Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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Deutsche Artillerie an der belgischen Küste. 
(Hierzu das Bild Seite 308,309.) 
Wo auch immer unsere braven Krieger ins Gefecht 
kamen, war alle Welt darin einig, daß sie mit beispielloser 
Tapferkeit sich schlugen. Aber wenn es durch die Reihen 
geht: „Engländer sind's", dann greift an die Herzen noch 
ein anderes, überwältigendes Empfinden, das Gefühl der 
Verachtung und des Hasses. Sie haben den Strick ge 
dreht, mit dem man uns erdrosseln wollte, sie haben auch 
in der ganzen Welt unseren guten Namen verunglimpft, so 
das; selbst Freunde an uns zweifelhaft wurden. Das kann 
der Deutsche am wenigsten verzeihen. 
So war es, als am 23. Oktober gemeldet wurde: „Unsere 
längs der Nordseeküste in Belgien gegen die französische 
Grenze vordringenden Brigaden erleiden durch das Feuer 
feindlicher Kriegschiffe empfindliche Verluste," und als 
dann der Befehl ergangen war: „Das .. .te Fußartillerie 
bataillon ist vorzuziehen und hat in den Dünen von X. das 
Feuer gegen Teile der englischen Flotte aufzunehmen." 
Inzwischen war festgestellt worden, daß das englische 
Geschwader aus elf Schiffen bestand, deren Admiral die 
feste Absicht hatte, in echt englischer Art seine Fürsorge für 
das beschützte Belgien zu betätigen, indem er Ostende, 
Ankunft Leichtverwundeter auf Lazarettkähnen in Berlin 
dieses Juwel unter den großen internationalen Seebädern, 
den köstlichen Besitz Belgiens, bombardieren wollte. Nur 
mit Mühe konnten ihn die Bitten der belgischen Behörden 
davon abhalten. Nachdem allerdings dann das deutsche 
schwere Geschütz das Feuer eröffnet hatte, war es mit 
solchen Heldentaten endgültig vorbei, denn schon am Vor 
mittag des 26. Oktober konnte das Große Hauptquartier 
verkündigen, das englische Geschwader sei kräftig beschossen 
worden, habe drei Volltreffer erhalten und sich darauf 
„außer Sehweite" begeben. 
Auf dem Bild Seite 308/309 sehen wir die schweren 
Steilfeuergeschütze an der Arbeit. Um die Räder sind 
Gürtel gelegt, die eine Bettung überflüssig machen. Eine 
solche, die aus schweren Bohlen besteht, braucht zum Bei 
spiel der 21-em-Mörser. Die schwere Feldhaubitze (15 cm) 
führt zu dem Zweck, das Versinken der Räder im weichen 
Boden zu verhindern, Rohrmatten mit. Die auf unserem 
Bilde sichtbaren Gürtel, die den Lafettenrädern das Aus 
sehen von Mühlrädern verleihen, dienen dem gleichen Zweck. 
Die Schutzschilde sind zur Abwehr von Schrapnell 
kugeln angebracht, und die große Länge des Lafetten 
schwanzes, die besonders auffüllt, ist nötig geworden durch 
den Rohrrücklauf. Während nämlich im Jahre 1870/71 
und noch mehr als zwei Jahrzehnte später das Geschütz 
bei jedem Schuß auf seinen Rädern zurückrollte und mit 
vieler Mühe wieder auf den alten Platz vorgebracht werden 
mußte, bleibt jetzt die Lafette fest stehen, und nur das Rohr 
fährt schlittenartig auf ihr zurück, in seiner Wucht durch eine 
hydraulische Bremse gemäßigt. Dabei spannen sich starke 
Federn aus Stahl, die es wieder vorholen. So braucht 
nur ganz wenig nachgerichtet zu werden. Man kann viel 
rascher feuern, und die Mannschaft ermüdet nicht so schnell. 
Ferner sehen wir die Körbe am Boden liegen, in denen 
die schweren Geschosse verpackt und herangetragen werden, 
in jedem Korb ein Geschoß, wie die Weinflasche in der 
Strohhülse. 
