Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
hat 3 Infanteriedivisionen zu 2 Brigaden von je 2 Regi 
mentern, sowie 1 Korpskavalleriebrigade zu 3 Regimentern. 
Mit der Infanteriedivision von Belfort haben also auf 
französischer Seite 16 Jnfanterieregimenter, 3 Kavallerie 
regimenter und 2 Artillerieregimenter im Feuer gestanden 
und sind aus verschanzter Stellung zurückgeworfen worden. 
Das erste große Zusammentreffen zwischen deutschen 
und französischen Truppen war also so verlaufen, wie wir 
es erhofften. Der Geist von 1870/71 war wach geblieben 
in unserem Heere; wie vor vierundvierzig Jahren hatten 
ihn die Franzosen in offener Feldschlacht nun zum erstenmal 
wieder an ihrem Leibe verspürt. Ein französischer Vorstoß 
war blutig zurückgewiesen, die Angreifer zurückgeworfen 
worden. Daß dieser Vorstoß von Belfort aus kam, wider 
legt die unsinnigen Gerüchte, die in jenen Tagen gerade 
über diese französische Festung verbreitet waren. Nichts 
wäre zwar verhängnisvoller gewesen, als wenn man den 
Feind unterschätzt hätte. Schwer war gewiß auch die blutige 
Arbeit westlich von Mülhausen; aber je schwerer die Schlacht, 
desto glänzender der Sieg. Der erste Sieg über die fran 
zösische Armee — unsere Herzen dankten Gott, und sie 
dankten unseren braven todesmutigen Truppen, die diesen 
ersten Sieg errangen! 
Bei Mülhausen haben die deutschen Truppen 10 fran 
zösische Offiziere und 513 Mann gefangen genommen. 
Außerdem wurden 4 Geschütze, 10 Fahrzeuge und eine 
sehr große Anzahl Gewehre erbeutet. 
Die Schlacht bei Mülhausen wurde nicht nur vom 
ganzen deutschen Volke, sondern auch von unserer obersten 
Heeresleitung als ein voller Erfolg von großer Tragweite 
gewertet. Wie Oberst Brose am 11. August in einer Be 
sprechung mit Vertretern der Presse ausführte, war dieser 
Schlag gegen die Franzosen deshalb so bedeutungsvoll, weil 
wir uns noch im Stadium der Mobilmachung befanden. 
Das haben wir selbst 1870- nicht fertiggebracht. Lüttich ist 
ohne die gehörige Artillerievorbereitung gefallen und nun 
fest in unserer Hand. Der Pariser „Matin" schrieb am 
1. August, daß Deutschland mindestens zehn Tage zu seiner 
Mobilmachung gebrauche, und fügte prahlerisch hinzu, 
Frankreich ebenfalls. Kein Mensch in Paris hat wohl daran 
gedacht, daß während dieser Mobilmachungstage so wuchtige 
Schläge geführt werden könnten wie die Erstürmung von 
Lüttich und die Niederlage der Franzosen bei Mülhausen. 
Dabei handelte es sich um keine Augenblickserfolge, sondern 
um Errungenschaften und Taten' von nicht zu unter 
schätzender Bedeutung. 
Der Kaiser richtete an die Truppen, die den Sieg bei 
Mülhausen im Oberelsaß erfochten haben, das folgende 
Telegramm: 
An das Armeeoberkommando. 
Dankbar unserem Gott, der mit uns war, danke ich 
Ihnen und den tapferen Truppen für den ersten Sieg. 
Sagen Sie allen beteiligten Truppen meinen Kaiserlichen 
Dank, den ihr oberster Kriegsherr ihnen im Namen des 
Vaterlandes ausspricht. Eez. Wilhelm, I. R. 
Die in der Schlacht bei Mülhausen erbeuteten ersten 
französischen Kanonen wurden vor dem Kaiserpalast in 
Straßburg aufgestellt. — 
„Die französischen Truppen haben elsässischen Boden 
betreten und sind, von der Bevölkerung mit begeistertem 
Jubel begrüßt, in Mülhausen eingezogen. General Joffre 
hat als Oberkommandierender einen flammenden Aufruf 
an das elsässische Volk erlassen." So schrieben die Pariser 
Blätter, und wir in Deutschland haben uns darüber ge 
freut, die alten Lügen von 1870 wieder aufleben zu sehen. 
Doch es hatte diesmal seine Richtigkeit, es war ein Fünkchen 
Wahrheit in den französischen Prahlereien enthalten, nur 
mußte man es seiner romanhaften Umhüllung erst mühsam 
entkleiden. General Joffre hatte allerdings einen Aufruf 
an die Elsässer erlassen, aber die Redensart vom Betreten 
elsässischen Bodens durch die französischen Soldaten war 
doch wohl etwas zu gewagt. Hoch oben durch die Wolken 
waren sie gefahren, die kühnen Befreier, und hatten aus 
sicherer Höhe, wo kein Schuß sie erreichen konnte, be 
drucktes Papier in die Winde geworfen. Wie aus Müllheim 
in Baden gemeldet wird, warfen französische Flieger am 
Sonntag über Mülhausen Pakete herab, die in Belfort 
gedruckt waren und also lauteten: 
Kinder des Elsaß! Nach vierundvierzig Jahren schmerz 
lichen Wartens betreten französische Soldaten wiederum 
den Boden eures edlen Landes. Sie sind die ersten Arbeiter 
des großen Werkes der Rache. Es erfüllt sie mit Rührung 
und Stolz; um das Werk zu vollbringen, geben sie ihr 
Leben dahin. Das französische Volk steht einmütig hinter 
ihnen, und in die Falten ihrer Fahne sind die zauberhaften 
Worte „Recht und Freiheit" eingegraben. Es lebe das 
Elsaß! Es lebe Frankreich! 
