Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Phot. Gebr. Haeckel, Berlin. 
Kundgebung vor dem Gebäude des Feftungskommandos in Przemysl nach glücklich überftandener 
Belagerung. 
Der Festungskommandant und Verteidiger der Stadt, Exzellenz v. Kusmanek, bringt ein dreifaches Hoch 
auf den Kaiser aus. 
Frankreich dem Beil aus, wie vorher schon Belgien, und 
Ihr müßt hier bleiben und Hungers sterben. Wir haben 
Antwerpen genommen, nahezu 300 000 Russen gefangen 
und sind Sieger auf der ganzen Linie. Das ist die Wahr 
heit, allen englischen Lügen zum Trotz. Kommt herüber zu 
uns, Ihr werdet freundschaftlich behandelt werden. Mit 
allen zehn Fingern werdet Ihr bei uns zu essen bekommen 
und nichts von uns zu befürchten haben. Wir haben nur 
Mitleid mit Euch. Wißt Ihr denn nicht, daß wir Munition 
und Lebensmittel noch für Jahre haben? Wer von Euch 
während der nächsten beiden Tage mit einer weihen Fahne 
oder einem anderen weißen Zeichen, natürlich ohne Waffen, 
zu uns herüberkommt, wird gastlich aufgenommen werden. 
Dieses Versprechen bekräftigen mit ihrem Ehrenwort 
Manitius, preußischer Offizier — Dehmel, deutscher Dichter." 
Einige Tage später fand eine Patrouille folgendes 
Schreiben (in deutschen Buchstaben!) an demselben Baum 
angenagelt (wortgetreue Abschrift): 
„Antwort an den 
Brief von den Herrn Offizier Manitius und Dehmel. 
Die Nachrichten, die Sie uns geben, sind schon alt. 
Wir kennen die Ernehmung Anvers seit einer Woche. Wir 
kennen auch, daß die Russen, nachdem sie in Rußland 
zurückgekommen sind, ihre große Heere zusammelt haben 
und gegen eure 24ten westlichsten 
Armeekorps jetzt siegreich ins Deutsch 
land ziehen. Von den österreichischen 
Soldaten sagen wir nichts, sie zählen 
nicht. Ich glaube, daß Sie unsere 
Freunde, die Engländer, verlügen, 
welche sich an unsern Seiten sehr 
mutig für die Freiheit und die Glück- 
lichkeit der Völker schlagen. Jene die, 
der französische Soldat hungrig, sagen, 
sind Lügner. Sie kennen, unglück 
licherweise, die zahlreiche Reichheiten 
unserer schönen Frankreich. Ich wie 
derhole/ Sie sind verloren. Ganz 
Europa ist gegen Deutschland und 
wir sollen siegen, um Ihr Kaiser zu 
töten, und Ihnen die Freiheit geben. 
Sie sind elende Sklaven. Seien Sie 
frei; Ihr Kaiser muß fallen; das deut 
sches Reich ist verloren. Kommen Sie 
mit uns. « 
Unterschrift (ohne Namen). 
Ein französischer Soldat, der deutsche 
Studenten gekennt hat und sie von 
der kaiserlichen Macht befreien will." 
Dem Brief lag eine reichhaltige 
Speisekarte bei, datiert,,Io lOootobro", 
und aus dem Rand stand in der 
Handschrift des Briefschreibers: 
„Das ist eine gewöhnliche Mahl 
zeit der französischen Offiziere, die 
deutsche Offiziere freundlich einladen." 
Auf diese echt gallische Groß 
sprecherei wurde von deutscher Seite 
(am 25. Oktober) folgender Bescheid 
erteilt, und zwar wieder an den Baum 
der Vermittlung geheftet, diesmal 
aber natürlich in deutscher Sprache: 
„Verehrte Kriegskameraden von 
der Gegenseite! 
Wir danken Euch für die gast 
freundliche Einladung und werden uns 
erlauben, ihr Folge zu leisten, sobald 
wir in Paris eingezogen sind. So 
lange wir im Felde liegen, speist 
der deutsche Offizier grundsätzlich kein 
anderes Menü als die übrigen Sol 
daten; unsere Feldküche ist sehr 
leistungsfähig. Uber , Freiheit und 
Gleichheit' machen wir nicht viel 
Worte; wir beweisen sie lieber durch 
die Tat, soweit es menschenmöglich 
ist. Hoffentlich bringt Euch dieser 
Krieg die gleiche Freiheit und Ord 
nung und Einigkeit, deren wir uns 
nach vierzig glücklichen Friedensjahren 
unter unserem Kaiser erfreuen. Das unglückliche Frankreich 
aufrichtig bedauernd Manitius und Dehmel." 
Leider konnte der nächtliche Waldpostverkehr nicht noch 
weiter fortgesetzt werden, da die Kompanie der deutschen 
Truppe am nächsten Tage aus jener Gegend nach einem 
anderen Schützengraben verlegt wurde. 
Belagerung und Entsatz von Przemysl. 
(Hierzu die Bilder Seite 316 und 317.) 
Glänzende Einzelsiege hatten die österreichisch-ungarischen 
Arrneen unter Dankl, Auffenberg, Boroevic und anderen 
errungen,' aber vor der riesenhaften Abermacht der Russen 
wurde es schließlich im zweiten Drittel des Monats Sep 
tember nötig, die Truppen hinter die Wisloka zurückzu 
nehmen und für einen neuen Angriff in anderer Gruppie 
rung bereitzustellen. Der Brückenkopf Sieniawa und die 
schwachen Werke von Jaroslau wurden noch zwei Tage ge 
halten, dann, als sie ihre Bestimmung erfüllt hatten, frei 
willig aufgegeben. Damit war die Festung Przemysl zur 
Einschließung durch die Russen verurteilt. Am. 2. Oktober 
erfolgte durch einen Parlamentär des ehemals bulgarischen, 
nunmehr russischen Generals Radko Dimitriew die Auf 
forderung zur Übergabe. Der Kommandant von Przemysl,
	        
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