Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
beiden genannten Maasfestungen wurden vor 20 Jahren 
nach den Plänen des berühmten Festungsbauers General 
Brialmont erbaut zu dem ausgesprochenen Zweck, die 
belgische Neutralität zu schützen, die man damals schon 
durch Deutschland oder Frankreich für bedroht hielt, weil 
die deutsch-französische Grenze nach 1871 beiderseits so 
stark geschützt worden war, daß man von der einen oder 
anderen Seite ihre Umgehung auf dem Wege über Belgien 
gewärtigen zu sollen glaubte. Zusammen mit Antwerpen 
bildeten sie die ganze Hoffnung des belgischen Volkes, das 
dem persönlichen Kriegsdienst abhold war und lieber viel 
Geld für teuere Festungen ausgab, als eine kriegsfertige 
Feldarmee aufstellie. Es war daher schwer zu sagen, ob 
Wut oder Verzweiflung vorherrschten, als nach dem Karten 
haus der belgisch-englisch-französtschen Verschwörung zum 
Einbruch in Deutschland nun auch noch eine Maasfestung nach 
der anderen wie ein Kartenhaus zusammengeblasen wurde. 
Und wie ging das zu? In aller Stille hatte das Haus 
Krupp die 42-oin-Haubitzen hergestellt, deren Geschosse also 
den doppelten Durchmesser der 21-eiu-Eranate haben. 
Während jene schon zentnerschwer waren, wiegt in diesen 
allein die Sprengfüllung ohne das Stahlgehäuse soviel, 
und die Geschosse haben annähernd die Höhe eines kleinen 
Mannes. Auch die Treffsicherheit rmd die Schußweite eines 
Geschützes wächst außerordentlich durch Verdopplung des 
Kalibers. Man kann sie also weit über eine deutsche Meile 
vom Ziel aufstellen und doch vorzügliche Wirkung haben. 
Man ermittelt zunächst mit einem leichteren Geschütz 
die Entfernung, wobei ein Fesselballon den Beobachter trügt, 
prüft sie mit einigen Schüssen, und das Zerstörungswerk 
beginnt. Solch schwere Geschütze haben die Schattenseite, 
daß sie nicht viele Schüsse aushalten; dann sind sie ver 
braucht und müssen zum alten Eisen wandern, obwohl ihre 
Herstellung sehr viel Geld gekostet hatte. Auch mit den 
Geschossen und dem Pulver muß inan sparen, da jeder 
Schuß aus ihnen ein kleines Vermögen bedeutet. An Zeit 
rechnet man 10 Minuten für den Schuß beim Geschütz. 
Daher das „Einschießen", wie man bei der Artillerie das 
Erinitteln der Entfernung nennt, niit kleineren Stücken. 
Ein alter Vers sagt zwar: „Eine jede Kugel trifft ja 
nicht." Aber in der Herstellung genau schießender Stücke 
ist das Kruppmerk Meister. 
Es handelt sich darum, iu den Forts die Panzertürme 
selbst oder ihre unmittelbare Umgebung zu treffen. Die 
Panzertürme drehen sich, elektrisch und mit hydraulischer 
Kraft bewegt, rechts und links mitsamt dem in ihnen stehen 
den Geschütz, wenn dieses mehr Richtung nach der Seite 
nehmen soll. Die Höhenrichtung nimmt das Geschütz ohne 
Inanspruchnahme des Turmes. In jedem der größeren 
Werke von Lüttich und Namur waren, außer anderen, zwei 
so gepanzerte 21-om-Eeschütze. Wir sehen im Bild (Seite 184) 
die flache Kuppel aus Gußstahl auf der walzenförmigen Turm 
wand und das Stahlgehäuse, in dem der Turm sich 
dreht. Das Stahlgehäuse ist in einen mächtigen Betonklotz 
eingelassen. Schon früher rechnete man damit, daß der 
Turm unbrauchbar würde, wenn die 21-om-Eranate un 
glücklicherweise gerade den empfindlichen Rand träfe. Bei 
der 42-ow-Granate ist dies nicht mehr nötig. Wir sehen, 
daß eine solche in den Betonklotz eingedrungen ist, die Hohl 
räume, in denen die Besatzung lebt, freigelegt, die Stahl 
schale zerbrochen und den Turm schief gestellk hat. Die 
Bemannung darf man als durch den Gasdruck getötet an 
nehmen. 
Roch schrecklicher hat die Granate auf Bild Seite 183 
gehaust. Wir sehen da den Kraftfahrer und den Artillerie 
offizier auf dem ebenfalls mehrfach gebrochenen Stahl- 
gehäuse des Turmes stehen, 
den Turm selbst aber der 
art herausgeworfen, daß er, 
das Unterste zu oberst ge 
kehrt, uns die Maschinerie 
zeigt, aus der der Turm sich 
drehte. Das mittlere große 
Loch scheint die Kappe zu 
sein, mit der das ganze dreh 
bare System auf dem Bol 
zen aufsaß. Von den beiden 
Zahnrädern gab das eine 
dem Turm die wagrechte 
Drehung, das andere dem 
Geschützrohr, das zu unterst 
auf dem Rücken liegend ge 
dacht werden muß, die 
Höhenrichtung. 
An den Panzertürmen, 
die wir die „edlen Teile" 
eines Werkes nennen kön 
nen, vorbeigehende Gra 
naten sind darum nicht ver 
loren, soweit sie nur nicht 
das Werk überhaupt fehlen, 
und das dürfte kaum vor 
kommen. Sie haben dann 
statt der „Demontier-" eine 
„Demolier-" oder eine 
„Breschewirkung". Eine 
Bresche entsteht, wenn die 
Mauer eines Festungswerks 
so einstürzt und der Wall 
derart nachrutscht, daß die 
Sturmkolonnen auch ohne 
Leitern oder sonstiges Sturmgerät hinaufrennen können. 
In ähnlicher Weise wurde in anderthalb Tagen Manon- 
viller, das mächtigste französische Sperrsort, vom Bahnhof 
Deutsch-Avricourt aus bezwungen. 
Ein Vater seinen ausmarschierenden beiden Söhnen. 
Don Landgerichtspräsident Geh. Oberjustizrat Ritter in Kleve. 
Ihr ziehet aus — ein Heer von Millionen — 
Das alles läßt, was es ans Leben band. 
Lebt wohl! Ihr alle steht in Gottes Hand. 
Es gilt den heil'gen Kampf fürs Vaterland. 
Sein Dank wird Eure Todsstreue lohnen. 
Wohl Euch, daß Euch das Schicksal hat erlesen. 
Mit Euren Brüdern in den Kampf zu ziehn. 
Ilm Weib und Kind laßt alle Sorge fliehn. 
Mit Gott voran! Er hilft, vertraut auf ihn. 
Zieht hin! — Ihr seid das Liebste uns gewesen. 
Zieht hin und nehmet Eurer Mutter Segen 
Und Eures Vaters mit ins Feld hinaus. 
Wo Ihr auch seid. Ihr wißt ein Elternhaus. 
In dem sich im Gebet tagein. tagaus» 
Allnachts die Hände ineinander legen. 
(Schwab. Merkur.) 
Die mehrere Meter starke Betondeckung eines belgischen Forts, die ebenso wie die beweglichen Panzertürme 
durch einen Schuß der deutschen 42-em-Haubitzen zerstört wurde. Der Schuß drang bis zur Munitionskammer 
durch, so daß das ganze Fort in die Luft stog.
	        
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