Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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waren für den alltäglichen Personen- und Güterverkehr 
längst gesperrt, die Maschinen dennoch unter Dampf. In 
aller Stille, teilweise sogar nächtlicherweile, wurden die 
ersten Frontregimenter einwaggoniert. Oftmals wußte nur 
eine kleine Gemeine davon; sie, die Väter, Frauen und 
Schwestern, ließen es sich nicht nehmen, den Scheidenden 
das Geleite zu geben. Schweren Herzens mögen sie den 
Weg zu den streng bewachten Bahnhofschranken zurück 
gelegt haben. Aber in den letzten Augenblicken gab es doch 
noch da und dort eine ergreifende Szene, eine anfeuernde 
Rede, und als die Lokomotive zu schnauben begann, hüben 
wie drüben, solange man sich noch nahe wußte, begeisterte 
Hochrufe. Hoffen wir, daß sie alle, die da ausziehen, den 
Sieg in West und Ost erstreiten und durch neue Heldentaten 
den Ruhm des deutschen Heeres mehren! 
Sicherung der Wege und Bahnen. 
(Hierzu die Bilder auf Seite 14, 15, 17.) 
Schon in den Tagen vor der Mobilmachung lag es auf uns 
allen wie eine dumpfe Ahnung: „Gebt acht — seid auf der 
Hut!" Hatten doch erst kurz zuvor einige aufsehenerregende 
Spionageprozesse bewiesen, wie eifrig allerorten der Frank 
und der Rubel an der Arbeit waren, 
bedauernswerte Schwächlinge zum 
scheußlichsten Verbrechen, zum Landes 
verrat, zu verleiten. So wurde unwill 
kürlich, als der Krieg nicht mehr ver 
meidbar schien, jedes deutsche Auge 
mißtrauisch,' man besah sich jeden ge 
nauer, der ungewohntes Wesen zur 
Schau trug. Und wenn es in der all 
gemeinen Aufregung auch zu manchen 
Fehlgriffen kam, wenn sich im heiligen 
Zorn über die Heimtücke und Hinter 
hältigkeit unserer Feinde der Eifer 
des öfteren in Übereifer verwandelte: 
mit Befriedigung können wir feststellen, 
daß es an keiner einzigen Stelle gelang, 
die deutsche Mobilisierung auch nur 
für Stunden zu stören oder aufzuhal 
ten. Wie jedem anderen Zweig der 
Mobilmachung, so galt in all den 
Friedensjahren die gleiche Sorgfalt 
unserer militärischen Behörden auch 
dem Schutz unserer Straßen und Bahn 
anlagen. Sie und den folgenden Auf 
marsch vor feindlichen Störungen zu 
bewahren, ist in Grenzgebieten Sache 
des Grenzschutzes. Er arbeitet um 
so schneller, je bedrohter das be 
treffende Gebiet erscheint. Alle damit Beauftragten — 
Reservisten, Landwehr- und Landsturmmänner — wissen 
genau, was sie zu tun haben. Wenige Stunden, nachdem 
der Mobilmachungsbefehl eingelangt ist, sind die Ein 
berufenen eingekleidet und bewaffnet und eilen an die 
ihnen zugewiesenen Posten, sei es Bewachung von Brücken, 
Bahnhöfen, Tunnel- und sonstigen Kunstbauten, seien es 
Aufklärungs- und Meldedienste, innerhalb und jenseits der 
Grenzen. 
Wer in den Tagen der Mobilmachung die Bahn benützen 
mußte, sah denn auch an jeder Weiche, an jedem Bahn 
übergang, Brückenkopf, kurz an jeder wichtigen Stelle die 
erforderlichen Bedeckungsmannschaften. 
Mit gleicher Genauigkeit wie die Beförderungsmittel 
wurden auch die Straßen beaufsichtigt, besonders die auf 
ihnen verkehrenden Automobile. Denn man sagte sich so 
fort, daß böswillige Feinde, denen die strenge Überwachung 
der Bahnhöfe bekannt war, es versuchen würden, dies 
modernste Fahrzeug ihren dunklen Plänen dienstbar zu 
machen. Was man da alles fing und unschädlich machte, 
wird man erst in späterer Zeit, nach dem Kriege, erfahren. 
