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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
des österreichisch-ungarischen Regiments Nr. 49 aber wagte
sich an den Abbau des Zuges. Dabei erbeutete es zwei Ma
schinengewehre nebst japanischen Revolvern und Gewehren
und fand auch viel Munition und Kriegsgerät. Die Russen
liehen sich aber durch die fortwährenden Schlappen nicht
entnintigen. Mer Rowno führten sie immer wieder neue
Verstärkungen an die ganze Front in Wolhynien und Ost
galizien heran. Bei Czartorysk durchstießen sie mit un
widerstehlicher Wucht eine Stellung der österreichisch-unga
rischen Truppen und erschienen plötzlich im Rücken der
deutschen Artillerielinie. Dabei gingen sechs Geschütze ver
loren, die bei der plötzlich sehr kritisch gewordenen Lage
nicht mehr zu retten gewesen waren.
Die Russen waren geneigt, diesen Elücksfall vom 20. Ok
tober, der ihnen, wie sie in ihren Berichten ausdrücklich
hervorhoben, sogar über deutsche Truppen einen Erfolg
gebracht hatte, als großen Sieg auszurufen. Sie versprachen
sich davon besonders auf die Rumänen einen günstigen Ein
druck. Glaubten sie doch sichtlich bewiesen zu haben, dah
das russische Heer keineswegs zusammengebrochen sei, son
dern noch die ungeschwächte Wucht seiner Angriffskraft be
sitze und immer wieder eine erfolgreiche Durchbruchsbewe
gung aufnehmen könne. In diesen Tagen tauchten sogar
immer bestimmter lautende Nachrichten auf, dah die Russen
über 600 Gefangenen durch deutsche und von 1600 Mann
mit 11 Offizieren durch vereinte deutsche und österreichisch
ungarische Streitkräfte.
Nahmen so auf dem südlichen Schauplatz die Dinqe für
die verbündeten Heere trotz eines anscheinenden Erfolges
der Russen wieder eine entschieden günstige Wendung, so
waren auch auf der Front der Heeresgruppe Hindenburg
nicht nur alle russischen Unternehmungen erfolglos, sondern
die Deutschen kamen ihrerseits in zielbewuhten, gut vor
bereiteten Stützen langsam, aber mit großer Stetigkeit voran.
Die Russen gaben sich die denkbar größte Mühe, sie im
Vordringen aufzuhalten, richteten Gegenangriffe auf die
aufgegebenen Stellungen und schickten sich sogar zu einem
verwegenen Landungsversuch von der See her an. Bei
Dowesnees landeten nicht unbeträchtliche russische Streit-
kräfte. Als sie aber von dem Anmarsch stärkerer deutscher
Truppenkörper hörten, gingen sie am 23. Oktober wieder
auf ihre Schiffe zurück. An diesem Tage hielten die Deut
schen auch die Zeit für gekommen, nordwestlich von Düna
burg, bei den vielumkämpften Stellungen von Jllurt, die
Frucht wochenlanger Anstrengungen zu ernten. Das Glück
war ihnen dabei günstig. Sie warfen den Gegner in wuch
tigem Ansturm nordwestlich von Dünaburg aus seinen Stel
lungen und erstürmten Jllurt. Dabei erlitten die Russen
äußerst schwere Einbußen
an Toten und Verwun
deten und verloren außer
dem noch 18 Offiziere,
2940 Mann, 10 Maschi-
nengewehreund IMinen-
werfer. Dieser deutsche
Erfolg spornte die Russen
in den nächsten Tagen zu
lebhafter Eegentätigkeit
an. Am 24. Oktober stei-
gertendie Deutschendabei
die Zahl ihrer Gefange
nen auf 22 Offiziere und
3705 Mann, die der er
beuteten Maschinenge
wehre auf 12. Mer Jllurt
hinaus kam es zu hef
tigen Kämpfen, die vor
erst unentschieden hin und
her wogten. Nördlich von
Jllurt handelte es sich
besonders um das Ge
höft von Kasimirschki,
das bald den Deutschen,
bald den Russen gehörte,
am 25. Oktober aber fest
«ot. A. Grohs, Berlin. in der Hand der Deut
schen blieb. Auch bei
Gabunowka vermochten sie sich erneuten Vorsprung zu
sichern.
