Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

23 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1913. 
schieren, eine kolossale Anstrengung, wobei viele zurück 
blieben, die dann von den hinterlistigen Einwohnern er 
schossen wurden. Die Bewohner Belgiens sind Bestien, 
jeder Zurückbleibende ist rettungslos verloren. Bis zehn 
Kilometer in Belgien hinein wurden wir noch freundlich 
empfangen, dann aber ging's los. Die Belgier schossen auf 
alles, auch auf das ,Rote Kreuz'. 
In einem Dorfe, das unsere Truppen besetzt hielten, 
wurde von der Bevölkerung auf eine Husarenpatrouille von 
achtzehn Mann geschossen, natürlich ging dann das ganze 
Dorf in Flammen auf, und von den Einwohnern ist'wohl 
keiner entkommen. Wir selbst wurden schon im ersten Bi 
wak am 4. August von 
den Einwohnern über 
fallen, auch am 5. August 
wurde beim Durchmarsch 
durch ein Dorf von den 
Einwohnern auf uns 
geschossen, worauf wir 
natürlich scharfe Strafe 
folgen ließen." 
Es steht fest, daß 
Frauen auf die angrei 
fenden deutschen Solda 
ten kochendes Wasser und 
Ol geschüttet haben, daß 
Kinder Schwerverwun 
deten auf dem Kampf 
platz die Augen aus 
stachen und daß Sama- 
riterinnen Verwundete, 
die sie in Pflege genom 
men hatten, später vom 
zweiten Stockwerk herab 
zum Fenster hinaus 
stürzten. — 
Auf deutscher Seite 
ist Friedrich Wilhelm 
Prinz zu Lippe gefallen, 
ein Onkel des regieren 
den Fürsten Leopold IV. 
zu Lippe. Er befehligte 
ein Regiment und führte 
es persönlich zum Sturme. 
Auf einem der Wälle 
nordwestlich von Lüttich 
wurden sie umzingelt 
und heftig beschossen. Der 
Prinz ließ die Fahne 
sckweuken, um in der 
Näh! sichtbar gewordene 
deutsche Truppen zuHilfe 
zu rufen. Ehe diese aber 
anlangten, sank er, durch 
die Brust getroffen, zu 
Boden. 
Auch der Komman 
dant der Festung Lüttich 
ist, wie auf Seite 22 schon kurz erwähnt wurde, von den 
Deutschen gefangen worden. Als sie die Kommandantur 
besetzten, wurde er von seiner Umgebung wider seinen 
Willen mit entführt. Er begab sich dann in das Fort 
Lancin, die Verteidigung weiter zu leiten. Aber schon 
die dritte Granate der deutschen 42-cm-Geschütze, die aus 
zwölf Kilometer Entfernung feuerten, durchschlug die 
Betondecke des Munitionsmagazins, und das Fort flog 
in die Luft, hundertfünfzig Mann unter sich begrabend. 
General Leman wurde bewußtlos aufgefunden und ge 
fangen genommen. Er ließ diese Tatsache sofort schriftlich 
festlegen und erklären, daß er sich sonst nicht ergeben hätte. 
General v. Emmich ehrte denn auch den überwundenen 
Gegner, indem er ihm den abgelieferten Degen zurück 
gab. Dann wurde der belgische General nach Deutschland 
abgeführt. 
Mit der Eroberung Lüttichs hat das deutsche Heer nicht 
nur in seiner rechten Flanke einen sicheren Stützpunkt 
gewonnen, sondern es wurde ihm auch der Weg in der 
Richtung auf Namur, die der französischen Grenze näher 
liegende Festung, freigemacht, so daß alsbald mit deren 
Beschießung begonnen werden konnte. 
Namur. 
(Hierzu das Bild auf Seite 22.) 
Schon wenige Tage nach den glorreichen Siegen von 
Metz, Longwy und Neufchateau konnte der deutsche General 
quartiermeister melden: „Von der Festung Namur sind 
fünf Forts und die Stadt in unserem Besitz; vier Forts 
werden noch beschossen. Der Fall scheint in kurzem be 
vorzustehen." Also schon am vierundzwanzigsten Mobil 
machungstage auch dies andere belgische Bollwerk unser, 
von dem unsere heimlich verschworenen Feinde das 
deutsche Land zu überschwemmen gedachten! Denn es 
steht nunmehr unbe 
stritten fest, daß die bel 
gische Regierung sich 
längst verpflichtet hatte, 
den Franzosen und Eng 
ländern die Festungen 
Namur und Lüttich als 
Stützpunkte für den 
geplanten Angriff im 
Rücken der an der elsaß- 
lothringischen Grenze be 
schäftigten deutschen Ar 
mee bereitzuhalten. Der 
Scharfblick und die rasche 
Entschlossenheit unserer 
obersten Heeresleitung, 
die unvergleichliche Tap 
ferkeit unserer braven 
Soldaten haben dies 
Netz von Lug und Trug 
zerrissen. Das ganze 
östliche Belgien ist in 
deutschen Händen, der 
Feldmarschall v. d. Goltz 
als Generalgouverneur 
eingesetzt, deutsche Ver 
waltung unter dem 
Aachener Regierungs 
präsidenten vr. v. Sandt 
allenthalben eingerichtet; 
die Waffenfabriken in 
und bei Lüttich arbeiten 
mit Volldampf für die 
deutsche Armee. — „Kein 
Teufel wird uns diese 
Beute mehr entreißen!" 
Namur, das gegen 
32000 Einwohner zählt, 
liegt am Einfluß der 
Sambre in die Maas, ist 
Knotenpunkt von fünf 
Eisenbahnlinien, wor 
unter die nach Brüssel 
und Paris, und durch 
neun vorgeschobene Forts 
befestigt, die einen wich 
tigen Teil in der Reihe der Maasbesestigungen darstellen. 
Wie die Lüttichs, sind auch die Außenwerke Namurs von 
Brialmont erbaut. Es ist der Sitz eines Gouverneurs. 
Die Stadt zeichnet sich durch schöne, breite Straßen und 
herrliche Promenaden aus. Ihre lebhafte Industrie 
erstreckt sich namentlich auf die Herstellung von Messern, 
Maschinen, Ton- und Elaswaren. Was aber diesem 
befestigten Platze für uns die besondere Bedeutung verleiht, 
das ist der Umstand, daß er nur dreißig Kilometer von der 
französischen Grenze entfernt liegt und daß mit dem Besitz 
Namurs auch die berühmten Maasübergänge in unseren 
Händen sich befinden. Kein Feind vermag mehr unseren 
rechten Flügel zu umgehen; die Zufuhr der Kriegs- und 
Lebensmittel aus der Heimat ist für unsere nach Frankreich 
vordringenden Truppen dauernd gesichert. — Wir würden 
etwas Wichtiges vergessen, wollten wir bei diesem Anlaß 
nicht auch der Werkzeuge gedenken, denen wir den raschen 
Verlauf der großartigen Erfolge vor Lüttich und Namur 
verdanken, nämlich unserer neuen 42-am-Mörser. In aller 
Stille, ohne daß die Feinde etwas davon zu merken bekamen, 
wurden diese riesigen Zerstörungsmaschinen hergestellt, und 
es gereicht den zahlreichen Personen, die um das Geheimnis 
Die verheerende Wirkung eines deutschen 42-Lm-Geschosses auf das Panzerfort Lancin 
der Festung Lüttich.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.