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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914.
erklärung völlig vollzogen sein würde. So entschloß nran
sich zuin Vorrnarsch zweier Armeen, links und rechts der
Weichsel, unter der Führung des Generals der Kavallerie
Viktor Dankl. Bei Krasnik kam es zu einer dreitägigen
Schlacht, an der beide Gruppen vereint teilnahmen. Sie
warfen den Feind unter schweren Verlusten und trafen
ihre Vorbereitungen zur Einnahme des umschlossenen Lublin.
Eine zweite Armee, unter der Führung des Generals
der Infanterie von Auffenberg, drang gegen Eholm in dem
Raum Zamosc—Trzewodow vor. Auch sie schlug unter
schweren Kämpfen den Feind; 30 000 Gefangene und
200 Geschütze fielen in ihre Hände.
Bei Lemberg stand der rechte Flügel der im Norden
Galiziens kämpfenden österreichisch-ungarischen Truppen; sie
bildeten die Hauptarmee. Man entschloß sich auch hier zum
Vorstoß, mußte aber nach elftügigen, zum großen Teil erfolg
reichen Kämpfen die Erfahrung machen, daß der Feind
an diesem Punkte weit überlegene Kräfte ins Feld geführt
hatte, die trotz allen Heldenmuts nicht zu werfen waren.
Die Führung dieser Armee entschloß sich nun, Lemberg
preiszugeben und die Truppen in eine gesicherte Stellung
zurückzunehmen, um ihnen einige Ruhe zu gönnen. Die
Ablösung vom Feinde ging völlig glatt vor sich, worauf
nach wenigen Tagen ein erneuter Vorstoß unternommen
wurde. Es gelang, nicht nur den mittlerweile vordringen
den Feind zum Stehen zu bringen, sondern ihn auch unter
Gefangennahme von 10 000 Mann und mit Verlust von
zahlreichen Geschützen zurückzudrängen.
Diese strategischen Maßnahmen haben bewiesen, daß der
österreichisch-ungarische Generalstab aus den tüchtigsten
Kräften zusammengesetzt ist und daß beide Generale, Dankl
wie Auffenberg, wagemutige und heldenhaft kämpfende
Truvven gegen den Feind führten. General der Kavallerie
nkl wie General der Infanterie Moritz Ritter von
g wurden für ihre hervorragenden Waffentaten
:r von Österreich durch Verleihung des Eroßkreuzes
Leopoldordens mit Kriegsdekoration ausgezeichnet.
Ersterer war bis kurz vor dem Kriege Kommandant des
14. Korps und Landesverteidigungskommandant von Tirol
und Vorarlberg. Er wurde, im Jahre 1864 geboren,
20 Jahre alt aus der Wiener-Neustädter Militärakademie
als Leutnant zum 3. Dragonerregiment ausgemustert. Der
junge Offizier besuchte die Kriegschule und trat dann in den
Generalstab ein. Zur Linie versetzt, wurde er Stabschef einer
Kavalleriedivision, darauf Eeneralstabschef des 13. Korps,
später Chef des Direktionsbureaus des Generalstabes. Mittler
weile zum Generalmajor befördert, wirkte er als Kommandant
der 36. Infanteriedivision in Agram, dann in Innsbruck. Er
hat sich schon bei den großen Armeemanövern im Jahre 1908
besonders ausgezeichnet und jetzt vor dem Feinde den Ruf
großer Tüchtigkeit in hervorragender Weise gerechtfertigt.
General der Infanterie von Auffenberg entstammt einem
württembergischen Adelsgeschlechte. 1862 in Troppau ge
boren, erhielt er die erste militärische Ausbildung im Ka
detteninstitut zu Hamburg und in der Militärakademie zu
Wiener-Neustadt, die er im Jahre 1871 als Leutnant ver
ließ. Auch er besuchte die Kriegschule und wurde dann dem
Generalstab zugeteilt. Er machte in dieser Eigenschaft den
Okkupationsfeldzug im Jahre 1878 mit und fand dann Ver
wendung im Eisenbahnbureau und im Militärgeographischen
Institut. In die Linie versetzt und mittlerweile bis zum
Oberst aufgerückt, kommandierte er das 23. und dann das
78. Infanterieregiment, später die 66. Jnfanteriebrigade.
In dieser Stellung rückte er zum Generalmajor vor. Im
Jahre 1905 erhielt er als Feldmarschalleutnant das Kom-
mando der 36. Jnfanterietruppendivision in Agram. Der
Kaiser betraute ihn dann mit dem Amt eines General-
inspektors der Korpsoffizierschulen und mit der Aus
gestaltung und Neuordnung dieser Schulen, wobei er sich in
hohem Grade verdient machte. Er war zuletzt Kommandant
des 15. Korps und Kommandierender General in Serajewo.
Der rechte Flügel der in Galizien bei Lemberg kämp
fenden Truppen wird von Erzherzog Friedrich befehligt.
Sein Großvater hat bei Aspern die Franzosen unter Napo
leon I., sein Oheim bei Custozza die Italiener besiegt.