Der französische Generalissimus Joffre, 
gebracht durch die französischen Eskadrillen von Mülhausen. 
Inzwischen haben unsere braven Truppen den Fran 
zosen bei Mülhausen und bei Lunoville die Lehre erteilt, 
daß man nicht voreilig Hoffnungen als Tatsachen aus 
sprechen soll. 
Was die Elsässer in Wahrheit von der französischen Herr 
schaft zu erwarten hätten, das zu erfahren, wird ihnen nun 
hoffentlich für immer erspart bleiben. Doch werden die 
aus Frankreich zurückgewanderten Elsässer, die sich nicht 
dort halten ließen, in der Heimat über die Liebenswürdig 
keiten, denen sie ausgesetzt gewesen sind, schon genug, zu 
erzählen wissen. So berichtet im „Elsässer Tageblatt" ein 
junger Elsässer über eine geradezu unglaubliche Zumutung, 
die in Paris an die Elsässer gestellt worden ist. In einem 
Kaffeehaus in Paris, in dem viele Elsässer verkehren, lag 
ein Aufruf aus, in welchem alle wehrfähigen Elsässer auf 
gefordert wurden, sich für die Dauer des Krieges in die 
Fremdenlegion aufnehmen zu lassen. Dann könnten sie 
unbehelligt im Lande bleiben. Es braucht nicht hinzugefügt 
zu werden, daß von den Elsässern in Frankreich keiner 
davon Gebrauch gemacht hat. 
Wenn die Franzosen übrigens geglaubt hatten, im 
Elsaß als „Befreier" begrüßt zu werden, so hatten sie sich 
gründlich geirrt. Die Elsässer standen fast durchweg auf 
seiteiODeutschlands, und die Franzosenfreunde bildeten die 
Ausnahme. Die Elsässer sind, so erklärte ein aus Straß 
burg nach Zürich zurückgekehrter Schweizer, gegen früher 
wie umgewandelt. Sie stehen ganz auf deutscher Seite, 
und General Deimling, der einst so hart Befehdete, wird 
jetzt begeistert gefeiert. Im Hospital zu Sierenz liegen 
einige bei den Patrouillengefechten am Sonnabend ver 
wundete Deutsche und Franzosen. In Habsheim ist nach 
der Schilderung eines Elsässers der Anfang des eigentlichen 
Schlachtfeldes bei Mülhausen, welches sich durch den 
Hardtwald bis fast nach Banzenheim und Reichweiler aus 
dehnt. Die Deutschen hatten die Franzosen fast ganz um 
zingelt. In Habsheim muß ein schrecklicher Nahkampf statt 
gefunden haben. Man sieht zerschossene Eisenbahnwagen, 
die von den Franzosen als Barrikaden benutzt worden sind. 
Einige Häuser sind fast ganz von Kanonenkugeln zerschossen. 
Auf dem Wege nach Mülhausen liegen französische Tor 
nister und zerfetzte Uniformen, da und dort der Kadaver 
eines Pferdes. Die Ortschaften Jllzach und Kingersheim 
litten weniger. Beide wechselten zweimal ihre Besitzer. 
Am Morgen waren die Franzosen, am Abend die Deutschen 
da. Dem Elsässer begegneten auf der Heimfahrt zwei 
deutsche Patrouillen mit französischen Gefangenen, die, 
wie er bemerkt, unvorteilhaft abstachen von den völlig neu 
gekleideten deutschen Soldaten. 
Die Schilderung eines Augenzeugen der Schlacht gaben 
wir bereits auf Seite 19—21. Hier möge noch der Feld 
postbrief eines Lesers der „Leipziger Neuesten Nachrichten" 
folgen: 
„... Wir sind vorgestern abend in Mülhausen ein 
gezogen, nachdem wir am Sonntag, den 9. August, ein 
heftiges Gefecht bei (vor Mülhausen) hatten, wobei 
es auf beiden Seiten viele Verwundete und Tote gab. Ich 
will Dir kurz einen Überblick über unsere bisherige Tätigkeit 
geben. Am 6. August um halb elf Uhr abends fuhren 
wir von O. ab bis M. Am 8. August früh sechs Uhr begann 
der Vormarsch, um dreiviertel zwölf Uhr passierten wir 
den Rhein bei Dort eröffneten wir das erste Feuer- 
auf einen feindlichen Flieger, der auch von Artillerie be 
schossen wurde, aber leider zu hoch war, um getroffen zu 
werden. Es war ein hübscher Anblick, wie die Artillerie 
geschosse hoch in den Lüften mit donnerndem Geräusch zer 
krachten und lang andauernde Wolken bildeten. — Wir 
marschierten bis , wo schon durch fleißige Arbeit der 
Arbeitskompanie viele große Schützengräben ausgehoben 
waren. In diesen übernachteten wir, und hier wollten 
wir den Feind erwarten. Es kam jedoch anders.
	        
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