Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Phot. A. Karl Müller, Magdeburg-West. 
Französische Mine, die in einem Baume über einem deutschen Schützengraben hängen blieb 
und so nicht zur Explosion kam. Aus dem Graben aufgenommen. 
erprobten Tiroler Schützen von seiner Alrn aufgebrochen, 
aufwärts durch Latschen, Geröll und steile Schneerinnen, 
und während sie sich mit Steigeisen, Eispickel und Berg 
stöcken hinaufarbeiteten, schossen von unten die Italiener 
herauf, die offenbar das Geräusch vernommen hatten, aber 
in der Dunkelheit ihr Ziel verfehlten. Nach zweistün 
digem, anstrengendem Klettern erreichte die Patrouille 
im Morgengrauen die Spitze des Elferkofels, wo sie sich 
kurze Rast gönnte. Dann, als man den Rückweg durch 
italienische Posten gesperrt fand, wollte Jnnerkofler noch 
ein im Tale angelegtes Lager der Bersaglieri auskund 
schaften und auf Umwegen zu den Seinen zurückkehren. 
Alle zehn Mann folgten ihrem Führer; sie seilten ab 
und ließen sich über eine steile Schneerinne 300 Meter 
tief hinab. Unbehelligt erreichten sie einen Pfad in ein 
von den Italienern unbesetztes Seitental, aber als sie 
glücklich die erste Felsecke umklettert hatten, tat sich zu 
ihren Füßen ein tiefer Abgrund auf. 300 Meter tiefer 
befand sich das Zeltlager der Italiener. Den Rückzug an 
zutreten, war zu spät, denn durch herabfallende Steine 
aufmerksam gemacht, hatten die Italiener die kühne Pa 
trouille entdeckt und empfingen sie nun mit heftigem 
Gewehrfeuer. Sie suchte, so rasch es eben ging, den nächsten 
Felsgrat zu erreichen, um hier aus sicherer Deckung das 
Feuer der Italiener zu erwidern. Bevor sich die Pa 
trouille aber noch dem Feuerbereich der Bersaglieri entzogen 
hatte, wurde Sepp Jnnerkofler, der gerade Handgranaten 
auf den Feind schleudern wollte, von einer Kugel getroffen, 
er glitt aus, überschlug sich und stürzte in die Schlucht hinab. 
Der Artilleriebeobachterim Schützengraben. 
(Hierzu die Bilder Seite 498 und 499.) 
Der Stellungskampf hat für den Artilleristen ganz neue 
Methoden geschaffen. Der Kampf im Waldgelände hat den 
Artilleriebeobachter in den Schützengraben gewiesen. Man 
kann ruhig behaupten, daß heute das Feuer des größten 
Teils unserer Artillerie von der vordersten Linie aus ge 
leitet wird. 
Die Gründe hierfür sind sehr einleuchtend: die Front 
zerfällt in kleine Gefechtsabschnitte, jedem Abschnitt ist zur 
Unterstützung seine Artillerie zugewiesen,- diese hat im 
Verteidigungskrieg die Aufgabe, den Feind in geziemender 
Entfernung zu halten und ihm auf alle mögliche Weise 
Abbruch zu tun. 
Die Tätigkeit dieser vorgeschobenen Beobachter in vor 
derster Schützenlinie ist schwierig, gefahrvoll, aber auch 
lohnend. Ich habe sie in den langen Monaten des Stel 
lungskrieges genau kennen gelernt und will sie im folgenden 
etwas eingehender schildern. — 
Unter dem Schutz des Waldes reite ich mit einem 
kriegsfreiwilligen Unteroffizier als Hilfsbeobachter bis auf 
zwei Kilometer hinter die Jnfanterielinien 
heran. Dann wird der Wald lichter. Pätsch! 
pätsch! klappt es neben uns in die Buche. 
Die Pferde werden unruhig und wollen 
sich das Gepäck nicht mehr abschnallen lassen. 
Wir benutzen die linke Zugangsappe und 
werden uns dann in der vordersten Linie 
von rechts an unseren Beobachtungstand 
heranschieben. In fast regelmäßigen Zeit 
abständen streut ein französisches Feldgeschütz 
mit Brennzündern diese Sappe ab. Man 
benutzt die Feuerpausen, um möglichst rasch 
bis zur vordersten Linie durchzukommen. 