Dem Erzherzog zur Seite steht der Chef des Großen General-
stabs Freiherr Konrad von Hötzendorf, ein anerkannt genialer
Stratege, der indessen bei Lemberg bis jetzt, wie schon oben
gesagt, nur Teilerfolge zu verzeichnen hat, weil hier dem
Hauptstöße der gewaltigen russischen Übermacht mit fast über
menschlichen Anstrengungen in dreiwöchigem Kampfe be
gegnet werden mußte. Die Heeresleitung gibt bekannt, daß
diesem Flügel 360 000 Russen mehr gegenüberstanden. Die
Teilerfolge konnten, so groß sie auch gewesen sind, nicht
ausgenutzt werden, weil die Russen in der Lage waren,
für jede geschlagene Division eine neue vorzuschicken. Stra
tegische Rücksichten erforderten die Zurücknahme dieses Flü
gels in eine gesicherte Stellung, an deren Erzwand nun
die ungeheure russische Überzahl zerschellen soll.
Diese Zurücknahme des bei Lemberg kämpfenden rechten
Flügels in Verbindung mit dem Aufmarsch neuer russischer
Kräfte bei Lublin und südlich von Eholm konnte nicht ohne
Rückwirkung auf das Zentrum und den linken Flügel bleiben.
Um die Verbindung aufrecht zu erhalten und die neue ge
schlossene Front zu bilden, mußten auch die Streitkräfte
der siegreichen Generale Dankl und Auffenberg in größerem
Maße zurückgenommen werden. In der Armee Auffenbergs,
so berichtet der „Pester Lloyd", mußte der Befehl, sich vom
Feinde abzulösen, zweimal gegeben werden. Die braven
Soldaten wollten, weil ihnen die höhere strategische Einsicht
für diese notwendige Maßnahme mangelte, nicht daran
glauben. Waren sie doch seit Wochen ständig vorgedrungen,
hatten den Feind geschlagen, Gefangene gemacht und Ge
schütze erbeutet, und nun sollten sie die errungenen, helden
mütig erkämpften Vorteile aufgeben. Jetzt sind diese beiden
siegreichen Armeen mit der Hauptmacht, die bei Lemberg
mehrwöchentlich im Kampfe stand, vereinigt. Sie werden
auf einem engeren und günstigeren Raume vereint dem
russischen Ansturm Trotz bieten, bis sich durch die fortgesetzte
Schwächung des Feindes die Wendung zum Besseren ergibt.
Der französische Kufmarschplan. Im Tagebuch eines
französischen Offiziers, der bei Verdun gefangen wurde,
befand sich, wie dem „Deutschen Volksblatt" berichtet wird,
der französische Aufmarschplan, der wie folgt lautet:
, „1. Armee, Maubeuge: 1., 2., 3. und 10. Armeekorps.
— 2. Armee, Verdun: 9., 11., 4. und 6. Armeekorps. —
3. Armee, To ul: 20., 5. und 8. Armeekorps. —4. Armee,
Epinal: 13., 12., 17° und 18. Armeekorps. — 5. Armee,
Belfort: 7., 14., 15. und 16. Armeekorps.
Jede Armee setzt sich zusammen aus 600 000 Mann,
insgesamt also 2 600 000 Mann, die für die Offensive ver
fügbar sind, ohne die Territorialtruppen zu rechnen.
Die 1. Armee vereinigt sich mit den englischen und bel
gischen Armeen, besetzt nach dem Durchmarsch durch Belgien
Köln und Koblenz und wirft sich den aus Norddeutschland
vorstoßenden deutschen Streitkräften entgegen. Die 2. Armee
besetzt (!) Metz und wendet sich nach dessen Einnahme gegen
Saarlouis und Koblenz, wo sie ihre Vereinigung mit der
1. Armee vollziehen wird. Die 3. Armee dringt in Lothringen
ein, besetzt den nördlichen Teil der Vogesen und wird dann
ihren Standort vor Straßburg verlegen. Die 4. Armee wird
die übrigen Teile der Vogesen besetzen und dann den ande
ren Armeen als Reservearmee folgen. Die 5. Armee wird
sich Altkirchs und Mülhausens bemächtigen und dann ihren
Standpunkt vor Straßburg verlegen, das zu nehmen ist,
und wird ihre Vereinigung mit der 3. Armee herbeiführen.
Es bleiben uns also nur noch 3 Armeen, die Armee A in
Koblenz, die Armee Oin Straßburg, die Armee D als Reserve."
Aus diesem französischen Operationsplan geht mit
zwingender Beweiskraft hervor, daß nicht nur die Engländer,
sondern auch die Belgier ein Zusammenwirken mit den
französischen Truppen von Anfang an verabredet hatten.
Sie brandschatzen ihr eigenes Land. Unseren Truppen
ist folgender Befehl des Kommandanten der 1. französischen
Armee in die Hände gefallen: Übersetzung: „Es ist dem
Oberbefehlshaber der 1. Armee durch die Stadtbehörde
von Rambervillers zur Kenntnis gebracht worden, daß die
Soldaten in dieser Stadt zu Akten der Gewalttätigkeit und
der Plünderung sich haben hinreißen lassen. Diese Hand
lungen sind um so bedauerlicher und verwerflicher, als sie
auf französischem Boden begangen worden sind. Der Kom
mandierende General des 21. Armeekorps wird sofort eine
Untersuchung in dieser Angelegenheit einleiten, damit die
Urheber dieser Verbrechen dem Kriegsgericht übergeben
werden können. Gezeichnet: Dubail."
Mit diesem Dokument wird die besonders bei unserer
kronprinzlichen Armee gemeldete Wahrnehmung, daß die
französischen Truppen sogar im eigenen Lande plündern
und rauben, von amtlicher französischer Seite bestätigt.