Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

280 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Berg fällt vor uns geradeso steil ab wie die Rückseite, und 
ist mit Bäumen Und Buschwerk so dicht bedeckt, daß der 
Feind sich ungesehen bis auf drei Schritt heranarbeiten 
kann. Rechts und links herunter den Hang höre ich eigene 
Truppen in schwerem Feuer. Da ich nicht allzusehr be 
schossen werde und zudem gar nichts vom Feinde sehe, 
so eröffne ich auch kein Feuer, richte mich aber zu einem 
derben Empfang ein. Und wirklich, jetzt rückt der Gegner 
an, deutlich hört man seine Kommandos und hört die Aste 
knacken, kaum dreißig Schritte vor unserer Front. Denen 
pfeift aber ein eiserner Hagel entgegen, ein so rasendes 
Schützenfeuer, daß mir um meine Munition angst wird. 
Ein Pfiff mit der Schützenpfeife — und das Feuer stoppt 
auf der ganzen Linie. Großartig, die Feuerleitung klappt 
wie auf dem Übungsplatz. Die Truppe ist trotz der die 
Nerven aufs äußerste spannenden Lage völlig ruhig und in 
der Hand des Führers. 
Jetzt kommt mir der Gedanke, daß, so gut ich die Kom 
mandos des Feindes höre, er auch mich hört. Und so lasse 
ich, während ich in Wirklichkeit keinen Mann mehr zur 
Verfügung habe, ein „ganzes Bataillon" teils einschieben, 
teils links, teils rechts verlängern. Die Flügelzugführer 
merken sofort meine Absicht und schreien und komman 
dieren wie toll darauf los. Dann zur Bekräftigung wieder 
einen Hagel den Berg'hinunter, daß denen hinter Baum 
und Busch Hören und Sehen vergeht. Und wirklich, jede 
Lust zum Angriff scheint ihnen vergangen zu sein. Nirgends 
hört man mehr ihren Ruf „au avant!“ Nur etwas kräftiger 
feuern sie den Hang hinauf. 
Ich stehe einen Augenblick auf, um an den rückwärtigen 
Hang zu gehen, ob nicht endlich Verstärkung kommt, denn 
die Gefahr des Überranntwerdens von einem entschlossenen 
Gegner ist noch groß. Und zu meiner großen Freude sehe 
ich es unten am Hange wimmeln wie Ameisen. Wie ich 
zurücktrete, kracht keine sechs Schritte vor der Front aus 
einem Busch ein Schuß mir am Ohr vorbei. Hat sich doch 
so ein Feind angeschlichen! Er blieb danach aber nicht lange 
mehr am Leben. 
Als nun die Verstärkung eingetroffen ist, will ich mit 
meinen Mannen auch zum Sturme vorgehen, denn ich 
höre rechts und links von mir, daß unsere Truppen stürmen. 
„Zwölfte Kompanie — marsch!" Wir sollten nicht weit 
kommen. Kaum haben wir einen kleinen Rand am Hange 
vor uns erreicht, so prasselt ein derartiges Maschinengewehr 
feuer auf uns, daß wir sofort in Stellung gehen müssen. 
Von einer Feueraufnahme kann gar keine Rede sein. Ich 
weiß nicht, sind die Maschinengewehre vor uns oder 
seitlich, nah oder ferner,' ich höre nur einen fürchterlichen 
Eeschoßeinschlag und ein leises Stöhnen durch die Schützen 
linie, während mich selbst ein Geschoß nach dem anderen 
lrifft. ..Volle Deckung", und da verkriecht sich jeder hinter 
Baum und Busch, hinter einem Felsblock oder in eine 
Bodenfalte. Da pfeift^ wieder heran, und wieder gilt es 
mir und diesmal von oben in die linke Brustseite. Ich 
bleibe bei voller Besinnung und fühle, wie mich mein Feld 
webel von hinten faßt, hinter einen Felsblock zieht und 
dort verbindet. 
Schmerzen fühle ich wenig, nur der Atem geht sehr 
rasch und stoßweise, da ja jetzt der rechte Lungenflügel allein 
den Luftbedarf decken und deshalb mit doppelter Touren 
zahl arbeiten muß. 
Inzwischen geht der Kampf mit begeisterter Heftigkeit 
weiter. Stundenlang liege ich, während von Zeit zu Zeit 
inein wackerer Feldwebel erscheint und meldet, daß Ver 
stärkung über Verstärkung eintreffe und daß es vorangehe. 
Ich höre noch, wie die Unsrigen auf der ganzen Linie 
erfolgreich mit dem Bajonett vorgehen, als die Kranken 
träger erscheinen, die der Feldwebel hergeschickt hat. 
Nun konnte ich ruhig abtreten, meine Arbeit war getan 
rind der Rest vorerst zu nichts mehr zu gebrauchen. 
Die Schlacht bei Kirlibaba. 
Beim Stellen und Vertreiben der russischen Kräfte, die 
den Flüssen Visso und Jsa entlang eingebrochen waren, ist, 
wie Nikolaus Farago, der Kriegsberichterstatter des „Az Est" 
berichtet, unserer von der südöstlichen Grenze der Bukowina 
gegen Jacobenyn und Kirlibaba aufmarschierenden Truppe 
eine wichtige Rolle zugefallen. Dieser Aufmarsch erzielte 
zwei sehr bedeutende Erfolge. Kirlibaba liegt an der Grenze 
östlich von Rumuly, schon auf bukowinaer Gebiet. Wie 
sich herausgestellt hat, wollte auch in dieser Gegend eine 
russische Kolonne ungarischen Boden betreten. 
