Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
319 
Festung bis zum 8. Oktober unbedingt zu nehmen, weil sie 
sonst von den Österreichern und Ungarn wieder entsetzt 
würde. Da jagte denn Radko Dimitriew in seiner be 
rüchtigten Draufgängerart seine Regimenter gegen die so 
gut wie unbeschädigten Werke, gleichgültig, wie groß die 
Verluste sein würden. Ja, noch mehr: im Rücken der 
Leute liest er Maschinengewehre aufstellen, so das; die 
Ärmsten nur die Wahl der Todesart hatten, 
und die Offiziere peitschten ihre Soldaten mit 
Knuten vorwärts. Auf 40 000 schätzte man die 
Toten rings um die befreite Festung; die Russen 
selber gaben ihre Verluste mit 70 000 an. 
Przemysl hat durch den Sturm wenig ge 
litten. Nur einmal, am 7. Oktober, schlugen 
Schrapnelle in die Stadt ein. Sofort stieg ein 
Unteroffizier im Fesselballon auf und entdeckte 
die feindliche Batterie, die sich so kühn vorgeschoben 
hatte; zwanzig Minuten später war sie ver 
nichtet. Am ineisten war das Austenfort Ducko- 
wiczky dem Ansturm der Russen ausgesetzt, die es 
mit stark überlegenen Kanonen und Marinegeschützen 
beschossen. Trotzdem hatte die heldenmütige Be 
satzung — eine Kompanie Infanterie und eine 
Halbkompanie Artillerie rmter Oberleutnant Milke 
— nur einen Toten und sieben Verwundete. Die 
Russen aber, die schliehlich doch noch bis in den 
Festungsgraben vorgedrungen waren, lietzen rund 
5000 Tote dort zurück. 
Nochmals hieh es am 7. Oktober abends, daß 
die Russen mit bedeutenden Verstärkungen in der 
kommenden Nacht die Festung an drei Vierteln 
ihres Umwallungsringes gleichzeitig berennen wür 
den. Es kam nicht mehr dazu. Durch das rasch 
heranrückende Entsahheer fühlten sie sich derart 
bedroht, datz sie fluchtartig den Rückzug antraten. 
Am 11. Oktober war Przemysl völlig frei, eine 
Tatsache, die mit feierlichem Gottesdienst in allen 
Kirchen und Synagogen gefeiert wurde. Dann 
begab sich eine Abordnung der Bürger zum 
Festungskommandanten v. Kusmanek und brachte 
ihm ihren Dank zum Ausdruck; er antwortete mit 
einem Hoch auf den Kaiser, in das die Menge 
jubelnd einstimmte. 
Generaloberst Karl v. Bülow. 
Von Generalleutnant 3. D. Baron v. Ardenne. 
(Hierzu das Bild Seite 305.) 
Unter den deutschen Heerführern, die im jetzigen 
Weltkriege bereits der Siegeslorbeer schmückt, 
nimmt Generaloberst v. Bülow eine der ersten 
Stellen ein. Das geheimnisvolle Fluidum, das 
große Feldherren auf ihre Armeen auszustrahlen 
verstehen und das sie mit diesen unauflöslich 
verbindet, ist bei General v. Bülow deutlich bemerk 
bar. Das Vertrauen seiner Soldaten ehrt ihn ebenso, 
wie es im Jahre 1870/71 die Generale Konstantin v Al- 
vensleben und v. Göben geehrt hat. 
In der großen Familie derer v. Bülow haben die männ 
lichen Mitglieder sozusagen schon in der Wiege das Eenerals- 
patent. Seit Jahrhunderten reihen sich die hervorragenden 
Generale dieses Namens aneinander — keiner von ihnen hat 
einen wesentlichen Mißerfolg gehabt. Der Generaloberst 
Karl v. Bülow, dem diese Zeilen gelten, ist am 24. März 
1846 zu Berlin als Sohn des Oberstleutnants Paul v. Bülow 
geboren. Nach überstandener Schulzeit auf mehreren Gym 
nasien trat er, 18 Jahre alt, als Junker in das 2. Earde- 
regiment zu Fuß ein. Im Kriege 1866 erhielt er als Leut 
nant bei dem Sturm auf Soor eine leichte Verwundung, 
die ihn indessen von der Teilnahme an der Schlacht bei 
Königgrütz nicht abhielt. Im Feldzug 1870/71 zur Garde- 
landwehr kommandiert, zeichnete er sich bei den Belage 
rungen von Straßburg und Paris aus. Er erhielt das 
Eiserne Kreuz und wurde 1871 Oberleutnant. 1872 
bis 1875 war Bülow Adjutant bei der Inspektion der 
Jnfanterieschulen. 1876 wurde 'er Hauptmann im Großen 
Generalstabe und 1879 Generalstabsoffizier AII beim 
9. Armeekorps in Altona; 1881 Imrt_ er als solcher zur 
4. Division nach Bromberg. Nach der in der Armee wohl- 
bewährten Sitte, die Generalstabsoffiziere zeitweilig zur 
Front zurückzuversetzen, wurde Bülow 1884 Kompaniechef 
im Infanterieregiment Nr. 96 (Gera), aber schon 1885 als 
Major A I in den Generalstab des 2. Armeekorps nach 
Stettin versetzt. 1888 in den Großen Eeneralstab zurück 
gekehrt, wurde er 1890 Oberstleutnant und Chef des General- 
stabs des 2. Armeekorps. In rascher Folge wurde er 1893 
Oberst und 1894 Kommandeur des 4. Earderegiments zu 
Fuß. Hierauf als Direktor des allgemeinen Kriegsdeparte 
ments in das Kriegsministerium versetzt, wurde er dort 1897 
Generalmajor. Im Jahre 1900 gab er als Generalleutnant 
und Kommandeur der 2. Gardeinfanteriedivision bereits Be 
weise seiner großen Beanlagung für die Führung größerer 
Truppenkörper. Schon 1902 wurde er der Front aber wieder 
entzogen durch seine erneute Berufung in den Großen 
Generalstab als Generalquartiermeister; doch schon 1903 
wurde er kommandierender General des 3. (brandenburgi- 
schen) Armeekorps und 1904 als solcher General der Infan 
terie. An der Spitze seines Elitekorps und als Führer 
der roten Armee gab er in den Kaisermanövern 1912 
erneute, aufsehenerregende Proben seines genialen Führer- 
talents. Im selben Jahre wurde er Generaloberst und 
Generalinspekteur der dritten Armeeinspektion in Han 
nover. 
Bei Beginn des jetzigen Weltkrieges 1914 zum Kom 
mandeur der 2. Armee ernannt, hat Bülow sich in den 
gewaltigen bisherigen Schlachten voll bewährt. Eines seiner 
großen Verdienste ist auch die treue Waffenbrüderschaft, die 
er der benachbarten 1. Armee in den Septemberschlacht 
tagen erwiesen hat. 
Deutschland kann stolz darauf sein, unter den Führern 
seiner Heere auch Karl v. Bülow zählen zu dürfen, von dem 
es sich gewiß noch weiterer Taten zu versehen haben wird. 
Die Zitadelle von Dtamuc mit zerstörter Brücke.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.