Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
können. Es war wieder einmal mit Maschinengewehren 
aus den Häusern auf das soeben angekommene Ersatz 
bataillon des Regiments Nr. 125 aus Stuttgart geschossen 
worden; die ersten Toten hatte das gekostet. Und dafür 
hatte man Montigny angezündet an allen Ecken und 
Enden. Und nun kommen wir an einem Trauerzug vor 
über, der wohl in seiner Furchtbarkeit einzig dasteht. Man 
hatte die Bewohner von Montigny zusammengetrieben, 
und diese Leute wurden nun, von deutschen Soldaten es 
kortiert, von ihrer brennenden Heimat ins nächste Dorf 
geführt. 
Wenn unsere Landsleute das sehen könnten, die 
in ihren unversehrten Häusern ihrer täglichen Arbeit nach 
gehen können, die weiter keine Sorgen um Hab und Gut 
zu haben brauchen, erst dann könnten sie verstehen, was 
die deutschen Soldaten leisten. Und sie würden ihnen viel, 
viel dankbarer sein! 
Ein österreichisch-ungarischer Proviantzug 
bei Lemberg. 
(Hierzu das Bild Seite 299.) 
In heldenmütiger Weise haben sich die österreichisch 
ungarischen Truppen wochenlang in und um Lemberg 
gehalten, obwohl aus strategischen Erwägungen schon 511 
Anfang des Krieges diese Stadt insofern als verloren galt, 
als man wußte, daß man sie aus höheren taktischen Gründen, 
wenn es einmal gelungen sein würde, die Russen in ihre 
Umgebung zu locken, werde räumen müssen. Nachdem die 
österreichisch-ungarischen Truppen Lemberg am 3. Sep 
tember verlassen hatten, Zogen sie sich südwestlich und stellten 
sich an der Bahnlinie nach Erodek auf, um hier einen neuen 
Angriff der Russen zu erwarten. Dieser wurde dann nach 
tapferer Gegenwehr in einer vieltägigen Schlacht glücklich 
zurückgeschlagen, nachdem viele Tausende von Russen zu 
Kriegsgefangenen gemacht worden waren. 
Eine Einzelheit dieses Kampfes wird von unserem 
Künstler festgehalten: das Bild zeigt, wie ein österreichisches 
Infanterieregiment mit den Bajonetten gegen einen 
russischen Angriff vorgeht, der sich auf einen Proviant 
zug auf der Bahnlinie Lemberg—Erodek richtete. 
Untergang des englischen Kreuzers 
-»Hawke". 
(Hierzu das Bild Seite 301.) 
Am 15. Oktober nachmittags versah der englische ge 
schützte Kreuzer „Hawke" mit seinem Schwesterschiff 
„Theseus" in der nördlichen Nordsee Wachdienst, als plötz 
lich vor ihnen das Periskop (Sehrohr) eines Unterseebootes 
sichtbar wurde. Kurze Zeit darauf entsandte letzteres be 
reits den ersten Torpedo auf den Kreuzer „Theseus", dem 
es jedoch durch geschicktes Manövrieren gelang, der 
furchtbaren Gefahr zu entrinnen: der Torpedo ging, sein 
Ziel verfehlend, seitlich vorbei, und der „Theseus" suchte 
mit Volldampf das Weite. Um so besser traf der zweite 
deutsche Torpedo den Kreuzer „Hawke". Er drang bis in 
den Maschinenraum, wo eine furchtbare Erplosion erfolgte, 
durch die bereits ein großer Teil der Mannschaft ums Leben 
kam. Das Fahrzeug zeigte sofort starke Schlagseite, und 
nach wenigen Minuten, nachdem man vergeblich versucht 
hatte, die Boote auszusetzen, mußten die Offiziere schon den 
Befehl ausgeben: „Jeder denke an sich selbst!" Die Über 
lebenden, darunter der Offizier Sydney Austin, der schon 
den Untergang der „Hogue" miterlebt hatte, berichteten 
ihren Rettern, daß zwischen dem Torpedoschuß und dem 
Verschwinden des Kreuzers höchstens vier Minuten ver 
strichen seien. Fünf Stunden nach der Katastrophe 
nahm der norwegische Fischdampfer „Modesta" aus einem 
Boot die wenigen Überlebenden auf, nämlich 49 Mann 
und einen, nach anderen Berichten drei Offiziere, die er 
später dem englischen Fischdampfer „Ben Rinnes" übergab. 
Der vernichtete Kreuzer „Hawke" lief am 11. März 1891 
von Stapel, war also einer der ältesten englischen Kreuzer. 
Trotzdem können wir mit dem Erfolg des deutschen Unter 
seebootes — es war dasselbe II9 und die gleiche Besatzung, 
die wenige Wochen zuvor schon drei andere englische Kreuzer 
vernichtet hatte (siehe Seite 140) — sehr zufrieden sein; die 
große Entfernung von der deutschen Küste, wo dieser Angriff 
stattfand — südöstlich von Aberdeen — ist ein neuer glänzen 
der Beweis für die von den Feinden nie geahnte. See 
tüchtigkeit dieser deutschen Fahrzeuge. Die Stimmung in 
London war denn auch beim Eintreffen der Unglücks 
nachricht sehr gedrückt. Der Kommandant des II 9 aber, 
Kapitänleutnant Weddigen, hat für diese neue Heldentat 
vom Kaiser den Orden Pom- le Merite erhalten. 
