Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Abfeuern einer Breitseite von einem englischen Flaggschiff. 
Phot. Gebr. Haeckel, Berlin. 
setzt. Der Rest der Kompanie lag 300 Meter rückwärts im 
Dorf gedeckt. Zunächst wurde auf meine Stellung mit 
Granaten geschossen, so daß ich mich hinter einen Wald 
abhang weiter rechts der Straße zurückziehen mußte. Die 
Straße wurde verbarrikadiert, dabei wurde von In 
fanterie geschossen. Ungefähr 20 Mann lagen dann hinter 
der Barrikade zum Schutz des ruhigen Zuges, der an einer 
Sägemühle aufgestellt war. Auf einmal höre ich hinter mir 
von dem Wald herab Wagenfahren und Reiten. Ich beob 
achte mit einigen Mann, und siehe da: feindliche Artillerie 
fährt an. Es war neun Uhr abends, dunkel, und ich war 
tete, um ücher zu sein und ja nicht auf eigene Kolonnen 
zu schießen, bis die Artillerie auf ungefähr 20 Schritt vor 
mir fuhr. Sodann hatte ich meinen Zug in Stellung und 
kommandierte Feuer. Der Erfolg war Erbeutung von 
6 Kanonen, 13 Munitionswagen und 34 lebenden Pferden. 
Der Batteriechef war gefallen und die Bedienungsmann 
schaft, soweit sie nicht ebenfalls gefallen war. geflüchtet. 
Nach einer Stunde kam die Kompanie und das Bataillon. 
Alles war erstaunt und gratulierte. Meine Lage war sehr- 
kritisch. Wehe, wenn die Artillerie eher von mir be 
schossen worden wäre, sie hätte kehrt gemacht und uns in 
Grund geschossen mit einem Geschütz. Die ganze Beute 
mußte ich in der Nacht noch nach St. D.. bringen. Es 
waren die Geschütze, die uns schon seit drei Tagen das Tal 
sperrten. In Eile, bin auf erponiertem Posten." — Der 
Held erntete von seinem Brigadier und dem Divisionär 
großes Lob und wurde für seine Tat mit dem Eisernen 
Kreuz 1. und 2. Klasse ausgezeichnet; ersteres wurde ihm 
persönlich vom General v. Stein, damals noch General- 
guartiermeister, an die Brust geheftet. 
Kriegseindrücke in Ostsrankreich. 
Von Dr. m66. Paul Bernoulli, Oberarzt der Landwehr, 
zurzeit inr Felde. 
Im folgenden möchte ich einige persönliche Beobach 
tungen über die Franzosen nächst dem deutschen Grenz 
gebiet mitteilen. 
Beim Überschreiten der französischen Grenze fiel uns 
das Fehlen jedes Erenzpfahles oder Zollhauses auf; ich 
gehe vielleicht nicht ganz fehl in der Annahme, daß die 
Franzosen diese sichtbaren Zeichen der Völkerscheidung bei 
ihrem Einfall in deutsches Gebiet absichtlich entfernt haben, 
weil sie von dem Wunsche ausgingen, den Rhein als 
neue Grenze festzusetzen. Doch möchte ich selbst an 
dieser Bescheidenheit einer beabsichtigten Gebietserweite 
rung Frankreichs zweifeln; denn mir ist von Franzosen 
glaubwürdig versichert worden, sie hätten bestimmt erwartet, 
einige Tage nach Kriegsbeginn in Straßburg und 14 Tage 
nach Eröffnung der Feindseligkeiten in Berlin einziehen zu 
können. Ein einwandfreier Beweis hierfür scheint mir 
die Erscheinung zu sein, daß von uns in den Tornistern ver 
wundeter Alpenjäger Paradeuniformen gefunden wurden 
und daß diese armen, verblendeten Leute mit dem Trost 
in den Kampf geschickt wurden, binnen kurzer Zeit in Berlin 
als Sieger prunken zu können. Offiziere hatten auch Ertra- 
garnituren, Ertrasäbel und dergleichen bei sich. Alles in 
allem: man kann dieselbe Täuschung der französischen Volks 
seele feststellen wie im Jahre 1870. Der Bevölkerung wurde 
vier Tage nach der Mobilmachung weisgemacht, die Russen 
seien bereits in Berlin eingerückt! Dienstmädchen gebildeter 
Herrschaften in einer französischen Stadt zeigten mir einen 
Schein, den sie acht Tage vor der Mobilmachung hatlen 
unterschreiben müssen (es handelt sich um deutsch-elsässische 
Mädchen, die französische Offiziersfamilien um guten Lohn 
anlocken, um auf bequeme Art Deutsch lernen zu können) 
und der folgenden Inhalt hatte: Sie hätten sich als 
französische Bürger zu betrachten, dürften nichts unter 
nehmen, was im Fall eines Krieges gegen die Sicherheit 
des französischen Staates verstoßen würde, und dürften 
kein einziges Wort Deutsch mehr sprechen! 
Was die schon mehrfach erörterte Tatsache betrifft, ob 
die französische Regierung den Krieg von längerer Hand vor 
bereitet hat oder nicht, so glaube ich einen ganz wertvollen 
Beitrag zu dieser Frage liefern zu können. Zunächst kann 
ich berichten, daß mir von einem höheren deutschen Be 
amten im deutschen Vogesenteil, Reserveoffizier, in seinem 
Beruf unabkömmlich, an dessen Worten ich nicht den 
geringsten Zweifel hegen kann, Ende August folgendes 
erzählt wurde: In der zweiten Hälfte des Juli habe er 
auf im allgemeinen wenig begangenen Pfaden der 
deutschen Hochvogesen französische Artilleristen beobachtet. 
Diese Beobachtung ist von dem betreffenden Herrn an 
die maßgebende Stelle weitergegeben worden. Als die 
^ache untersucht wurde, war von den Herren Franzosen
	        
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