Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
die ersten Abteilungen deutscher Reiter durch die Löwener 
Straße, wo ehemals das Tor stand, in die Stadt geritten. 
Der Bürgermeister war ihnen entgegengegangen. Es war 
ein peinlicher Augenblick, als bei ihrem Eintreffen eine 
weiße Fahne hochgehalten wurde zum Zeichen, daß Schutz 
für die Stadt verlangt werde. Nachdem die Truppen an 
gelangt waren, ritt der befehlshabende Offizier vor und 
sprach einige Zeit in freundlicher Weise mit dem Bürger 
meister, dem er die volle Zusicherung gab, daß der Stadt 
kein Leid geschehen würde, wenn die Einwohner sich ruhig 
verhielten und nicht zu Feindseligkeiten übergingen. Einen 
dahingehenden Ausruf hat der Bürgermeister in den Morgen 
stunden anschlagen lassen. Das Volk konnte es nicht fassen, 
daß in so wenigen Stunden die Deutschen in der Stadt 
sein sollten, und war sehr niedergeschlagen. Die künstlich 
erhaltene Festigkeit war durch die Meldungen der letzten 
Tage erschöpft. Seit Mittwoch abend waren die Ver 
bindungen der Hauptstadt mit der Provinz bis auf einige 
Stunden unterbrochen. Auf den großen Bahnhöfen drängten 
sich Tausende, die vor der Ankunft der Deutschen die Stadt 
verlassen wollten, während andere vom Lande eintrafen, 
um in Brüssel Zuflucht zu finden, denn in den Dörfern 
herrschte große Furcht. Nur die Bewegungen der Flücht 
linge und der militärischen Krafiwagen zeugten noch von 
daten mit geladenem Gewehr als Schildwachen aufgestellt. 
Die Kasernen, Bahnhöfe, Post- und Telegraphenbrro , 
Theater, Schulen, das Palais am Großen Marktplatz und 
andere öffentliche Gebäude, wie auch die Hotels sind mit 
Soldaten überfüllt, Einquartierung ist dagegen zunächst 
nur in die Bürgerhäuser der Vororte gelegt worden. Die 
Zeitungen erscheinen nicht mehr, nur das frühere Regie 
rungsorgan, ,Le Journal de Brurelles', bringt auf Be 
fehl des deutschen Militärgouverneurs wenige offizielle 
Mitteilungen in deutscher und französischer Sprache. 
Andere Zeitungen in die Stadt zu bringen, ist streng ver 
boten. 
Die Lebensmittel in der Stadt beginnen merklich 
knapper zu werden. Butter, Milch, Eier und Mehl werden 
sehr teuer. Die Stadt könnte wesentlich besser versorgt 
sein, wenn nicht die Bauern Angst hätten, zur Stadt zu 
kommen, da ihre Transporte gewöhnlich schon unterwegs 
von den deutschen Soldaten requiriert würden. Die 
Bäckereien müssen Tag und Nacht Brot backen. An die 
bürgerliche Kundschaft können die Bäckereien nur in be 
schränktem Umfange liefern, nur alte Kunden bekommen 
ein Brot im Tag. Von der sozialistischen Bäckerei ,La Maison 
du Peuple' wurden von der deutschen Kommandantur 
80 000 Brote verlangt, die in zwei Tagen gebacken wurden. 
Besprechung zu führen. Nachmittags langten deutsche 
Offiziere im Automobil an und fuhren zum Rathaus. 
Die Telegraphenstationen sind geschlossen. Zahlreiche 
Flüchtlinge sind in Gent und Ostende eingetroffen. 
Auch die „Times" sahen sich veranlaßt, die nicht anzu 
zweifelnde Besetzung Brüssels durch die Deutschen in 
folgenden Zeilen zu schildern: „Aufklärer ritten voran, 
dann folgten Kavallerie, Infanterie, Artillerie und Genie- 
truppen mit Train. Auf hundert Automobilen waren 
Maschinengewehre aufgestellt. Trommeln wirbelten, Trom 
peten schmetterten. Die Soldaten sangen fortwährend die 
Macht am Rhein' und Deutschland, Deutschland über 
alles". Die Infanterie marschierte in strammem Schritt. 
Die Regimenter machten, ungeachtet der Strapazen des 
nächtlichen Marsches, einen vorzüglichen Eindruck. Die 
Offiziere setzten sich später in die Kaffeehäuser, aßen, 
tranken und rauchten. Sie waren sehr zuversichtlich und 
sprachen von ihrem baldigen Einmarsch in Frankreich." 
Das holländische Büro „Dias" meldete zu dem Einzug 
der Deutschen in Brüssel: „Am Donnerstag elf Uhr kamen 
Leben. Das Vieh war längst weggetrieben. Kurzum: nach 
der Einnahme von Löwen war alles auf den Einzug der 
Deutschen in Brüssel vorbereitet, wo am Mittwoch abend 
die Bewohner ihre Waffen auf den Rathäusern ablieferten. 
Von Löwen wurde das belgische Hauptquartier zunächst 
nach Mecheln, dann nach Antwerpen verlegt, wo sich die 
Offiziere in der langen engen Kipdorfstraße einfinden. 
Auf der Schelde liegen zwei Schnelldampfer der Fahrtlinie 
Ostende—Dover unter Dampf. Wenn die Deutschen in 
die Scheldestadt einziehen, soll die königliche Familie diese 
Schiffe zur Überfahrt nach England benutzen. Die Statt 
ist von der ganzen Welt abgeschnitten." 
Wie es nach der Besetzung der belgischen Hauptstadt 
durch die Deutschen dort aussah, schildert der Bericht eines 
Brüsseler Einwohners, Victor Boin, der, mit einem Poß 
der deutschen Militärkommandantur in Brüssel versehen, 
die Stadt mit dem Rade hat verlassen dürfen und sich bis 
Antwerpen durchgeschlagen hat. Der Bericht lautet in 
wörtlicher Übersetzung: „Die Stadt befindet sich im Be 
lagerungszustand. An allen Ecken der Straßen sind Sol-
	        
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