Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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lächeln selig. Es sind gewiß Hunderte von Schüssen, die 
in die Luft abgefeuert werden. Die Leute auf der Straße 
stehen in Gruppen beisammen, unter denen eine Bombe 
ein Blutbad hervorrufen könnte; sie bleiben eine halbe 
Stunde, die Nase in die Luft gereckt, stehen rmd warten 
auf die Ankunft eines französischen Flugzeugs, das den 
Feind verfolgen soll." 
Die Kämpfe aus dem montenegrinischen 
Kriegschauplatz. 
(Hierzu das Bild Seite 77.) 
Wer nicht Gelegenheit hatte, im Augustsonnenbrande 
das südliche, unter dem gleichen Breitegrad wie Monte 
negro liegende Dalmatien zu bereisen und von einem 
Küstenpunkte einen Ausflug in das Steinmeer des 
Karstgebietes zu machen, ist unfähig, zu beurteilen, 
welche Strapazen zurzeit die dort kämpfenden Truppen 
durchzumachen haben. Der 
Besuch der Bocche di Cattaro 
ist ja längst schon in die 
Touristenreisepläne der Le 
vantebesucher eingereiht. Aber 
der Reiseplan erstreckt sich ge 
wöhnlich nur auf den Besuch 
von Ragusa und Cattaro. Um 
einen richtigen Einblick in die 
Bodenbeschaffenheit zu bekom 
men, mag man, ehe man Cat 
taro erreicht, beispielsweise in 
Risano anlegen und von dort 
einen Aufstieg nach Ledinice, 
Knezlac oder Dragalji wagen; 
man wird dann eine ungefähre 
Vorstellung von dem gewin 
nen, was ein Soldat dort im 
Felde zu leisten hat. Wohin 
das Auge blickt, nichts als Felsen 
zinnen, Pfeiler und Zacken, 
durch die nur schmale, nach un 
seren Begriffen kaum gang 
bare, an jäh abfallenden Ab 
gründen sich hinziehende Saum 
pfade führen. Ein Meer von 
Stein, ein Wirrsal von messer 
scharf ausgewaschenen Felsen, 
selten am Wege ein Rosmarin- 
strauch, oft stundenweit kein 
Grashalm. Der gebildete öster 
reichische Offizier oder Beamte, 
den die Pflicht hierher ver 
schlägt, ist in den ersten Tagen 
gewöhnlich wie trunken von 
dem seltsam malerischen, groß 
artigen Landschaftsbilde; aber 
nur zu bald tritt eine tiefe 
Verstimmung, dann Verzweiflung und schließlich dumpfe 
Ergebung ein. 
Und in diesem öden Lande, an den Schroffen und 
Schründen der schauerlich-schönen montenegrinischen Ee- 
birgsmauer kämpft jetzt ein wenn auch kleiner Teil der 
österreichisch-ungarischen Truppen. Ein geschlossener Auf 
marsch ist hier fast niemals möglich. Einer hinter dem 
anderen kriechen die Mannschaften der Eebirgsbrigaden 
auf schmalen Bändern die Felsenwände entlang. Wird 
aber doch einmal eine Front gebildet, welche mühseligen 
Anstrengungen und welche Gefährdung durch feindlichen 
Kugelregen, beim Aufschließen! Die Unwegsamkeit dieser 
wildzerklüfteten Vergwelt bringt es auch mit sich, daß nur 
der Esel oder vielleicht das Maultier zur Beförderung der 
zerlegbaren Gebirgsgeschütze verwendet werden kann. Oft 
vermag auch das keuchende Tier nicht mehr vorwärts zu 
kommen, und dann müssen die Artilleristen, die selber oft 
schon erschöpft genug sind, mit Stricken und Ketten nach 
helfen. Es herrscht da unten eine durch die Örtlichkeit ge 
botene Kriegführung, die von den Offizieren und Mann 
schaften die größten, oft unmöglich erscheinenden An 
spannungen erfordert. 
