Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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Aus der Vier-Tage- 
SchlachL bei VaubecourL. 
Brief eines verwundeten Mitkämpfers. 
Landstuhl, den 19. September 1914. 
Meine Lieben! 
Ich will versuchen, Euch in nach 
stehendein eine ungefähre, möglichst 
getreue Schilderung der von mir noch 
initerlebten Vier-Tage-Schlacht in 
der Gegend von Vaubecourt zu geben. 
Nachdem wir Freitag abend nach an 
strengendem Marsch in glühender 
Sonnenhitze eine Stelle etwa 6 Kilo 
meter von Clermont entfernt erreicht 
hatten und uns schon nach der so 
nötigen Ruhe auf dem nackten Boden 
sehnten, kam der Befehl, daß in 
der Nacht das schön gelegene Cler 
mont mit dem Bajonett gestürmt 
werden solle. Das Seitengewehr 
wurde aufgesteckt, lind um ein Uhr 
früh setzten wir uns in tiefem Schwei 
gen in Bewegung. Bald tauchen in 
der Dunkelheit die ersten Häuser der 
kleinen Stadt auf. Jeder hält krampf 
haft sein Gewehr umspannt, aber sie 
ist verlassen. Jenseits wird also 
haltgemacht, und wachend erwartet 
unsere Kompanie den Morgen, da die Meldung kommt, daß 
zwei Divisionen feindliche Kavallerie sowie starke Infanterie 
uns angreifen werden. Sofort werden Schützen- und 
Deckungsgräben ausgehoben. Doch sie sind zunächst über 
flüssig^ denn der Feind zieht wieder ab. Am Sonntag 
aber ging^s dann los! Schon glauben wir, es gebe wieder 
einen neuen Marschtag ohne Kampf, als plötzlich, etwa um 
neun Uhr, die erste französische Granate mit dem bekannten 
schnellzugartigen Sausen und furchtbaren Krach uns den 
ersten Morgengruß bringt. Und nun folgt Krach auf Krach, 
vor uns, hinter uns, neben uns. Wir fühlen sofort, hier 
können wir nicht bleiben, also vorwärts im fürchterlichen feind 
lichen Artilleriefeuer. Durch die von den geplatzten Granaten 
gerissenen Löcher springen wir vorwärts, in lichten Schützen 
linien. Einen kahlen Hang hinunter geht^s, durch ein Dorf, 
in dem die feindlichen Granaten dutzendweise auf den 
Straßen krepieren, durch einen Bach, eine Anhöhe hin 
Phot. Urbahns, Kiel. 
Der Held von „U 9“, Kapitänleutnant Weddigen. 
erhielt das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse. 
auf, und hier, in einem kleinen 
Obstgarten, nehmen wir Stellung. 
Wir sind etwa ein Zug, mit einem 
Vizefeldwebel und einigen Unter 
offizieren, jedoch ohne Offizier Etwa 
800 Meter vor uns liegt ein Wald, 
und am Rande des Waldes unter 
scheiden wir nun die feindlichen 
Schützengräben. Jetzt können wir 
uns wenigstens wehren. Ich lege 
eben an zum ersten Schuß, als mein 
Nebenmann einen dumpfen Laut 
von sich gibt. Ich setze ab, sehe hin 
und blicke in das verzerrte Antlitz 
eines Toten. Der Arme! Doch nun 
schieße ich auch. Bereits verlassen 
die Franzosen ihre Stellungen, doch 
wie sie aufstehen, werden sie von 
unseren Kugeln hingemäht. Schon 
hört man den Ruf: „Der Gegner 
geht zurück!" — da will sich mein Vize 
feldwebel mit dem Glas überzeugen, 
richtet sich ein wenig auf, nimmt das 
Glas an die Augen und fährt im 
nächsten Augenblick mit einem Auf 
schrei zurück. Ich rufe: „Wo fehles?" 
Da lacht er und zeigt mir sein voll 
ständig zertrümmertes Glas. Er selbst 
hattekeinerleiVerletzung.Esgeschehen 
Wunder! Und nun geht^s wieder 
vorwärts, an Verwundeten, Sterbenden, Toten vorbei im 
furchtbaren feindlichen Feuer, immer vorwärts. Der Wald 
ist erreicht, hindurch mit Seitengewehr und Hurra! Einem 
Kameraden verbinde ich rasch das abgeschossene Bein, aber 
dann muß ich den anderen nach. Wir steigen über viele 
tote Franzosen hinweg. Hinaus geht^s wieder auf die 
Ebene, und neues rasendes Feuer empfängt uns. Doch 
nur ein Vorwärts gibt^s für uns. Abends sieben Uhr ver 
stummt das Schießen allmählich. Noch einmal schlägt 
eine feindliche Granate 10 Meter neben mir ein, noch 
einmal schreien Verwundete auf, dann wird^s still und 
stiller. Todmüde sind wir, aber auch stolz, denn wir haben 
den Feind wieder zurückgeworfen, wir haben gesiegt und 
ihm große Verluste beigebracht. 
Jetzt ist^s Nacht, doch statt der ersehnten Ruhe wird 
vormarschiert. Zuerst die Landstraße, dann durch ein 
verlassenes, brennendes Dorf, immer weiter bis zu einer 
Phot. v. der Hellen, Stuttgart. 
Das kühne deutsche Unterseeboot U 9, in der Mitte zwischen zwei anderen Unterseebooten, das am 22. September drei englische Panzerkreuzer vernichtete.
	        
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