Dann geht's rechtsum den engen Graben 
entlang. Die abgelösten Jnfanterieposten 
schlürfen eben, behaglich niedergekauert, 
ihren Kaffee. Die Kontrolloffiziere rufen uns 
Scherzworte zu und wünschen uns Glück. 
Man sieht die Artillerie gerne im Graben. 
Kann sie doch immer helfen, wenn der 
Feind gar zu anmaßend ist. Endlich sind 
wir im Fernsprechunterstand, lassen uns 
die Vorkommnisse der Nacht schildern, hören 
noch rasch die neuen Gewohnheiten des 
Gegners — der Franzose arbeitet nämlich 
gern mit Überraschungen —, neue Beob 
achtungen im Schießen, auffallende Punkte 
im Gelände werden mitgeteilt, da — in 
der Richtung des linken Flügels ein furchtbares Ge 
töse, der Luftdruck schneidet scharf unser Gesicht. „Xte 
Batterie feuerbereit!" Dann wird der Fernsprecher ab 
genommen, ich eile im Laufschritt voraus, Hilfsbeob 
achter und Telephonisten mir nach, den Apparat unter 
dem Arm, dem linken Flügel zu. Inzwischen saust schon das 
zweite Ungetüm herüber und explodiert mit schrecklichem 
Krach ganz in unserer Nähe dicht hinter der Rückenwehr. 
Wir drücken uns an die Grabenwand, bis die Sprengstücke 
und Steine niedergefallen sind, eilen weiter und kommen 
an die Stelle, wo die erste Mine den Graben gesprengt und 
ihn auf einige Meter eingeschüttet hat. Wir selbst waren 
wenige Minuten zuvor an der Stelle vorbeigekommen. Nun 
bildet sie ein wüstes Durcheinander von Leichen, Stahlschilden, 
Steinen, Holzbalken, Sandsäcken, Uniformstücken. Endlich 
sind wir am linken Flügel. Meine Leute schalten den 
Fernsprecher ein, der Kompanieführer führt mich au eine 
Blende, wo er bereits ein Gewehr auf die Abschußstelle 
des Minenwerfers eingestellt hat. Eben hat schon die vierte 
Mine den Lauf verlassen, und sofort sausen zwei kleinere als 
Antwort in die Richtung, aus der der Schuß kam. Ich 
habe inzwischen Verbindung mit der Batterie und gebe 
Entfernung, Höhen-und Seitenrichtung zurück. — „Schuß!" 
Und alsbald jagt schon mit flacher Bahn die erste Granate 
dicht über unsere Köpfe weg und schlägt etwa fünfzig Meter 
vor uns ein. Beobachtung: etwas mehr rechts. Ich gebe 
Seitenkorrektur, und gleich kommt die zweite. Der Minen 
werfer hat die Pause benutzt, uns die fünfte Mine herüber- 
Zuschicken. Sie krepiert hinter der ersten Linie. Alles drückt 
sich an die Grabenwand. Mein zweiter Schuß lag genau 
in der Abschußrichtung. Ich konzentriere das Feuer meiner 
Geschütze, gebe Kommando: „Kürzere Feuerpausen!" zurück, 
und nun zieht's Schuß auf Schuß mit „Huju, huju, huju" 
dicht über uns weg. Jetzt haben w i r die Oberhand. 
Unsere kleinen Minen streuen die feindliche Linie rechts 
und links davon ab und setzen Volltreffer in den Graben. 
Ich lege in der Entfernung noch etwas zu. Es dauert 
einige Sekunden, bis der nächste Zünder umgestellt ist, und 
schon hat der Gegner die Pause benutzt, um aus seiner 
Deckung herauszugehen und uns eine neue Mine herüber 
zuschicken. Doch sie geht zu kurz. Der Franzmann hat 
offenbar seinen Mörser etwas nach rückwärts gebracht, denn 
ich kann den Abschuß nicht mehr sehen. So reißt der Kurz 
schuß ein großes Loch zwischen den beiden Gräben, indes 
meine Batterie mit der neuen Entfernung lebhaft weiter 
feuert. Dann ein neues, wohlbekanntes Heulen in der Luft: 
das Flankierungsgeschütz unserer schweren Artillerie. Auch 
dieses will die Opfer rächen. Der Schuß lag gut. Die 
Sprengstücke fliegen bis zu uns herüber. Der Kampf wird 
nun so lebhaft, daß wir erst durch den Fernsprecher darauf 
aufmerksam gemacht werden müssen, daß unser rechter Flügel 
von feindlicher Artillerie bestreut wird. Ich muß den
	        
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