Gleichwohl haben die österreichischen Eebirgsbrigaden 
gegen einen wagemutigen und heldenhaft kämpfenden 
Feind schon manchen ausgiebigen Erfolg zu verzeichnen, 
wenn auch nach den Entschließungen des Armeeoberkomman 
dos die große Abrechnung mit Serbien und Montenegro 
bis zur Riederringung Rußlands aufgeschoben worden ist. 
So hat die im Erenzraume von Autovac, also auf herze- 
gowinischem Boden stehende dritte Gebirgsbrigade einen 
schneidigen Einbruch auf montenegrinisches Gebiet unter 
nommen. „Plötzlich wurden wir," so erzählt ein öster 
reichischer Offizier, „von den vor uns liegenden Anhöhen 
von montenegrinischen. Freischärlern beschossen; auch aus 
Schluchten und Höhlen krachte es unaufhörlich. Ein regel 
rechter Kampf war undenkbar. Wir durchstöberten Schritt 
für Schritt das unwegsame Gelände und töteten oder 
fingen Hunderte der Angreifer. Auf dem Gozarasattel 
hatten uns die Montenegriner mit zwei Gebirgsgeschützen 
beschossen. Wie gereizte Löwen stürzten die ungarischen 
Mannschaften die Anhöhe hinan, während unsere Artillerie 
Volltreffer sandte. Wie aus einem tätigen Vulkan flogen 
Erde, Felsstücke, Baumstämme 
und gegnerische Kanonenlafet 
ten in die Luft. Hunderte von 
Montenegrinern waren gefal 
len." Nach kurzer Zeit der 
Ruhe unternahm diese tapfere, 
unter dem Kommando des Ge 
neralmajors v. Pongracz ste 
hende kleine Schar am 30. Au 
gust einen neuen Vorstoß gegen 
die vor dem befestigten Bileca 
stehenden, an Zahl weit über 
legenen regulären montenegri 
nischen Streitkrüfte. In helden 
mütig geführten, mehrtägigen 
Kämpfen gelang es schließlich, 
den vollständigen Zusammen 
bruch der Angreifer herbeizu 
führen, ihnen ein schweres Ge 
schütz und zwei Gebirgskanonen 
abzunehmen und die schwer be 
drängt gewesene Feste Bileca 
völlig zu befreien. Die Monte 
negriner hatten zwar alsbald 
Ersatz herangezogen, so daß sich 
am 10. September die Kämpfe 
auf der Linie Konto—Kobula— 
Pleva erneuerten, doch wurden 
die Montenegriner wiederum 
zurückgeworfen. Die ungarische 
Brigade stürmte den Berg Sva- 
gradina und setzte sich etwa 
15 Kilometer weiter auf monte 
negrinischem Boden fest. Auch 
in der Bocche di Cattaro ist es 
mehrfach schon zu gegenseitigen 
Beschießungen gekommen, wo 
bei die Montenegriner durch 
das Feuer der schweren Schiffsgeschütze unter empfindlichen 
Verlusten gezwungen wurden, den Kampf aufzugeben. 
Nach Berichten aus Serajewo hat der russische General 
Popapow, der langjährige Militärbevollmüchtigte Rußlands 
in Montenegro, die Oberleitung des montenegrinischen 
Heeres übernommen. Es stehen ihm eine Anzahl russischer 
Generalstabsoffiziere zur Seite. Auch in den Reihen der 
kämpfenden montenegrinischen Truppen haben russische 
und serbische Offiziere die Führung. 
Ostpreußische Flüchtlinge. 
(Hierzu die Bilder Seite 68 und 69.) 
Die Greuel und Grausamkeiten der Russen bei ihrem 
Eindringen in die Grenzgebiete Ostpreußens haben die 
Befürchtungen, die das Kommando des I. Armeekorps ver 
anlaßten, die Bevölkerung rechtzeitig zur Räumung der 
bedrohten Gebiete aufzufordern, als leider nur zu gerecht 
fertigt erwiesen. Es mag manchen schweren Seufzer und 
manche heiße Zähre gekostet haben, von der ererbten väter 
lichen Scholle plötzlich Abschied nehmen zu müssen und 
schnell noch das Erraffbare an sich zu reißen, um sich Hals 
über Kopf in Sicherheit zu bringen; oft wurde auch nur das
	        
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