Aber auch hier hatten wir jedenfalls vollen Erfolg, denn 
schon nach wenigen Tagen konnten die Behörden ver 
künden, daß sich kein fremdes Automobil mehr auf deutschem 
Boden befinde. 
Das feindliche Ausland hatte natürlich gleichfalls einen 
militärischen Überwachungsdienst seiner Bahnen eingerichtet. 
Aber wenn das nicht gegen Uebeltäter aus dem eigenen 
Lager geschah, gegen uns hätten sie es sich wenigstens im 
inneren Lande ersparen können. Denn es ist nicht deutsche 
Art, von Amts wegen Schurken auszusenden, die unter 
dem Schutz der Gastfreundschaft Bomben herstellen, um 
sie aus dem Hinterhalt auf Brücken und fahrende Züge zu 
schleudern. 
Unsere Gegner. 
(Hierzu die Bilder auf Seite 18 und 19.) 
Ehe es zum Schlagen kommt, ist es von allerhöchster 
Bedeutung, den Gegner, den es niederzuringen gilt, kennen 
zu lernen. Wir dürfen sicher sein, daß sowohl die deutsche 
Heeresleitung wie jene unserer Verbündeten jenseits der 
schwarzgelben Pfähle dabei von durchaus zutreffenden An 
schauungen und Erfahrungen geleitet sind. 
Wie groß ist die französische numerische Stärke? 
Die Armee der Franzosen gliedert sich in 20 Armee 
korps, welche 20 Regionen des Mutterlandes entsprechen 
und die gleiche Nummer wie diese tragen. Die Sollfriedens 
stärke dieser 20 Armeekorps betrug im Jahre 1913 im 
Mutterlands 31 611 Offiziere und 613 717 Mann; sie wurde 
nach neueren zuverlässigen Berechnungen mittlerweile auf 
rund 760 000 Mann erhöht. 
Zu der Sollfriedensstärke der Infanterie treten im 
Kriege Reservetruppen, und zwar zu den 173 aktiven Re 
gimentern ebensoviele Reserveregimenter. Die Kavallerie 
stellt bei den Husaren, Dragonern und Jägern noch vier 
Reserveeskadronen auf. Die Artillerie vermehrt ihre Ge 
schütze für jedes Korps auf 144. Außerdem werden noch 
Territorialtruppen aufgestellt und Ersatzformationen gebildet. 
Insgesamt dürfte sonach, ohne die letztgenannten Er 
gänzungstruppen zu berücksichtigen, die französische Feld 
armee auf 1100 Bataillone, nahezu 600 Eskadronen und 
820 Batterien, oder rund 1200 000 Mann Infanterie, 
50 000 Kavalleristen und 3300 Geschütze einzuschätzen sein. 
Ein Armeekorps würde also die numerische Stärke von 
etwa 60000 Mann darstellen. 
Die französische Infanterie ist mit dem Gewehr System 
Lebe! 1893 bewaffnet, dessen größte Schußweite 3400 Meter 
beträgt. Die französischen Maschinengewehre sollen im 
stande sein, 600 Schuß in der Minute abzugeben. Die 
Kavallerie führt mit Ausnahme der Kürassiere jetzt ebenfalls 
die gefürchtete Lanze, im übrigen den Säbel und Karabiner. 
Wir haben also im Westen einen numerisch sehr starken 
und anerkannt tapferen Gegner vor uns, was unsere Kriegs 
leitung naturgemäß veranlaßte, alle Energie walten zu 
lassen und alle Mittel moderner deutscher Kriegskunst an 
zuwenden, wie die Schlachten nördlich und südlich von 
Metz und bei Neufchateau am 21. August bewiesen haben, 
über die wir ausführlich noch berichten werden. Nichts wäre 
verhängnisvoller gewesen, als in den französischen Fehler zu 
verfallen, den Gegner zu unterschätzen. Der französische Elan 
ist fast sprichwörtlich geworden, aber wir haben jetzt wieder 
die Erfahrung gemacht, daß bei einem mißlungenen Vorstoß 
Französischer Wachtposten vor einem Signalappavak auf dem Bahnhof St. Lazare.
	        
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