Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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endlich Stupnica und Letynca an der Straße nach Drohobycz, 
bis die Russen hinter das brennende Brigidau, eine deutsche 
Siedlung, geworfen waren und infolgedessen die Stadt 
Stryj selber nach kurzen Straßenkümpfen räumen mußten. 
Schwer geschlagen, nach Verlust von 53 Offizieren und 
9182 Mann als Gefangenen sowie von 8 Geschützen und 
15 Maschinengewehren, zogen sie sich an die Dnjestrüber- 
gänge bei Zydaczow und Zurawno zurück, die nunmehr 
das nächste Ziel der unermüdlichen Südarmee bildeten und 
schon in der Zeit von einer Woche genommen wurden. Mit 
welchem Jubel die einrückenden Befreier in Stryj begrüßt 
wurden, kann man sich leicht ausmalen. 
General der Infanterie Graf Felir v. Bothmer (Bild 
Seite 27), dessen Name für immer mit der Geschichte der 
Eroberung von Stryj verknüpft sein wird, stammt aus einer 
alten bayerischen Soldatenfamilie, aus der schon mehrere ver 
dienstvolle Generale hervorgegangen sind. Ein Onkel von ihm 
befehligte im Jahre 1870 die Vorhut der 3/deutschen Armee 
bei Weißenburg und errang sich auch weiterhin Lorbeeren 
bei Wörth, Sedan und vor Paris; der Vater des Siegers 
von Stryj war Generalleutnant und Generalquartiermeister. 
Dieser selbst steht jetzt im 63. Lebensjahre und war bei 
Kriegsausbruch als General z. D. Generalkapitän der bayeri 
schen Hoftruppe, der Hartschierenleibgarde. Er trat 1871 
in Nürnberg beim 14. Infanterieregiment als Fahnenjunker 
ein und war später Kompaniechef im Jnfanterieleibregiment, 
bis er 1890 in den Generalstab des 2. bayerischen Armeekorps 
berufen wurde. In der Folge arbeitete er im bayerischen 
Kriegsministerium, im preußischen und bayerischen General 
stab; 1901 erhielt er das Leibregiment, 1903 die 2. Infanterie- 
brigade in München. 1905 wurde er dann zum General 
leutnant, 1910 zum General der Infanterie befördert. Zu 
seinem Erfolg bei Stryj sandten ihm sowohl König Ludwig 
von Bayern als auch König Friedrich August von Sachsen 
Glückwunschtelegramme. 
Höhere Stäbe. 
Von Paul Otto Ebe. 
(Hierzu die Bilder Seite 37.) 
Die höheren Stäbe — das Gehirn, die niederen — das 
Herz, die Truppen — die Glieder. So ließe sich die Tätig 
keit und das Zusammenarbeiten der verschiedenen Kom 
mandostellen am besten vergleichen. Erstere denken die 
großen, wichtigen Operationspläne aus. Diese gehen dann 
den niederen Stäben auf dem Dienstwege zu, die sie ins 
Praktische umsetzen und durch die Truppen unter ihrer 
Leitung zur Ausführung bringen. 
Um in den für den Laien so verwirrenden Benennungen 
etwas klarer zu sehen, seien nachfolgend die Stäbe auf 
gezählt. Diese Stufenleiter ist jedoch nur als Beispiel an 
zusehen, da es auch viele Ausnahmen gibt. Der niederste 
Stab ist der Kompaniestab. Hierauf folgen: Bataillons-, 
Regiments-, Brigade-, Divisionsstab. Der nächst höhere 
Stab ist das Generalkommando, dem die Truppen eines 
Armeekorps unterstellt sind. Noch höher ist das Armee 
oberkommando, das über einige Armeekorps befiehlt und 
nur noch der obersten Heeresleitung untersteht. Als Aus 
nahme kann man es bezeichnen, wenn beispielsweise eine 
Brigade unmittelbar dem Armeeoberkommando untersteht 
oder ein Bataillon unmittelbar der Brigade. 
Die sechs Aufnahmen Seite 37 führen uns zu einem 
Generalkommando. Wir sehen auf dem ersten Bilde den 
Stab bei der Arbeit. Der kommandierende General, Er- 
zellenz v. Emmich, der Eroberer Lüttichs, gibt Befehle an 
Hand der Karte. Im Vordergrund steht ein Scherenfern 
rohr, mit dem sich Sprengwölkchen am fernen Horizont, der 
Abmarsch eigener Truppen, die zum Eingreifen in Marsch 
gesetzt wurden, auffahrende Batterien und dergleichen bis 
zu 12 Kilometer Entfernung gut beobachten lassen. 
Das zweite Bild zeigt uns die Übermittlung der schrift 
lich ausgearbeiteten Befehle an die unterstellten Divisious- 
stäbe. Der Telephonist hat nicht immer leichte Arbeit. 
Er wird oft auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Haupt 
sächlich wenn mehrere Ortsnamen im Befehl vorkommen, 
die der Empfänger durchaus nicht versteht. „Jetzt passen 
Sie doch mal auf! Kowotschisk heißt das Nest! Ich buch 
stabiere: K wie Karl, O wie Otto, W wie Willi ... Ver 
standen? Na, das ist ein Glück!" Wer will dem Braven 
einen Seufzer der Erleichterung übelnehmen, wenn der 
Angeredete endlich alles bis zum letzten Satz nochmals zur 
Probe wiederholt hat! Anderseits, was nützt der beste Be 
fehl, wenn er falsch, verstümmelt oder unverständlich bei der 
Stelle anlangt, die danach handeln soll und schnell handeln 
muß? Auch über sämtliche anderen technischen Nachrichten 
mittel verfügen die höheren Stäbe. 