Der eine Erfolg des erwähnten Aufmarsches war, daß 
bei Kirlibaba die zum Einbruch bereite feindliche Abteilung 
gestellt und von unseren Soldaten gänzlich geschlagen 
wurde. In der nur kurze Zeit währenden Schlacht wurden 
unsere Truppen von Eendarmerieoberst F. befehligt, einen: 
hervorragenden Offizier, der schon als Oberstleutnant von 
der Armeeleitung mit einem Regimentskommando betraut 
worden war. Oberst F. ließ auf einem für unsere Stellung 
sehr günstigen Bergabhang unsere Geschütze in guter 
Deckung so aufstellen, daß sie für den Feind völlig un 
sichtbar waren. Der steile Abhang setzt sich dort in einer 
engen Schlucht fort. 
Gegenüber, auf einer Anhöhe, ungefähr hundert Schritt 
von unseren Geschützen entfernt, ließ der Kommandant alte 
verdorbene Mörser unterbringen, hinter denen unsere 
Infanterie in einer von der Natur äußerst begünstigten 
Deckung lag. Vom Gegner aus gesehen, standen somit 
zuerst die alten schlechten Mörser, hinter ihnen befand sich 
die Infanterie, und weiter davon standen die Geschütze. 
Der Feind, der während seines Vormarsches nur kleinen, 
Vorpostendienst versehenden Abteilungen begegnete, drang 
ohne Widerstand in der Richtung gegen unsere Batterie 
vor, da unsere Vorposten den Befehl erhalten hatten, nach 
ein bis zwei Schüssen in scheinbarer Flucht den Rückzug 
anzutreten. Als der Feind, der geglaubt hatte, schon am 
nächsten Tage in Siebenbürgenzu sein, die bezeichnete Linie 
erreichte, begannen die Mörser zu feuern. Die Russen 
haben diese wertlosen Waffen sofort bombardiert. Nach 
einer etwa zwanzig Minuten dauernden Beschießung stellten 
die Mörser, ebenfalls auf vorher erteilten Befehl, das 
Feuern ein, was bei den Russen die Meinung erweckte, daß 
sie unsere Batterie vernichtet hätten. 
Mit Siegesjubel stürmten sie nun unsere Mörser, doch 
in dem Augenblick, als sie zu ihrer Verblüffung erkannten, 
daß sie nur wertloses Spielzeug erbeuteten, erdröhnten auch 
schon von der nachbarlichen Anhöhe unsere bereits ein 
gestellten wirtlichen Geschütze, und gleichzeitig mit diesen 
eröffnete unsere Infanterie das Feuer. Das Ganze währte 
nur einige Minuten. Der größte Teil der Russen lag tot 
oder verwundet auf dem Schlachtfelde, die anderen retteten 
sich in wilder, panikartiger Flucht. 
So gelang es denn an diesem Orte, den erneuten Ein 
bruch der Russen zu vereiteln, und nach Besetzung durch 
hinreichend starte Schutztruppen wird ein Einbruch auch 
für die Folge unmöglich sein. Dies der erste Erfolg unseres 
Einschreitens, das damit aber noch nicht seinen Abschluß 
fand. Nach dem Niederwerfen der Russen zog unsere Truppe 
gegen Westen, so lange gegen das Vifsotal vorrückend, bis 
sie auf dem linken Flügel mit dem aus dem Rumuly 
tal nordwärts vordringenden Truppenkörper, der die in 
Beszterce-Naszod eingebrochenen Russen mit eiserner Aus 
dauer vor sich her gejagt hatte, Fühlung nehmen konnte. 
Die Vereinigung beider Truppen hat dem Eindringen 
der Russen nach Siebenbürgen völlig Einhalt getan. Der 
Feind mußte schleunigst die Flucht ergreifen, um sich noch 
rechtzeitig zu der bei Körösmezö im Rückzug befindlichen 
Hauptmacht schlagen zu können. Da die Flucht der Russen 
in Unordnung und panikartig erfolgte, konnten sie ihre 
zur Vorbereitung des Durchbruchs vorgeschobenen kleineren 
Truppenabteilungen nicht rechtzeitig sammeln, so daß diese 
teils gefangengenommen wurden, teils in der Wildnis des 
Gebirges zugrunde gegangen sein werden. 
Die Schlacht von Dieuze. 
(Hierzu die Bilder Seite 272 und 273.) 
Saarbrücken, den 24. August. 
Der Hauptschlag, durch den die acht französischen Armee 
korps zwischen Metz und den Vogesen zurückgeworfen 
wurden, so daß sie dank einer rücksichtslosen Verfolgung sich 
auflösten und auf ihre Hauptstützpunkte zurückfluten mutzten, 
erfolgte am Donnerstag, den 20. August. Wir hatten, so 
berichtet unser Gewährsmann, in der Nacht vom 19. auf 
den 20. August in Schützengräben gelegen, jeden Augenblick 
eines französischen Angriffs gewärtig. Obwohl von Zeit 
zu Zeit Schüsse gewechselt wurden, gingen die Franzosen 
nicht vor. Da kam gegen fünfeinhalb Uhr auf unserer Seite
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.