Unterdes war von den verbündeten Truppenteilen bei
Czartorysk mit sichtlichem Erfolge weitergefochten worden.
Sie kamen in immer größere Nähe der Stadt. Doch stets
brachten die Russen noch genügende Truppenmnssen für
Gegenstöße zusammen, die sich über ganz Wolhynien aus
dehnten. Als Hauptpunkte des Durchbruchsversuchs ergaben
sich immer wieder die Stellungen der Verbündeten am
unteren Styr zwischen Czartorysk und Kolkt, im Sumpf
gebiete dieses Flusses und im Winkel zwischen dem oberen
Sereth und der oberen Jkwa im südlichen Wolhynien.
Neu herangeführte russische Kerntruppen lieferten hier
wieder Beweise großen opferbereiten Mutes. Jetzt waren
von der übrigen Front auch vermehrte Artilleriemassen her
beigezogen worden, die die Infanterie angriffe mit großer
Munitionsverschwendung vorbereiteten. Die Russen warfen
Unmengen an Geschossen aller Kaliber auf ganz gering
fügige deutsche und österreichisch-ungarische Frontabschnitte.
Diese heftige Artillerietätigkeit verriet nur zu deutlich, wie
viel ihnen daran lag, hier auf der südlichen Kampffront
zu einem befriedigenden sichtbaren Erfolg zu kommen. Das
Endergebnis all dieser Mühen war aber in diesem Falle
weniger als Null, insofern die Russen sogar Gebiet verloren.
Die ungeheuren Menschenopfer, die sie brachten, verschafften
ihnen immer nur vorübergehenden Gewinn. So räumten
die Österreicher und Ungarn bei Nowo-Aleksini am 23. Ok-
Erbeutete fahrbare russische Schießscharten.
durch einen Angriff auf Bulgarien vom Schwarzen Meere
aus durch Rumänien hindurch auch den Serben in ihrer
schwerbedrängten Lage Rettung zu bringen gedächten. Die
Gerüchte verdichteten sich zu so bestimmten Nachrichten, daß
sogar schon der Name des Heerführers genannt wurde. Der
russische General Dawidow sollte bei Odessa 250000 Mann
zusammengezogen haben, mit deren Einschiffung bei Odessa,
Chersson und Jalta begonnen sein sollte. Als Landeplätze
waren sowohl Punkte an der Küste des Schwarzen Meeres
wie auch am Donauufer in Aussicht genommen. Doch
General v. Linsingen hatte bei Czartorysk längst einen
umfassenden Gegenstoß angesetzt. Trotz schleunigst herbei
geführter großer Verstärkungen mußten die Russen weichen,
verloren am 21. Oktober 19 Offiziere und 3600 Mann als
Gefangene und ließen als weitere Beute 1 Geschütz und
8 Maschinengewehre zurück. Die Verfolgung wurde mit gro
ßem Nachdruck in der Richtung auf Czartorysk durchgeführt.
Besonders peinlich begann den Russen auch der Druck zu
werden, den Linsingen, während in Ostgalizien die Front
im großen und ganzen stand, mit Beharrlichkeit und Erfolg
gegen den rechten Flügel der Russen ausübte. Sie ver
loren erneut Gebiet und Leute, ohne einen einzigen ihrer
Erfolge als durchschlagende Entscheidung aufrechterhalten zu
können. Es war ein kurzer Siegestraum des Generals Iwa
now, und der Hilfsplan für Serbien wurde vorläufig wieder
aufgegeben. Die Verfolgung der Russen brachte am 22. Ok
tober die Eroberung von Kolkt und die Wegnahme von