Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914. 
(Fortsetzung.) 
Am 25. August verkündeten Extrablätter die frohe 
Nachricht: „Von der Festung Namur sind fünf Forts und 
die Stadt in unserem Besitze. Vier Forts werden noch 
beschossen. Der Fall der Festung scheint in Kürze bevor 
zustehen." Schon einen Tag später kam die amtliche Mel 
dung: „Von Namur sind sämtliche Forts gefallen!" Diese 
Festung fiel also am selben Tage wie Longwy. 
Ein Berliner, der als Oberleutnant der Reserve mit 
seinem aktiven Regiment den Sturm auf diese belgische 
Festung mitmachte, schilderte seine Erlebnisse bei diesem 
Heldenkampfe folgendermaßen: 
„. .. Als die Nacht anbrach, wurde uns klar, daß an ein 
Quartier in diesem Fleckchen nicht zu denken war, sondern 
daß es galt, eine starke Verteidigungslinie am Dorfrand 
auszubauen. Die ganze Nacht wurde an Schützengräben 
gearbeitet, Drahtverhaue hergestellt und abwechselnd im 
Schützengraben geruht. Die ersten Nachtpatrouillen gegen 
den Feind traten ihren Gang an, die Parole wurde aus 
gegeben. 
Plötzlich tauchen drei riesige Scheinwerfer aus den drei 
vor uns liegenden Forts von Namur im Dunkel der Nacht 
auf und beleuchten mit unheimlicher Ruhe unsere Stel 
lungen. Jetzt ging es erst richtig los. Hinlegen, wenn der 
Lichtstrahl kommt. Sssss . . . bum, Sssss . . . bum, Sssss . . . 
bum sangen die Granaten hüben und drüben in ununter 
brochener Folge, denn schon am Nachmittag hatten die 
Batterien sich eingeschossen. Hinter uns im Dorfe schlugen 
sie vielfach ein, und wir waren froh, nicht in dem großen 
Gutshof, wie erst beabsichtigt war, die Nacht verbracht zu 
haben, denn dieser war mit Eranatstücken reichlich bedacht 
worden. Vor uns waren schon einige Dörfer von unseren treff 
lichen Belagerungsgeschützen, denen die stürmisch begrüßten 
Österreicher mit ihren Motorbatterien zur Seite standen, in 
Brand geschossen. Helle Flammen ringsum verkündeten das 
Ergebnis unseres Geschützdonners. Dazu vielfaches nächtliches 
Schießen von Patrouillen oder kleinen Jnfanterieabtei- 
lungen auf beiden Seiten. An den Geschützdonner gewöhnt 
sich alles trotz des großen Getöses, weil man das Summen 
des Geschosses auf der ganzen Flugbahn hört und immer 
das Gefühl hat, daß die Geschosse hoch über den Köpfen 
hinweggehen. Wenn man hinter dem Geschütz steht, kann 
man die Flugbahn sogar verfolgen. Jnfanteriefeuer ist 
viel beunruhigender, einmal die große Masse der ganz un 
sichtbaren Geschosse, und dann das unheimliche Pst 
Pst . . . Pst . . . dicht über den Köpfen. 
Am folgenden Tage hatten wir unsere Stellung noch 
immer besetzt, aber wesentlich schwächer, da der Feind 
offenbar keinen ernsten Vorstoß wagte und wir daher den 
größeren Teil unserer Truppen ruhen lassen konnten. Man 
hörte in der Hauptsache nur noch einigen Geschützdonner. 
Die Erwiderungen aus den feindlichen Forts wurden sicht 
lich dünner. Der Tod hielt schon seine Ernte in den furcht 
baren Massengräbern, wie man solche Forts gegenüber 
unseren Geschützen — von den 42 om Mörsern, die in 
Tätigkeit waren, ganz zu schweigen — mit Recht bezeichnen 
kann. Solche Erscheinungen beleben die siegreiche Truppe 
g nz bedeuten^. Als wieder die Nacht hereinbrach, reckten 
bereits die Scheinwerfer in den feindlichen Forts nicht 
mehr ihre Hälse aus. Die Forts waren in der Hauptsache 
schon nach dem achten bis zehnten Treffer Trümmerhaufen, 
und unsere Artillerie schoß auf andere Ziele. Manches Dorf 
war noch zu zerstören. Vereinzelt sauste vom Feind eine 
Granate zu uns herüber. Dann ging es am folgenden 
Tage für uns auf der ganzen Linie vorwärts. Auch die 
Artillerie schob sich weit vor und spie unaufhörlich weiter 
Verderben. Schon hißten die Forts die weiße Fahne. 
Bis zum Abend hatte unsere Infanterie sich dicht vor Namur 
wieder eingegraben. Die Türme, die Zitadelle von Namur 
grüßten bereits herüber, und abermals tobte am Tage ein 
furchtbarer Artilleriekampf,- denn um einen solchen handelte 
es sich in erster Linie bei der Belagerung. Aus anderer 
Richtung suchten uns Granaten und Schrapnell' aus Namur 
selbst zu erreichen. Leider traten hier auch die ersten größeren 
Verluste für uns ein. Eine Kompanie besonders stand 
-mitten im feindlichen Schrapnellfeuer. Die Leute fielen 
in Mengen, ehe die Züge auseinandergetrieben werden 
konnten. Die Krankenträger eilten mit ihren Tragbahren 
hin und her. Der Verbandplatz wurde vorgelegt und be 
kanntgegeben. Wir waren mitten in einem heftigen Kampf. 
Die Nacht, die abermals in Schützengräben verlebt wurde, 
Phot. Frankl, Berlin. 
In den Vogesen: Eine bayrische Infanteriekolonne mit französischem Schlachtvieh, das zum Ziehen des Wagens benutzt wird. 
Amerikau. Copyright 1914 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. 43
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.