Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Q9Q Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
den General der Infanterie v. Beseler beauftragt, der, 
zuletzt Chef des Ingenieur- und Pionierkorps und General- 
inspekteur der Festungen, seit 1911 zur Disposition ge 
stellt war. 
Zur Verstärkung der Besatzung waren neben Franzosen 
auch Engländer hinzugezogen. Uber deren Ankunft be 
richtete ein Augenzeuge: „Gegen 8 Uhr befand ich mich 
auf dem Zuckersteg, der großen Fläche bei der Schelde, 
unb wohnte der Ankunft von Truppen bei, die ganz 
regelrecht vor sich ging. Wieder kamen einige Kraftwagen 
mit Engländern, und abermals machten die guten Ant- 
werpener ihrem bedrängten Gemüt Luft mit dem Rufe: 
Hoch die Engländer! und Albions Söhne sprachen den 
Zuschauern Mut zu. So und soviel Mann von ihrem 
Heere — es mag ja wahr sein, und ich verrate lieber keine 
Kriegsgeheimnisse — seien unterwegs, all with big guns, 
sagten sie, und einige Bootsarbeiter, die sie verstanden, 
verdolmetschten die frohe Botschaft an die Menge: Alle 
mit großen Kanonen! und dann brachen die Leute aber 
mals in Hochrufe auf die Engländer aus. Allein gegen 
8 Uhr begann der Kanonendonner wieder, und man konnte 
selbst von den Staden der Schelde den Widerschein der 
Feuerglut wahrnehmen. So nahe war die Artillerie der 
Deutschen noch nicht gewesen." 
Am 26. September wurde gegenüber der Südfront von 
Antwerpen von den Bautrupps unserer schweren Artillerie 
mit den Erdarbeiten begonnen, die der Aufstellung schwerer 
Stücke vorangehen müssen. Am 27. trafen dann die Eisen 
bahnzüge mit dem Baugerät ein; gegen sie ließen die 
Verteidiger nachts vier schwerbeladen daherrasende Züge ohne 
Führung los, um sie zu vernichten, nachdem ein Flieger 
tags zuvor unsere Auslademaßnahmen entdeckt hatte. Unsere 
Eisenbahnkompanie aber brachte die Ungetüme, bevor sie 
schaden konnten, einfach zur Entgleisung. Am 28. Sep 
tember waren die 42er schußbereit, obwohl uns die Achtung 
der holländischen Neutralität verhindert;, die gerade Eisen 
bahnlinie Köln—Aachen—Maastricht—Antwerpen zu be 
nutzen, und uns nötigte, alle Züge über Lüttich zu leiten. 
Immerhin gestattete uns der Besitz von Lüttich und Namur, 
das schwere Belagerungsgerät über zwei Linien: Lüttich— 
Löwen—Me che ln und Namur—Brüssel heranzuführen. Da 
für eine neuzeitliche Belagerung vor allem das Eisenbahn 
netz maßgebend ist, so lag nichts im Wege, Antwerpen aus 
der Richtung Brüssel—Mecheln anzugreifen. 
Auf diesem Wege trat uns zunächst das Fort Waelhem 
(spr. Walhem) nördlich Mecheln entgegen. Wenn sich dieses 
auch heldenmütig verteidigte, wie man überhaupt die Zähigkeit 
der Belgier, denen angeblich 30 000 bis -40 000 Engländer 
zur Seite standen, nur anerkennen kann, so waren doch schon 
am 4. Oktober so viele Forts des äußeren Gürtels in einer 
Breite von 13 Kilometer gefallen, daß das Feuer auf die ver 
altete südöstliche innere Fortlinie, besonders Fort IV und V, 
eröffnet werden konnte. Damit stand unser grobes Geschütz 
nur 18 Kilometer von den wichtigsten Punkten der Stadt ent 
fernt. Am 7. Oktober fiel das Fort Broechen auf der Ost 
front, und um den Besitz der von diesem Werk auf das 
obengenannte Fort Waelhem fließenden Reihe mit ihren 
sumpfigen Ufern wurde schon die Nacht hindurch bei Mond 
schein erbittert gekämpft, wobei dem Feinde, Belgiern und 
Engländern, 4 schwere Batterien, 52 Feldgeschütze und 
viele Maschinengewehre im offenen Feld abgenommen 
wurden. Auch erschien in diesen Kampfnächten gewöhn 
lich ein Zeppelin über der hartbedrängten Stadt und ver 
mehrte durch seine Bombenwürfe noch die Angst der Be 
völkerung. 
