Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Eine russische Schützenlinie. 
Korps des Bezirkes Moskau stoßen. Verblieben also noch 
16 Korps rnit acht bis zehn Kavalleriedivisionen, die gegen 
Deutschland zu Feld ziehen könnten. Aber das hat bei 
dein Mangel an Eisenbahnen in Rußland gute Weile; die 
Mobilmachung kann in diesem Riesenreiche naturgemäß nur 
langsam vor sich gehen. Rechnen wir hinzu, daß die pol 
nische Revolution ihr Haupt zu erheben beginnt und daß 
man auch in der Ukraine dem militärischen Aufmarsch Wider 
stand entgegensetzt, so ist zu erwarten, daß die Lösung der 
verdammenswerten Aufgabe, die sich das Moskowitertum 
gestellt hat, nicht nur verschleppt, sondern überhaupt in 
Frage gestellt wird. 
Und der Eefechtswert der russischen Truppen? 
„Die Infanterie ist schwerfällig im Schützengefecht und 
schießt höchst mittelmäßig," erklärt der deutsche General 
Keim auf Grund von zuverlässigen Mitteilungen und Er 
fahrungen eines höheren Offiziers, der an der Ostgrenze 
im Felde steht. „Das Dreiliniengewehr, mit dem sie be 
waffnet ist, steht unseren Gewehren erheblich nach. Die 
Mehrzahl der Leute ist von kräftiger Gestalt, auch mit 
Kleidung und Schuhwerk gut versehen. Die Gefangenen, die 
wir bisher gemacht haben, sind reichlich stumpfsinnig und 
erzählen, man habe ihnen erst in Tauroggen, dicht an der 
deutschen Grenze, gesagt, daß Krieg sei. Jedenfalls sind 
unsere Leute ihnen an Kampfesfreude, Eefechtsdisziplin und 
Schußfertigkeit weit überlegen. Ihre Feldartillerie schießtim 
allgemeinen nicht schlecht, aber die Granaten explodieren 
auch Verwirrung und Panik gar zu leicht Platz greifen, 
und das scheint uns dem ruhigen und besonnenen deutschen 
Soldaten von vornherein ein ausschlaggebendes Übergewicht 
zu sichern. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß die Franzosen 
von jeher an einiger Überhebung kranken und den fran 
zösischen Soldaten dem deutschen gegenüber, den sie-tölpisch 
und täppisch nennen, zu einem Wundertier zu stempeln 
suchen. Nicht uninteressant ist es, daran zu erinnern, daß 
unlängst erst ein französischer Reserveoffizier dieser land 
läufig gewordenen französischen Anschauung energisch ent 
gegentrat und seinen Landsleuten schlechtweg sagte, ihre 
Ansichten über den Wert deutscher Soldaten seien grundfalsch. 
„Ich kann auf das Bestimmteste versichern," so schrieb er, 
„weil ich mich mit eigenen Augen davon überzeugt habe: 
daß wir es mit einer ganz außerordentlich kraftvollen Truppe 
(Soldaten, Unteroffizieren und Subalternoffizieren) zu tun 
haben werden. Die Wucht des Handelns ist bei allen bis 
zum Höchstmaße gesteigert. Man bläht sich freilich bei 
ihnen nicht so auf wie bei uns, sucht nicht aus jedem Sol 
daten einen Napoleon zu machen, der bei jedem Anlaß die 
Geistesgaben leuchten läßt, mit denen er von der Natur so 
verschwenderisch ausgestattet ist. Der deutsche Soldat ist 
nicht sonderlich anstellig und findig, oder man verlangt das 
wenigstens nicht von ihm. Stark soll er sein, kräftig und 
tüchtig — das genügt. Sie sind aus hartem Stahl, die auf 
Kommando losschnellen mit aller Kraft und Schnelligkeit, 
deren der Organismus nur eben fähig ist." Diese an 
erkennende Mahnung enthält zugleich 
ein ganz hübsches Sümmchen von 
Selbsterkenntnis, und wir wollen ihr 
keine weitere Erläuterung anfügen. 
Die belgische Armee ist numerisch 
schwach und reicht in militärischer Er 
ziehung und Schulung nicht über den 
Wert des mittelmäßigen Milizverteidi 
gungssystems hinaus, das einem deut 
schen Ansturm gegenüber selbstverständ 
lich nicht standzuhalten vermag. Ihre 
ziffermüßige Stärke wird, da in Belgien 
das neue Wehrgesetz noch nicht zu sei- , . 
ner vollen Wirkung gelangt ist, auf an- 
nähernd 70000 Mann einzuschätzen sein. 
Und wie steht es mit Rußland? M 
Dieses besitzt nach der Neuordnung 
seiner Armee, die nach dem japanischen . ' 
Kriege angestrebt wurde, aber bezeich- V' J 
nenderweise heute noch nicht völlig ;.V« 
durchgeführt ist, 37 Armeekorps, wovon w- • Zu 
stehen in Sibirien und drei imKaukasus „ > > / W ‘ 
stehen. Von den für den europäischen ^ ,r - ^ 
Krieg verbleibenden 27 kommen zu- ^ 
nächst die in den südlichen euro- - 7 
p ätschen Bezirken stehenden neun ^ * 
Korps mit sieben Kavalleriedivi- fjs " • 
sionen gegen Österreich - Ungarn in 
Betracht, wozu vielleicht noch zwei 
Berliner Illustrations-Gesellschaft m. b. Berlin. 
Französische Infanterie zum Angriff vorgehend.
	        
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