Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Phot. Schlesicky-Ströhlein, Frankfurt a. M. 
Herzog Albrecht bon Württemberg und General v. Schenck während eines Gefechtes. 
ten, war am blaugrauen Morgenhimmel eine feuer 
rote Wolke zu sehen. „Das ist das Tor nach Walhall!" 
sagte einer. — An der Straße Halanzy—Musson hielten 
wir vorläufig als Deckung der Maschinengewehrkompanie. 
Dicht vor uns lag Musson, fast versteckt in kornbestandenen 
Hügeln. Unser Regiment rückte über die links sich an 
schmiegende Höhe vor. Sehnsüchtig lauschten wir dem 
ununterbrochenen scharfen Knattern des Eewehrfeuers 
vor uns. Von dort kam plötzlich ein Radfahrer mit 
Meldung: „In Musson Franktireurs, das Dorf ist zu 
säubern." 
Leutnant der Reserve Tost (gefallen bei Somaisne) mit 
einigen Gruppen stürmt hinein. Aus allen Häusern knattern 
Schüsse auf die kleine Schar. Sie bitten um Verstärkung. 
Leutnant der Reserve Bolz (gefallen bei Longuyon) und 
Leutnant Boleg (gefallen bei Pretz) eilen mit einem Zuge 
zu Hilfe. 
Wir Zurückbleibenden können es nicht fassen. Bisher 
waren die Belgier stets freundlich gewesen. Der Gedanke, 
auf Zivilbevölkerung schießen zu müssen, widerstrebte uns 
allen. Da brachten zwei Musketiere auch schon einen alten 
Bauern mit weißem Haar. Er hatte mit seiner Frau auf 
unsere Offiziere aus der Tür herausgeschossen. Man hatte 
seinen Bau gestürmt, wobei sein Weib einen Kopfschuß er 
hielt. Ihn selbst zog man aus seinem Versteck hinter dem 
Ladentisch. Wir sollten ihn richten. Sein Heim brannte 
lichterloh. Bedauernswerter, verhetzter Alter! Mit der 
Waffe hatte er sein Leben verteidigen wollen, und hatte es 
doch gar nicht nötig gehabt. Run wurde die vorgefundene 
Waffe die Ursache seines Todes. 
Der Rest unserer Kompanie rückte links hinauf auf die 
Höhe. Unser tapferer Hauptmann Freiherr von Hügel 
(verwundet bei Pretz) weit voraus. Zu unseren Füßen 
lag die Kirche mit Kirchhof. Eine herrliche Aussicht über 
die Acker und Felder bis zum Kirchturm von Baranzy im 
Hintergrund tat sich uns auf, trotz 
des trüben Wetters. 
Vereinzelte Schüsse umpfiffen uns. 
Surrend gingen Querschläger über 
uns weg. Aus Musson hörte man 
Revolver- und Gewehrschüsse. Jedes 
Haus, aus dem geschossen wurde, 
ging in Flammen auf. Seine Be 
wohner wurden niedergeschossen. An 
der Friedhofecke saß als erster Ver 
wundeter des Regiments Hauptmann 
Mayer und ließ sich seinen Fußschuß 
verbinden, den er durch Franktireurs 
auf dem Friedhof erhalten hatte. Leut 
nant Berger (verwundet bei Som 
aisne) sollte mit seinem Zug den dicht 
mit Bäumen bestandenen Kirchhof 
säubern, was nach einer kleinen 
Schießerei mit einem halbwüchsigen 
Burschen bald geschehen war. 
Doch kaum war der Zug weiter 
vorgegangen in der Richtung auf den 
dunkeln Wald, als eine Seitenpatrouille 
aus dem Kirchturm prasselndes Feuer 
erhielt. Unsere Schützenlinie wurde 
von rückwärts beschossen und konnte 
gerade noch in Stellung gehen. Die 
Fenster des Turmes waren in weiße 
Wölkchen gehüllt. Es sollen neben 
Zivilisten und französischen Infan 
teristen auch Maschinengewehre in luf 
tiger Höhe aufgestellt gewesen sein, 
die unserem Zuge in der kurzen Zeit 
einer Viertelstunde zehn Prozent Ver 
luste beibrachten. 
Hinter uns war Baranzy eben 
falls in Flammen aufgegangen, wo 
die anderen Kompanien schon im Ge 
fecht standen. Sie waren wie schwarze 
Punkte anzusehen, und ihre Unter 
stützungen wie Ameisenhaufen. 
Inzwischen hatte Hauptmann Frei 
herr von Hügel die Reste unserer 
Kompanie auf der im Vordergrund lie 
genden Höhe eingesetzt. Unsere Ma 
schinengewehre erwiderten das feindliche Feuer. Unsere 
Artillerie fuhr daneben auf. Zischend fuhren ihre Ge 
schosse durch den krachenden Kirchturm. Doch kaum hatten 
sich die Sprengwolken verzogen, als wieder und immer 
wieder ein rasendes, verzweifeltes Schnellfeuer aus den 
Fenstern knatterte. Allmählich wurde es dann aber doch 
still im durchlöcherten Kirchturm. 
Und weiter ging es vor nach Baranzy. Wir schoben 
ein in die vorderste Schützenlinie. Die Truppenverbände 
vermischten sich. Bald erhielt man feindliches Feuer von 
den Wäldern jenseits der Straße, bald aus der Richtung 
von Mussy-la-Ville. Mit „Sprung — auf, marsch-marsch" 
ging es immer vorwärts, bis es Abend wurde. Wir hatten 
Signeulr erreicht und andere Truppenteile Mussy-la-Ville! 
Wir hatten 11 Kilometer Boden gewonnen und mutig 
den Gegner geworfen. Furchtlos und treu, wie unsere 
Väter bei Villiers und Ehampigny. 
Hajanzy 
1 ■ .—I 
5 4-3X10 5 10 Km. 
Zum Artikel Musson, Baranzy, Stgneulx.
	        
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