Da die Engländer dem König der Belgier nicht erlaubt 
hatten, die Festung zu übergeben, mußte zur Beschießung 
geschritten werden. Nachdem die wackeren deutschen 
Pioniere die kalten Fluten der ungefähr in der Linie der 
äußeren Südostforts fließenden Nethe durchschwommen und 
die vom Feind immer wieder zerstörten Brücken endgültig 
geschlagen hatten, so dem General v. Beseler, dem allver 
ehrten langjährigen Chef 
ihrer Waffe, den glän 
zenden Beweis ihrer 
Dankbarkeit für den hohen 
Stand ihrer Ausbildung 
zollend, ging das grobe 
Geschütz auf das nördliche 
Ufer über und beschoß mit 
den inneren Forts gleich 
zeitig die Stadt selbst. 
Man hatte sich schon 
darauf gefaßt gemacht, 
daß uns Antwerpen nur 
als rauchender Trüm 
merhaufen in die Hände 
kommen würde, nachdem 
der letzte Verteidiger ge 
fallen wäre. Statt dessen 
vernahmen wir, daß sich 
die Stadt ziemlich un 
versehrt seit dem Nach 
mittag des 9. Oktober be 
reits in deutschem Besitz 
befinde, König und Köni 
gin im Auto verschwun 
den seien und der Kom 
mandant sowie die Be 
satzung den Festungs 
bereich verlassen hätten. 
Unsere berechtigte Sie 
gesfreude wurde dadurch noch gesteigert, daß, wie bereits 
erwähnt, auch englische Truppen in Antwerpen tätig 
waren und den Belgiern die Leitung der Verteidigung 
entwanden. 
Eine Armee von mehr als 200 000 Mann mit zahlreichen: 
-schweren Geschütz wurde durch den Fall von Antwerpen, 
das jetzt ein deutscher Hafen in drohender Nähe Londons 
geworden ist, zur Verwendung gegen den linken Flügel 
der englisch-französischen Heeresstellung im Nordwesten frei. 
Die Schlacht bei Sadweitschen. 
«Hierzu die Bilder Seite 2051207.) 
Am 20. August, einem schwülen und dunstgeschwängerten 
Sommertage, waren die Russen von Osten längs des 
Pijfaflüßchens und südlich von Angerburg her bis gegen 
die Eisenbahn- und Poststation Sadweitschen gekommen. 
Der Ort liegt an der von Szirgupönen nach Gumbinnen 
führenden Landstraße, und in Gumbinnen sah man dem 
Verlauf des Tages mit Bangen entgegen. Von Stallu- 
pönen aus hatte sich die Nachricht rasch verbreitet, daß auch 
die russische Garde an der Schlacht teilnehme. Eardehusaren 
hatten im Städtchen Schirwindt ihre Visitenkarte ab 
gegeben. Nach russischer Eefechtsart begannen die Ge 
schütze ihre eherne Sprache. Ihre Wirkung blieb hinter 
den Erwartungen zurück. Ein Teilnehmer erklärte, daß die 
russischen Kanonenschüsse dumpf und matt, die deutschen, 
aber hell und scharf ertönten. 
Einrückendes bosnisches Regiment auf dem Weg zum Bahnhof.
	        
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