Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15 
IFcryetzungy 
In England begann man jetzt mehr und mehr einzu 
sehen, daß der Weltkrieg das Land vor ganz unerwartete 
Aufgaben stellte. Man sah sich in einen Krieg verwickelt, 
in d:m zum erstenmal nicht die Flotte die Entscheidung 
bringen konnte, in dem auch die Hilfskräfte, die England 
sich auf dem Lande durch geschickte Bündnisse geschaffen 
hatte, mit dem Gegner nicht fertig zu werden vermochten. 
So mußte England gegen seinen Willen in Flandern und 
an den Dardanellen selbst große Opfer bringen. Dennoch 
näherte sich die an Zahl und Gebiet gewachsene Gegner 
schaft mehr und mehr seinen empfindlichsten Kraftquellen: 
Ägypten und Indien! Das verhehlte man dem englischen 
Volke auch nicht, im Gegenteil, Blätter wie die „Daily Mail" 
glaubten, durch möglichst schreckhaftes Ausmalen der deut 
schen Gefahr für Indien die junge Männerwelt in England 
aufrütteln zu können, daß sie sich in die Werbelisten ein 
trügen, und so ihrem Ziele, der allgemeinen Wehrpflicht, 
näher zu kommen. England dachte daran, auch eine ach 
tunggebietende Landmacht zu werden, und vermeinte es 
mit Kitcheners Millionenheer und den Milliardenausgaben 
auch schon zu sein. Die englische Flotte, die das ausschlag 
gebende Werkzeug für die Ziele Englands sein sollte, als 
unüberwindliches, furchtgebietendes Machtmittel Jahrzehnte 
hindurch auch gewirkt hatte, kam tatsächlich vorläufig wenig 
stens nicht einmal für die englische Verteidigung, noch weniger 
aber für den englischen Angriff in Betracht. Die Torpedorohre 
der rührigen deutschen Unterseeboote hielten sie sicher und 
fest in Schach, die britische Unbezwinglichkeit zur See war 
ein Märchen geworden. Allerdings rühmte die britische 
Admiralität von ihrer Flotte, sie habe die „ihr zugedachten 
Aufgaben" vollständig erfüllt. Stolz schrieb sie sich nicht 
nur die Vernichtung der wenigen deutschen Kreuzer zu 
gute, die zur Zeit des Kriegsausbruches auf dem Welt 
meere Taten unvergänglichen Ruhmes vollbracht hatten, ehe 
nach monatelangem Ringen die Übermacht der vereinigten 
englischen, französischen und japanischen Flotten ihrer Herr 
geworden war, sondern rechnete sich auch die Wegnahme 
einiger deutschen Kolonien an. 
Aber gerade bei dem Wort Kolonie mußten die Eng 
länder im Oktober und noch mehr im November an ihre 
Schwächen denken. Der Kriegschauplatz hatte sich durch 
die Vereinigung der Mittelmächte mit den Bulgaren und 
Türken gewaltig weit vorgeschoben, Englai d war in Ägypten 
bedroht. Die englische Flotte konnte nimmermehr einen 
mit großartigen Mitteln unternommenen Versuch der Über 
schreitung des Suezkanals hindern (siehe untenstehendes Bild 
und Bild Seite 463). Ebensogut möglich wie ein Vorstoß nach 
Ägypten und damit nach Englands afrikanischem Besitz wurde 
nunmehr aber auch ein Vorstoß auf dem Landwege durch 
Mesopotamien nach Indien. Was sollte da die Flotte nützen! 
Was hatten die Engländer davon, daß sie trotz des Ver 
lustes von rund 50 Kriegschiffen seit Kriegsausbruch mit 
rund 300000 Tonnen den Bestand ihrer Flotte von 57 Linien 
schiffen mit 1017000 Tonnen Rauminhalt auf mindestens 
62 Linienschiffe mit 1 238 400 Tonnen gebracht hatten! 
Konnte die Flotte vielleicht Ägypten und Indien schützen? 
Sie konnte es nicht. Damit war der wichtigste Untergrund 
für die Weltmachtstellung Englands erschüttert. 
Selbst in dem Gebiete, das die englische Flotte überlegen 
beherrschen sollte, gelang auch im November hier und da 
ein überraschender Erfolg der deutschen D-Boote. Nördlich 
von Dünkirchen im Kanal wurde am 9. November ein fran 
zösisches Torpedoboot durch ein deutsches D-Boot versenkt. 
Unter dem Datum des nächsten Tages mußten die Eng 
länder die Torpedierung der englischen Regierungsjacht 
„Irene" melden. Der eigentliche Kampfplatz der 0-Boote 
gegen die englische Kriegsflotte, die ja auch sämtliche Handel 
schiffe umfaßte, da diese ausnahmslos bewaffnet waren, 
war aber entsprechend der Verlegung des Schwerpunktes in 
der Landkriegführung nach dem Balkan das Mittelländische 
Meer geworden. Dort gelang es einem deutschen D-Boot 
am 5. November, an der nordafrikanischen Küste den eng 
lischen Hilfskreuzer „Para", der 6322 Tonnen maß, zu 
versenken. Am 6. November fanden im Hafen von Solum 
die beiden mit je zwei Geschützen bewaffneten englisch 
ägyptischen Kanonenboote „Prince Abbas" und „Abdul 
Menem" dasselbe Schicksal. Das große deutsche D-Boot 
griff diese Kriegschiffe überraschend an und vernichtete sie 
durch Geschützfeuer. Es geriet auch in den Kampf mit 
einem bewaffneten Handelsdampfer der Engländer, brachte 
das englische Feuer zum Schweigen und führte die Kanone 
des versenkten Schiffes als gute Beute heim. Fast täglich 
trafen Meldungen vom Untergang englischer und franzö 
sischer Transportschiffe im Mittelmeer ein; der ganze Mittel 
meerhandel war empfn blich gestört. Die Engländer ver 
kündeten ihrerseits, daß sie den Handel Deutschlands mit 
Schweden durch ihre D-Boote in der Ostsee lahmgelegt 
hätten. Sie wollten nicht nur Handelschiffe, sondern auch 
wieder neue deutsche Kreuzer, zum Beispiel den Kreuzer 
„Frauenlob", versenkt haben. Die deutsche Regierung trat 
diesen Berichten aber mit dem Nachweis entgegen, daß kein 
deutscher Kreuzer oder ein anderes deutsches Kriegschiff 
in der Ostsee von Engländern oder Russen versenkt worden 
sei. Dagegen wurde von deutscher Seite am 5. November 
am Eingang des Finnischen Meerbusens das Führerfahrzeug 
einer russischen Minensuchabteilung in den Grund gebohrt. 
Phot. Leipziger Presse-Büro. 
Ein Lager türkischer Truppen in der Gegend des Suezkanals. 
Amerikan. Copyright 1916 by Union Deutsche Verlagsgesellschast in Stuttgart. 
III. Band. 
70
	        
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