Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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Unsere Tätigkeit gegen die russische Flotte sehte schon 
anr 2. August ein. Am Abend dieses Tages, also an un- 
serem ersten Mobilmachungstage, verbreitete sich die Nach 
richt, unser kleiner Kreuzer „Augsburg" habe Libau in Brand 
geschossen. (Siehe auch Seite 36 und 38.) 
Man kann sich denken, welche Überraschung diese erste 
Meldung hervorrief. Wo war denn die russische Ostsee 
flotte geblieben? War unser kleiner Kreuzer wieder heil 
zurückgekehrt? Wie konnte sich das überhaupt zutragen? 
Libau ist eine Stadt mit etwa 90 000 Einwohnern, und da 
sich hier noch der Kriegshafen befindet, so konnten ja die 
russischen Kriegschiffe nicht weit sein. Der Schluß lag 
deshalb wohl nahe, daß unser kleiner Kreuzer diesen kühnen 
Handstreich mit seinem Leben bezahlt habe. Die amt- 
lichen Stellen hüllten sich zunächst in Schweigen. Erst 
durch den nachstehenden Brief eines Matrosen erfuhr man 
Näheres. Der Brief lautet: 
„Liebe Eltern! In aller Eile den angekündigten Brief! 
Heute mittag liefen wir unter brausendem Hurrarufen der 
Bevölkerung in . . . ein, um unseren Kohlenbedarf zu decken. 
In der Nacht geht es wieder los. 'ran an den Feind! Am 
meisten wird Euch ja wohl unsere Beschießung von Libau 
interessieren. Also in kurzen Worten den Verlauf: Am 
Sonnabend gegen acht Uhr abends kamen wir vor Libau 
an, nachdem wir glücklich die von den Russen gelegten Minen 
passiert hatten. — Malt Euch aus, jede Sekunde klar zum 
Jn-die-Luft-Fliegen! Sauber, was? Ich saß als Ausguck 
im ,Krähennest', das heißt in dem 40 Meter hoch gelegenen 
Mastkorb, wie Ihr wohl sagen würdet. Wäre wahrscheinlich 
am höchsten geflogen. Der Kriegsgott hat es sichtlich gut 
mit uns gemeint: erstens haben wir uns auf keine Mine 
gesetzt, zweitens klarte im Augenblick der Beschießung der 
Nebel auf, und drittens erfolgte — es ist anzunehmen, daß 
Revolutionäre ihre Hand im Spiele hatten, da in Libau 
Revolution herrscht — eine gewaltige Erplosion der Pulver 
magazine, deren Flammen uns Richtung gaben und die 
Kanonade wesentlich erleichterten. Da im südlichen Teile 
der Stadt viele Deutsche wohnen, wurde nur der nördliche, 
in dem Befestigungen usw. lagen, beschossen, Überall 
flammte es auf! Der Brand begann. Gegen acht Uhr 
zwanzig Minuten steigt plötzlich eine weiße hohe Rauchsäule 
zum Himmel. Eine Feuergarbe schießt empor, ein Krach, 
donnerühnlich, erfolgt: die Ballons der Gasanstalt sind 
geplatzt. Dann stürzt das Offizierkasino ein, die Kasernen 
und Baracken fangen Feuer. Bald ist der ganze nördliche 
Teil ein Flammenmeer. Um achteinhalb Uhr wird die 
Beschießung abgebrochen. Wir traten die Rückkehr unbe- 
schossen und von feindlichen Schiffen unbehelligt an, nach 
dem wir unsere Aufgabe in jeder Hinsicht erfüllt hatten. 
Lange noch leuchtete am Horizont der Schein der Flammen 
von Libau —." 
Die Bewegungen unserer Marine blieben stets in tiefstes 
Dunkel gehüllt, und man erfuhr immer nur die vollendeten 
Tatsachen. Nach der Beschießung des russischen Kriegshafens 
Libau hörte man einige Tage nichts weiter, bis plötzlich 
am 6. August die Nachricht kam, die im Mittelmeer be 
findlichen deutschen Kriegschiffe seien am 4. August plötz 
lich in der Nähe von Algier erschienen, wo sie einzelne be 
festigte Plätze, die als Einschiffungsorte für die französischen 
Truppentransporte dienten, zerstört hätten. 
Dies war die erste kurze amtliche Meldung, deren 
Wichtigkeit aber jedem einleuchten mußte, denn durch die 
Beschießung jener Hafenplätze wurden den Franzosen in der 
Beförderung ihrer afrikanischen Truppen nach dem Mutter 
lande große Schwierigkeiten bereitet. Hatte doch Frank 
reich sich nicht wenig darauf zugute getan, daß es farbige 
Truppen ins Feld senden könnte für den Fall, daß seine 
europäischen Truppen nicht ausreichten. Bei diesem Zer 
störungswerk an der algerischen Küste haben sich unser 
Panzerkreuzer „Goeben" und der kleine Kreuzer „Breslau" 
betätigt, welche beide vorher vor Durazzo gelegen hatten. 
Der Panzerkreuzer „Goeben" ist nach dem „Seydlitz" 
der neueste und beste Eroßkreuzer unserer Marine. Er ge 
hört zu den schnellsten Eroßschiffen der Welt und kann nur 
von Torpedobooten eingeholt werden. Die „Goeben" hat 
seit ihrer Fertigstellung die deutschen Interessen im Mittel 
meer vertreten und überall Bewunderung hervorgerufen. 
In aller Erinnerung wird noch ihr begeisterter Empfang 
Die Panzerkreuzer „Goeben" und „Breslau" vor Messina. Nach einer Originalzeichnung von P. Teschinskl). 
In der Nacht zum 6 August gelang es den Panzerkreuzern „Goeben" und „Breslau", mit abgeblendeten Lichtern aus den: Hafen von Messina auszuraufen 
und die englische und französische Flotte zu durchbrechen.
	        
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