinter dem welligen, 
lieblichen, rebenbestandenen Vorland erheben sich bis zu 
1200 Meter und höher ansteigend mächtige kuppige Ge 
birgsketten, deren Kämme nur auf schwierigen Gebirgs 
pässen und Pfaden zu erklimmen sind. Just über diese 
Kämme zieht sich von Nord nach Süd der deutsch-französische 
Grenzgraben, während sich nach dem Feindesland das 
Gebirge sanft abflacht. Die ganze eigentliche Vogesengrenze 
fst unbeschützt, nur an wenigen Punkten sind mächtige Boll 
werke dem eindringenden Gegner gegenübergestellt. Ganz 
im Süden, fast in einer Höhe mit Belfort, der Jsteiner Klotz, 
weiter nördlich die befestigte Breisacher Gegend; der Zu 
gang nach Straßburg durch das Schirmecker Tal wird durch 
die gigantische Feste Muhig gewehrt, und Straßburg selbst 
ist durch seinen weit ausgedehnten Fortgürtel trefflich ge 
schützt. Die Kenntnis dieser Ungunst der elsässischen Grenze 
ist nötig zum Verständnis der Kämpfe auf elsässischem Boden.. 
Schon kurz nach der Kriegserklärung, nach einigen kleinen 
Scharmützeln und Gefechten in den südlichsten Tälern, brach 
eine starke französische Streitmacht durch die Belforter 
Pforte auf elsässisches Gebiet ein; zu gleicher Zeit zeigten 
sich längs des ganzen Kammes feindliche Truppen, die 
in großer, von langer Hand vorbereiteter Eile sich entlang 
der Grenze eingruben und die wichtigsten strategischen Plätze 
besetzten. In diesen ersten Kriegstagen soll es schon zur Be 
setzung des Saint-Amariner Tales und eines zweiten, mehr 
östlich zwischen den Ausläufern des bekannten Hohnecks 
und des Großen Belchen sich erstreckenden Kammes ge 
kommen sein, dessen Steilabfall nach der deutschen Seite 
das Bild vom Rotenbacher Kopf auf Seite 363 zeigen 
möge. Dank der großen Tapferkeit unserer meist aus 
inaktiven Truppen bestehenden Regimenter gelang es 
eine Zeitlang, diese durch die Belforter Pforte und über 
die Kämme nach den Tälern zu vordrängenden feindlichen 
Heere aufzuhalten. Bei dieser Gelegenheit wurde be 
sonders bei Altkirch und Tagsdorf erbittert gekämpft. Unsere 
schwache^ Truppen wichen jedoch langsam vor der Über 
macht zürück, während in ihrem Rücken sich neue Truppen 
zusammenzogen. Am Abend des 8. August zog die fran 
zösische Hauptarmee in Mülhausen ein, nachdem schon am 
6. August die deutschen 
Behörden die Stadt ver 
lassen hatten. Gleichzeitig 
hatten die Franzosen die 
Höhen von Mülhausen 
besetzt. Schon am 9. Au 
gust, um fünf Uhr nach 
mittags, begann das 
deutsche Vorgehen von 
Nordosten und Osten her. 
Es entwickelte sich ein für 
den Feind gefährliches 
Artilleriefeuer, der Jstei 
ner Klotz mit seinen schwe 
ren Geschützen griff ein; 
in den Straßen Mülhau 
sens und seiner Vororte 
wurde in der Nacht vom 
9. auf den 10. August 
Mann gegen Mann ge 
kämpft und schließlich am 
10. Augustdas französische 
Heer, dessen Stärke auf 
50 000 Mann beziffert 
wurde, zu einem fluchtarti 
gen Rückzug gezwungen. 
Man hat im Elsaß 
in der Möglichkeit der 
feindlichen Besetzung 
Mülhausens einen tak 
tischen Fehler gesehen; 
es liegt jedoch klar auf der 
Hand, daß diese Schlacht 
bei Mülhausen weniger 
ein „Eelegenheitsgefecht" 
darstellt, als vielmehr einen wohlerwogenen Schachzug un 
serer Heeresleitung. Stellte sich doch das Endergebnis so 
heraus, daß der gleich zu Anfang hart mitgenommene 
rechte französische Flügel vorerst keine weiteren Vorstöße 
nach dem Sundgau zu machen konnte und daß nach der 
großen, etwas voreiligen Freude über das gewonnene Mül 
hausen neben dem materiellen Verlust die moralische Nie 
derlage für den Feind besonders empfindlich fühlbar wer 
den mußte. 
In den nächsten Tagen erfolgten neue feindliche 
Vorstöße in die unbeschützten Vogesentäler hinein; das 
Wesserlinger, das Weiler-, das Münster- und Kaysersberger 
Tal wurden besetzt, schließlich rückten erneut aus dem Bel 
forter Loch große französische Truppenmassen in den 
Sundgau ein. Es sollen zwei französische Korps gewesen 
sein, die die Aufgabe hatten, den großen Vorstoß in der 
Linie Metz—Straßburg zu unterstützen. Diesmal galt es 
für unsere schwachen, fast nur aus Landwehrtruppen be 
stehenden Kräfte auszuhalten. Und es gelang ihnen, den 
Flankenstoß zu parieren, das Feuer unserer Maschinen 
gewehre und schweren Artillerie war vernichtend, eine Attacke 
von 800 afrikanischen Reitern brach im Maschinengewehr 
feuer blutig zusammen. Unsere allzu schwachen Kräfte 
zogen sich auch diesmal langsam zurück, und wiederum
	        
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