Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/13. 
(Fortsetzung.) 
Die so ausgesprochen gegen England sich wendende 
Stimmung, die alle Kreise Deutschlands und Österreich- 
Ungarns beherrscht, findet ihre Ursache nicht in der Neben 
sächlichkeit, daß England nicht schon am 1., sondern erst am 
4. August losschlug. Sie erwuchs aus der Hinterlist, mit 
der England den Ausbruch der Feindseligkeiten bis zur 
Vervollständigung der Mobilmachung seiner Verbündeten, 
besonders Rußlands, hinauszuzögern trachtete, aus dem 
Telegraphen- und Pressekrieg, in dem es die gewaltigsten 
Lügenminen gegen Deutschlands Ehre und Ansehen auf 
der ganzen Welt mit bitterstem Nachteil für uns und unsere 
Landsleute im Ausland zur Erplosion brachte, aus der alle 
Verträge zerreißenden Kampfesart zu See und zu Land, 
die neutrales Gebiet rücksichtslos verletzte, und ganz beson 
ders aus dem alle Kultur und alle Moral verleugnenden 
Versuch, Deutschland nicht im ehrlichen Kampf der Waffen 
und. der wehrfähigen Männer niederzuringen, sondern es 
durch den Hunger in erster Linie auch seiner Zivilbevölke 
rung, seiner Frauen und Kinder, zum Untergang oder 
zu ehrloser Unterwerfung zu zwingen. Diese Dinge haupt 
sächlich sind es, die die lodernde Flamme des ehrlichen 
Zornes gegen England genährt haben. Ein Volk, das sich 
eine solch verderbliche, in der Wahl der Mittel gewissenlose 
Bedrohung seines Lebens gleichmütig gefallen ließe, wäre 
nicht lebendig, verdiente nichts anderes als solchen Unter 
gang. Das deutsche Volk aber ist lebendiger und lebensfähiger 
als je in seiner Geschichte; es wächst durch Blut und Eisen 
3u seinem blütenreichsten Tage heran. Gerade der ehrliche 
Zorn gegen England ist es gewesen, der es zu dem höchsten 
Grad von Selbstzucht befähigt hat, den je ein Volk in der 
erst schwach den Ernst der Lage begreifende Kind für sein 
Vaterland sparte und zusammenhielt, so viel ihm nur mög 
lich war. 
Mit Genugtuung empfindet man daher auch in Deutsch 
land jeden Hieb, der auf den schuldbeladenen Rücken Eng 
lands fällt, und jubelnde Begeisterung begleitet jeden der 
zahlreichen Hauptschläge unserer Unterseeboote. Wie ein 
großer Sieg wurde besonders die Versenkung des Schnell 
dampfers „Lusitania" empfunden, der den ehrlosen Flaggen 
mißbrauch Englands eingeleitet und als Zubringer ameri 
kanischer Mordwaffen ein sehr reichliches Sündenkonto an 
gesammelt hatte. England heulte unter diesem wuchtigen 
Hiebe und fand in seiner Not einen guten Freund, der ihm 
den Rücken zu decken suchte: Amerika. Der Untergang der 
„Lusitania" ist der Beginn eines bedeutsamen Notenkampfes, 
den der Präsident der Vereinigten Staaten gegen die deutsche 
Regierung auszufechten suchte, angeblich zum Schutz der 
amerikanischen Gesamtinteressen, in Wahrheit aber bewußt 
oder unbewußt im Sonderinteresse der amerikanischen 
Waffen- und Munitionsfabriken. Mit hohen Worten hat 
der Präsident Wilson sich oft genug als Friedensapostel 
empfohlen, aber dennoch wird der Geschichtschreiber ihn 
einst als schwankende Erscheinung kennzeichnen müssen. 
Seine unsicher tastende Haltung erschwert natürlich sehr, 
die Flut der Geschehnisse und die Tragweite seiner Politik 
auf ihren Wert zu prüfen, so viel aber schien sicher, daß 
die amerikanische Regierung es nicht wagte, gegen Deutsch 
land ausgesprochen feindselig aufzutreten, geschweige los 
zuschlagen, weil sie praktisch Deutschland ja auch gar nicht 
viel größeren Schaden zufügen konnte als durch Duldung 
Gibraltar. 
Geschichte erreichte. Die grause Not, die sich durch Eng 
land über das Vaterland ergießen sollte, gab dem deutschen 
Krieger erst das volle Verantwortlichkeitsgefühl, gab ihm 
erst die volle reine Herzensfreiheit für seine schweren Auf 
gaben; die Drohung mit der Hungergeißel wirkte nicht er 
starrend auf die Tatkraft der Daheimgebliebenen, sie rief 
nun auch die letzten Träumer wach und reifte das ganze 
Volk zu der freudigen Unterwerfung unter all die ja nur 
scheinbar schweren, doch aber tief in das persönliche Leben 
der einzelnen eingreifenden gesetzgeberischen Maßnahmen 
über die Verteilung der notwendigsten Lebensmittel. Eng 
land hatte Schwäche und Verzagen säen wollen und hatte 
dadurch erreicht, daß in Deutschland auch der letzte Mann 
sprung- und kampfbereit wurde, daß auch die letzte Haus 
frau wirtschaftlich denken lernte und daß auch das letzte, 
Amerikan. Copyright 1916 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. 
III. Band. 
der Waffen- und Munitionsausfuhr. Aber abgesehen da 
von suchte sie durch fortgesetzte Noten auf Deutschland zu 
drücken, um eine Beschränkung des Unterseebootkrieges zu 
erreichen. Wider besseres Wissen verteidigte die ameri 
kanische Regierung den Standpunkt, daß die „Lusitania" 
ein unbewaffnetes Handelschiff gewesen sei und daß Bürger 
neutraler Staaten nicht durch dessen Kaperung und Zer 
störung in Gefahr gebracht werden durften, und verlangte 
im Interesse dieser neutralen Bürger, daß die deutschen 
Unterseebootkommandanten in Zukunft nichts tun sollten, 
was das Leben von Nichtkombattanten oder die Sicherheit 
neutraler Schiffe gefährden könnte, selbst auf die Gefahr 
hin, daß durch solche Rücksichtnahme die Kaperung oder 
Zerstörung des in Frage kommenden Schiffes vereitelt 
würde.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.