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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
der Truppe besser als mit einem Gnadenschuß durch auf
merksame Pflege und ärztliche Behandlung geholfen werden
kann. So gesellten sich zu den Pferdedepots die Pferdelaza
rette, die in keinem künftigen Kriege mehr fehlen werden, nach
dem sie die Kriegserfahrungen des jetzigen ins Leben riefen.
Das erste unserer Bilder auf Seite 457 führt uns durch
den Eingang des Pferdelazaretts eines
Reservekorps an der Westfront. Je
nach Größe der Anlagen und nach
dem Bedürfnis des zugehörigen Front
abschnittes befinden sich mindestens
mehrere hundert, teilweise jedoch so
gar 2000 bis 3000 Pferde in Pflege,
wenn das Lazarett in seiner vollen
Tätigkeit ist.
Am einfachsten zu behandeln sind
die Pferde, die infolge von Überan
strengung, Wassermangel, Unterernäh
rung oder nicht zusagender Fütterung
entkräftet sind. Der Prozentsatz dieser
Pferde ist nicht gering, denn der Krieg
kennt keine Schonung der Pferde, wie
sie im Frieden durchführbar war, wenn
sich Abmagerung, Freßunlust, ständiges
Zittern und ähnliche Anzeichen ein
stellen. — Schwere Kaltblüter sieht
man oft in den Pferdelazaretten, die
trotz ihres großen Umfanges nur noch
Haut und Knochen haben, beständig
am ganzen Körper zittern und völlig
ausgepumpt sind.
Andere Tiere tragen tiefe Fleischwunden, haben noch
Granatsplitter und Schrapnelltu ^eln im Leib oder sind durch
Sattel- sowie Eeschirrdruck aufgescheuert und mit Geschwüren
bedeckt.
Die beiden folgenden Bilder zeigen die Vorbereitungen
zu einer Operation. Der Pferdepatient wird auf ein vor
her gerichtetes Strohlager zu Fall gebracht, indem vier Sol
daten die rechte Vorderhand am Boden hin nach links
ziehen, während vier andere die linke Vorderhand durch
ein über den Pferderücken
geworfenes Seil nach rechts
ziehen. Hierauf wird das
Pferd durch Festhalten des
Halses — ohne dessen Hilfe
es sich nicht erheben kann
— auf das Strohlager ge
drückt und die nötigen
Fesselungen vorgenom
men. Dann kann der Tier
arzt seine Arbeit beginnen.
Sehr gut bewährt hat
sich das Naturheilverfah
ren bei vielen inneren
Erkrankungen und den
Schwächezuständen. Acht
und Luftbäder, Diätkuren,
regelmäßiges Leben, einige
Tage Ruhe, Bäder, gutes,
kräftiges Futter und ein
warmer, sorgfältig gelüs
teter Stall bringen auch
ein physisch zusammen
gebrochenes, felddienstun
fähiges Pferd rasch wieder
in den Vollbesitz seiner
Kräfte. Als Beispiel sei
angeführt, daß ein Pferd, das kaum mehr laufen, noch
weniger Lasten ziehen konnte, schon nach elf Tagen wieder
nach Herzenslust galoppierte, Hindernisse nahm und wie
der schwere Lasten zog. Sein Körpergewicht hatte sich inner
halb dieser Zeit um annähernd 180 Pfund gehoben!
Die Kriegsmarken der Stadt Warschau.
(Siehe die Abbildungen auf dieser Seite.)
Rach der Einnahme Warschaus gab das Bürgerkomitee,
dem die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Stadt an
vertraut war, eine Anzahl Marken für den Stadtpostverkehr
aus, zunächst solche zu 5, 6 (zwei verschiedene Ausgaben der
Kriegsaushilfsmarken, herausgegeben vom
Warschauer Bürgerkomitee.
Das kleine gemeinsame Wappen Österreich-Ungarns.
Nach einer Originalzeichnung von Professor Hugo Ströhl.
5-Eroschen-Marke mit Überdruck) und 10 Groschen, später
auch solche zu 2 und 20 Groschen. Die 5- bzw. 6-Eroschen-
Marke zeigte ein wehrhaftes Fabelwesen mit gehobenem
Schild und Krummschwert, die 10-Groschen-Marke den
altpolnischen Adler, die zu 2 Groschen die Weichselbrücke
vor der Sprengung, die 20-Groschen-Marke, die im be
sonderen zum Frankieren von Eil
briefen in der Stadt diente, das Denk
mal Johann Sobieskis im Lazienkipark
zu Warschau. Die Buchstaben K. 0.
M. W. bedeuten „Konntet Obywa-
telski Miastra Warszawy" (Bürger
komitee der Stadt Warschau). Der
hohe Nennwert der Marken ist aber
nur scheinbar, denn der polnische
„Großen" ist nicht etwa 10 Pfennig
wert, sondern nur wenig mehr als
1 Pfennig. Die Verwendung dieser
Marken hörte natürlich mit Einfüh
rung der geregelten deutschen Post auf.
Die neuen
gemeinsamen Wappen
Österreich-Ungarns.
(Hierzu das Bild auf dieser Seite.)
Der Weltkrieg hat für Österreich-
Ungarn auch die seit fast einem halben
Jahrhundert (1869) schwebende Frage
nach einem gemeinsamen Wappen ge
löst. Bisher führten die gemeinsamen
Ämter und auswärtigen Vertretungen den bekannten ge
krönten Doppeladler, der aber von den Ungarn nie aner
kannt wurde. Durch ein kaiserliches Handschreiben, ver
öffentlicht am 12. Oktober 1915 in der amtlichen „Wiener
Zeitung", ist nun diese Angelegenheit geregelt worden, in
dem für die erwähnten Behörden sowie für die Fahnen
künftig das „gemeinsame kleine Wappen" zur Anwendung
kommt. Es zeigt links auf goldenem, von der österreichischen
Kaiserkrone überhöhtem Schild den Doppeladler, auf dessen
Brust das österreichische
Wappen (roter Schild mit
silberner Querbinde) —
rechts unter der Stephans
krone mit dem bekannten
schiefen Kreuz das unga
rische Wappen (links Rot-
Silber achtmal wagrecht
gestreift, rechts silbernes
Doppelkreuz über einem
goldgekrönten grünen Berg
auf rotem Schild) — beide
Wappen vereint durch das
kaiserliche Hauswappen,
nämlich unter der Königs
krone und umgeben von
der Ordenskette des Gol
denen Vlieses ein zwei
mal senkrecht gespaltener
Schild, darauf links das
alte Habsburger Wappen
(blau gekrönter roter Löwe
in Gold), in der Mitte
die österreichische silberne
Querbinde auf Rot, rechts
das lothringische Wappen
(drei silberne gestümmelte
Adler auf rotem Schrägbalken über goldenem Grund) —
endlich die Unterschrift „Indivisibiliter ac inseparabiliter“,
das heißt: Untrennbar, weder durch äußere noch durch
innere feindliche Kräfte. Beim neuen „mittleren Wap
pen" zeigt dann der Brustschild des Adlers statt des ein
fachen Rot-Silber-Rot die Wappen der im Reichsrat ver
tretenen Königreiche und Länder, und dementsprechend
der ungarische Schild auch die Wappen von Kroatien,
Slawonien, Siebenbürgen und so weiter, überlegt mit
dem beschriebenen ungarischen Schild, ferner reichere äußere
heraldische Verzierungen. Der Entwurf des großen öster
reichischen und großen gemeinsamen Wappens ist für später
vorbehalten.