Um dem Leser ein anschauliches Bild zu bieten vom 
Leben und Treiben bei einem höheren Stabe, sei ein Tages 
lauf kurz beschrieben. Noch ist Mitternacht kaum vorüber, 
so beginnt es sich schon wieder in einzelnen Gehöften, kleinen 
Dörfchen oder schönen, vom Besitzer verlassenen Schlössern 
zu regen. Trübe Lichter flammen hinter den Fensterscheiben 
auf. Türen knirschen in den Angeln. Schritte poltern. 
Schwerfällig schieben sich feldgraue Autos aus Scheunen oder 
leeren Stallungen. Dunkle Gestalten sind an ihnen be 
schäftigt. Offiziere kommen mit dickbauchigen Satteltaschen, 
falten Karten zurecht und lassen sie in den Kartentaschen 
verschwinden. Ein Motor wird plötzlich angeworfen, und 
kurz darauf gleitet ein vollbesetzter Kraftwagen hinaus ins 
Dunkel. Ein zweiter. Ein dritter. Andere folgen. 
Allmählich beginnt es zu tagen. Man trifft auf dem 
Eefechtstande (drittes Bild) ein, wo Fernsprechleitungen 
von 30 Kilometer Draht — manchmal noch mehr — von 
allen Seiten her zusammenlaufen. Auch der Stab des 
Armeeoberkommandos kommt zum Beobachtungstand der 
Division, deren Herren schon seit 4 Uhr morgens nach kurzem 
Ritt zur Stelle sind. Die weniger wichtigen Nachtmeldungen 
(viertes Bild) werden verlesen. Man prüft die Kartenein 
zeichnungen der eigenen und der feindlichen Truppen noch 
mals, bespricht die eingetretenen kleinen Veränderungen, 
den Zustand der Truppen, die Aussichten des Kampfes. 
Das Jnfanteriefeuer knattert lebhafter. Die Geschütze 
beginnen zu krachen und scheinen sich Rede und Antwort 
zu stehen. Nach und nach weitet sich die Fernsicht. Eine 
Hügelkette nach der anderen wird entschleiert. Die Sonne 
bricht sich Bahn. Tü! tü! meldet sich der Fernsprecher und 
wird sofort bedient. Truppen ziehen auf den weiß schim 
mernden Straßen feindwärts, unseren Schützengräben zu. 
Sie sind ernst, aber getrost und voll Zuversicht. Es sind 
ganz junge Regimenter und doch gute Soldaten. 
Vorn wächst der Gefechtslärm. Am Horizont tauchen 
weiße runde Wölkchen auf, werden größer und vergehen. 
Man sieht es, ohne auf sie besonders zu achten. Sie be 
völkern den eintönig blauen Sommerhimmel. Es sind 
Schrapnellbrennzünder, die ihre Kugeln aus luftiger Spreng- 
höhe säen. Zschpumm! kracht es vom vorliegenden Höhen 
kamm herüber. Dort sprüht eine schwarze Garbe auf und 
verdunkelt für Augenblicke die Aussicht nach jenem Gelände- 
streifen. „Aha! das große Geschütz ist auch schon wach." 
Es wird das Geschoß einer feindlichen schweren Haubitze 
gewesen sein. Dort drüben macht schon wieder eines dieser 
Geschosse seinen ersten und letzten Kopfsprung. Hei, wie 
die Erdklumpen in die Höhe fliegen! 
Meldende Offiziere kommen und gehen. Der Fern 
sprecher will sich gar nicht beruhigen. Man hört sein 
monotones, nervenaufreizendes Tü! tü! trotz des Kampf 
lärmes. Artillerie- und Jnfanteriemunitionskolonnen rattern 
auf der Straße hinaus. Verwundetenautos kommen ihnen 
entgegen und fahren haarscharf an ihnen vorbei. Aber sie 
verstehen ihr Handwerk tadellos. Es ist gar nicht so un 
gefährlich, wie die Leute meinen, die über die „Kolonnen 
schleicher" spötteln. Ich sah schon manches Autograb mit 
dem üblichen Durcheinander von verbogenen Eisenteilen und 
brandgeschwärzten Karosserien an Stelle des Grabsteins über 
dem Hügel. 
Der Tag wird heiß. Die friedensmäßige Mittagszeit 
ist schon längst vorüber. Endlich naht sich die Verpflegung. 
Das kärgliche Mahl mundet ausgezeichnet, wie aus dem 
fünften unb sechsten Bilde ersichtlich. Umstände werden 
nicht gemacht. 
Immer heftiger wird das Feuer. Von den Neben 
divisionen laufen gute Meldungen ein. Der Gegner scheint 
fast erschüttert zu sein. Das ist der Anfang vom Ende. Der 
Fernsprecher hat unaufhörlich gearbeitet. Da nimmt plötzlich 
der Generalstäbler das Hörrohr. Es sind anscheinend sehr 
wichtige Meldungen. Er horcht und blickt auf die Karte. 
Dann verlangt er schleunigst eine andere Verbindung. Ja, 
wenn das so rasch ginge! Da summt und surrt es durch 
einander. Artilleriemeldungen, Anfragen über Verpflegung 
und so weiter. „Schluß mit den Gesprächen! Das Armee-
	        
Waiting...

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