Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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Ein Landsturmmann als Bahnwache in Feindesland. 
sich die weißen kalkreichen Gebirge mit ihren festungs 
artigen Felsen befinden. Die Infanterie Österreich-Ungarns 
hat in Friedenszeiten vielfach Gelegenheit gehabt, sich im 
Gebirge auszubilden, und es gibt viele Bataillone — von 
den eigentlichen Alpenjägern und den Tiroler Kaiserjägern 
ganz abgesehen, die im Gebirgskriege vorzüglich und un 
übertrefflich sind — die in der Überwindung der Schwierig 
keiten des gebirgigen Terrains Meisterhaftes leisten. Von 
diesen Schwierigkeiten an der serbischen Grenze macht sich 
derjenige, der sie nicht kennt, kaum eine Vorstellung. Sie 
gleichen den schon auf Seite 79 geschilderten montene 
grinischen Verhältnissen. Neben tiefen Tälern erheben sich 
steile Felswände, während anderwärts die Berge mit einem 
Urwald bedeckt sind. Üppige Vegetation wechselt mit karst 
artigen Stellen. Im weißen Kalkstein finden sich oft un 
geheure Einsturztrichter, sogenannte Dolinen, die häufig 
einen Durchmesser von 50 Metern bei einer Tiefe von 
25 Metern erreichen und stellenweise durch kaum mehr 
als meterbreite Rücken voneinander getrennt sind. Gerade 
in den tiefsten Stellen stehen oft die mächtigsten Bäume. 
Durch dieses schwer zu begehende Terrain zwischen Bosnien 
und Serbien müssen sich die vorgeschobenen Patrouillen 
der österreich-ungarischen Armee mühselig ihren Weg bahnen. 
Eine solche Patrouille in einem kalksteinreichen Abschnitt des 
serbischen Grenzgebietes zeigt eines unserer Bilder. — 
Eine zweite Schwierigkeit, mit der die österreich 
ungarischen Truppen bei ihrem Kampf gegen die 
Serben zu rechnen haben, ist die Unzuverlässiakeit 
und Hinterhältigkeit der dortigen Bevölkerung. Ins 
besondere die Landstriche an der Grenze sind von 
einer äußerst armseligen Bevölkerung bewohnt. 
Ein erschreckendes Elend herrscht dort allenthalben 
und bringt es mit sich, daß die österreich-un 
garischen Truppen vielfach auf den Nachschub ihrer 
Verpflegung angewiesen sind. Die Dörfer sind meist 
klein und Ortschaften von der Bedeutung derjenigen, 
die unser Bild zeigt, selten. Als die österreich- 
ungarischen Truppen zum Angriff gegen Serbien 
vorgingen, wurden auch viele größere Ortschaften 
meist nach hartem, heißem Kampf besetzt, und dem 
Augenblick, wo die Verpflegungskolonnen sich ord 
neten und die Vorräte in gesicherter Stellung zur 
Austeilung bringen konnten, war stets ein blutiges 
Ringen vorangegangen, und zwar nicht nur gegen 
die regulären Truppen, sondern in viel ärgerer und 
schrecklicherer Weise gegen die Bevölkerung und die 
Komitatschis. Fälle von Verrat waren ebenso häufig 
wie Fälle, in denen Greise und Weiber aus dem 
Hinterhalt auf die tapferen Truppen, die nach schwerer 
Arbeit und. eigentlich als Befreier der geknechteten 
Bevölkerung einzogen, schossen. Dem Berichte eines 
Augenzeugen ist unter anderem zu entnehmen, daß 
die österreich-ungarischen Truppen bei ihrem ersten 
Übergang über die Drina einen sehr schweren Stand 
hauptsttchlich wegen der Tücken und des Verrates 
der Bevölkerung hatten. Die Komitatschis schießen in der Regel 
gut. Sie haben aber vor den Bajonetten eine große Angst, und 
wenn es zu einem Angriff mit dieser Waffe oder gar zu einem 
Sturm kommt, so fliehen sie gewöhnlich. Es ist dies eine interessante 
Erscheinung, die man in ähnlicher Weise auch bei den Kosaken finden 
kann. Die Kosaken, wie die Komitatschis durchweg Menschen auf 
einer verhältnismäßig sehr tiefen Stufe, kennen nur den Gebrauch 
einer Waffe und sind in dieser tapfer. Andere Waffen, aber, die 
ihnen nicht geläufig sind, erregen oft in ganz besonderem Maße 
ihren Schrecken. Der Kosake fürchtet sich vor keinem Säbel und 
vor keiner Lanze, macht der Feind aber auch nur Miene, das Ge 
wehr anzulegen, so flieht er. Umgekehrt ist es bei den serbischen 
Komitatschis, die sich im Feuer bewähren, dem Säbel und dem 
Bajonettangriff aber nur selten Widerstand leisten. In Serbien weiß 
aber auch das Volk selbst mit der Feuerwaffe erstaunlich gut um 
zugehen. Die Alten haben meist schon in früheren Jahren einmal 
im Feuer gestanden, und so mancher zeigt eine Wunde aus den 
Türkenkriegen. Es ist bekannt, daß während des letzten Balkankrieges 
in Serbien selbst Frauen zum Gebrauche der Gewehre förmlich ein 
exerziert wurden. Oft kommen die österreich-ungarischen Truppen 
in Dörfer, die anscheinend ganz leer und verlassen sind. Plötzlich 
werden die einziehenden Soldaten aber von allen Seiten beschossen. 
Von den Bäumen und aus den Dachluken heraus regnet es Kugeln. 
In anderen Füllen zeigt sich die Bevölkerung freundlich, ja zuvor 
kommend. Meist ist dies ein böses Zeichen, und die Truppen unserer 
Verbündeten, die jetzt durch Irreführung vorsichtig ge 
worden sind, wissen dann meist, daß der Feind nicht weit ist. 
Er hält sich versteckt und wartet nur ab, bis die Truppen es 
sich möglichst bequem eingerichtet haben, um dann plötzlich 
aus seinem Versteck auszubrechen und ein mörderisches 
Feuer zu eröffnen. Ein Verwundeter erzählte jüngst, daß 
er den Schuß in seinem Arm bei einer ähnlichen Gelegen 
heit erhalten habe. Seine Abteilung zog in ein Dorf, das 
wie ausgestorben schien. Nur vor einem Hause saß ein 
Greis, der beim Anblick der feindlichen Truppen in be 
geisterte Rufe auf die Monarchie und Kaiser Franz Joseph 
ausbrach. „Wie glücklich sind wir, daß ihr endlich kommt, 
wir sind eure Freunde, ihr sollt uns von den Schrecken be 
freien, in denen wir leben!" und in langen Tiraden schilderte 
der alte und so harmlos aussehende Mann das Elend, das 
seit den Zeiten König Peters in das Land gekommen sei. 
Auf die Frage des Offiziers, ob serbische Soldaten in der 
Nähe seien, bekreuzigte sich der Greis, und dann die Hände 
zum Himmel erhebend, pries er sich glücklich, schon seit 
langem leinen von dieser Bande, wie er sich ausdrückte, 
mehr gesehen zu haben. Sie seien längst geflüchtet und 
hätten mitgenommen, was die armen Dorfbewohner noch 
gehabt. Die Abteilung verließ nach kurzer Rast das Dorf, 
und kaum einige Schritte entfernt, überschüttete sie ein 
wahrer Kugelregen von rückwärts. Die Komitatschis hatten 
Spanischer Reiter", Eisengitter zur Straßensperrung für Autos und Räder.
	        
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