Die Tätigkeit unserer Pioniere. 
Von Oberstleutnant a. D. Frobenius. 
(Hierzu die Bilder Seite 302—304.) 
Die Bezeichnung „Pionier" hat im Sprachgebrauch 
schon längst die Bedeutung „Bahnbrecher", „Wegebahner" 
angenommen, und dem entspricht auch die hauptsächliche 
Aufgabe nicht nur der Pioniere im besonderen, sondern 
der ganzen aus ihnen hervorgegangenen technischen Waffe 
mit ihren verschiedenen, unter der Bezeichnung „Ver 
kehrstruppen" zusammengefaßten Zweigen. Wir haben 
in der Entwicklung unserer „vierten Hauptwaffe" seit 
unserem letzten Kriege einen gar gewaltigen Schritt vor 
wärts getan: 1870/71 mußten noch alle technischen Auf 
gaben, welcher Art und welchen Umfangs sie auch sein 
mochten, von den paar Pionierbataillonen (in jedem 
Armeekorps deren eins) gelöst werden. Die Notwendigkeit, 
die durch die fortschreitenden technischen Wissenschaften 
und Erfindungen in Masse dargebotenen neuen Hilfsmittel 
für Heer und Kriegführung nutzbar zu machen, hat 
nach dem Kriege eine Arbeitsteilung, die Aufstellung 
technischer Sonderformationen herbeigeführt. Aber ihre 
Tätigkeit, soweit sie auch in den einzelnen Zweigen von 
einander verschiedenen Sonderausgaben gewidmet ist, hat 
doch — mit alleiniger Ausnahme der Luftschiffer — eins 
gemeinsam: das Bahnen des Weges, sei es für den Vor 
marsch der Truppen, die Beförderung ihrer Bedürfnisse 
oder die Vermittlung von Befehlen und Nachrichten; 
ihre Friedensausbildung muß deshalb ein richtiges In 
einandergreifen, eine etwa nötig werdende gegenseitige 
Unterstützung aller Teile gewährleisten. 
An der Spitze der Marschkolonne, bei der Vorhut, 
marschiert der Pionier, um die Hindernisse zu beseitigen, 
die sich dem schnellen Vorwärtsdringen etwa bieten. Und 
die mit gefällten Bäumen und tiefen Durchstichen gespickten 
Straßen in Belgien haben die Richtigkeit dieser Anordnung 
bestätigt. An der Spitze der Truppen sind aber auch 
Pioniere eingeteilt, wenn es im Gefecht Ult, über Grüben 
und Sümpfe, durch Hecken und Mauern den Kameraden 
den Weg zu bahnen, wenn künstliche Hindernisse, wie 
Stacheldrahtzäune oder Verhaue, der stürmenden Truppe 
im besten Feuerbereich des Gegners Halt gebieten. Und 
wo gar breitere Flußläufe zur Anwendung künstlicher Hilfs 
mittel nötigen, da zieht der Pionier seine Kriegsbrückentraine 
heran, da setzt er im Ponton die ersten Truppen ans andere 
Ufer, möglichst überraschend, wenn es fein muß. aber auch 
im Feuer des jenseits bereitstehenden Feindes. Da schlägt 
er die Kriegsbrücke für die nachrückende Hauptmasse der 
Truppen, und da baut er auch nachher eine feste Brücke für 
den ständigen Verkehr, um sein Brückengerät für neue Auf 
gaben wieder verfügbar zu haben. Die Truppen mar 
schieren weiter, nachdem sie das Hindernis überwunden 
haben, aber der Pionier muß erst seine Brücke wieder 
abbrechen, womöglich noch die feste Brücke erbauen und 
dann sehen, wie er die Marschkolonne wieder einholt, sich 
seinem Verband wieder einordnen kann. Deshalb hat der 
Pionier die größten Marschleistungen zu verzeichnen. 
Noch größere Aufgaben alsder Bewegungskrieg stellendem 
Pionier der Festungs- und der Stellungskrieg, welch letzterer 
sich ja dem Festungskrieg sowohl bezüglich der Kampfmittel 
(schwere Geschütze) wie der Deckungsmittel (tiefe Schützen 
gräben mit Einbauten) und der Zeitdauer immer mehr ge 
nähert hat, wie sich im jetzigen Kriege noch mehr als im russisch- 
japanischen gezeigt hat. Neben der Herstellung besonders 
widerstandsfähiger Deckungen, wie die Abbildung Seite 302 
unten sie erkennen läßt, kommt hier namentlich die Ver 
stärkung durch künstliche Hindernisse für die Pioniere in Frage. 
Die Hindernisse, die der weichende Gegner uns in den 
Weg wirft, bestehen hauptsächlich in Zerstörung der Kunst 
bauten im Zuge von Straßen und Eisenbahnen. Hier 
haben nun Eisenbahner und Pioniere Hand in Hand zu 
arbeiten. Die Brücken der belgischen Maas waren, wie 
berichtet wird, fast alle durch die Belgier zerstört. Sind die
	        
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