Die „Taube", die über dem Meere schwebt, hat erst 
beobachten helfen und jetzt gemeldet, daß der Feind sich 
zurückzieht. Wir sehen deshalb unter ihr auch die drei 
fliehenden Schiffe von „achtern". Als festgestellt war, daß 
sie es aufgegeben hatten, den Kampf fortzusetzen, ver 
ließen unsere Offiziere den Sicherheitstand, in dem sie 
bisher gedeckt beobachten mußten, und machten fickst s oben 
auf der Düne bequemer. Wer die Nordseeküste kennt, weiß, 
daß es dort keine Wälder oder einzelne hohe Bäume gibt. 
Die scharfen Seestürme lassen sie nicht aufkommen. Einen 
schwachen Ersah bietet hier und da niedriges Gestrüpp. 
Meistens fehlt auch dieses, und die Dünen, wie man die 
von den Stürmen zusammengewehten Sandwellen nennt, 
sind höchstens mit dünnen, armseligen Gräsern bestanden. 
Hinter einer solchen Düne versteckt hat unsere Batterie gewirkt. 
Mit Liebesgaben an die 
Front. 
(Hierzu die Bilder Seite 32t.) 
Die Militärverwaltung von Saar 
brücken hatte ein Transportauto für 
die Fülle von Liebesgaben zur Ver 
fügung gestellt, die von den dortigeil 
Einwohnern für ihr Landwehrersatz 
bataillon gesammelt worden waren. 
Von vielen Angehörigen wurden uns 
noch direkte Pakete für die im Felde 
stehenden Lieben mitgegeben, da die 
Feldpost solche Sendungen noch nicht 
annahm. In dem hochbepackten 
Lastauto tonnte man sich nur müh 
sam ein Plätzchen erobern, und gar 
manchmal dachten wir unterwegs 
bei den gefährlichen Schwankungen 
des Wagens, daß die Fahrt ein vor 
zeitiges Ende nehmen würdet . Doch 
es ging auch bei den gefährlichsten 
Kurven noch immer gut ab. 
Die Fahrt durch die Aufmarsch 
stellung zur Front bietet viele inter 
essante Eindrücke. An endlosen 
Marschkolonnen geht es vorüber, 
rechts und links des Weges sind 
große Wagenburgen aufgefahren. Bald grüßt uns auch 
das Zeichen des Roten Kreuzes. An einer großen, mitten 
im Felde aufgefahrenen Feldbäckerei kommen wir vorüber. 
In den fahrbaren Backöfen wird das Brot für die Truppen 
gebacken, das dann den Soldaten nachgefahren wird. So 
greift ein Rad der großen Kriegsmaschine in das andere. 
Die Fahrt geht jetzt über die Schlachtfelder, auf denen 
Mitte August das blutige Ringen tobte. Verlassene Schützen 
gräben, tief aufgewühlte Eranatlöcher und die ernst 
stimmenden Massengräber sind die einzigen Spuren von dem 
harten Schritte des Krieges; sonst hat deutsche Ordnung 
hier schon für eine gründliche Aufräumung des Kampf 
platzes von den Verwüstungen der Schlacht gesorgt. 
Wir nähern uns jetzt mehr der zweiten Kampfstellung. 
Die Ortschaften sind dicht mit Militär belegt, stark verschanzte 
Batterien tauchen auf, die des Angriffs von feindlicher 
Seite harren. Vor dem nächsten Dorfausgange stoßen wir 
auf eine ganz mit Birkenbäumchen verdeckte schwere Batterie, 
die unheimlich langen Geschützrohre starren drohend nach 
Frankreich hinüber. Um die feindlichen Flieger zu täuschen, 
ist diese Feldstellung ganz mit Gebüsch verkleidet. Dann 
kommen Schützengräben nach Schützengräben, die sich weit 
in die Felder hinein erstrecken. Spät abends kamen wir 
dann bei unseren Landwehrleuten an, die in einem loth 
ringischen Dorfe von echt französischem Charakter im 
Alarmquartier lagen. Die Ankunft des Liebesgaben 
transportes erregte natürlich großes Aufsehen und all-
	        
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