Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Band dieses Beutels, trügt er auf der Brust einen browning 
artigen Revolver. Im Gürtel befindet sich ein langes Messer 
in der Scheide. Die Tätigkeit dieser Grenadiere, auf die 
die Bewaffnung natürlich zugeschnitten ist, besteht darin, 
die feindlichen Unterstünde nach einem Sturm mit Hand 
granaten zu bearbeiten, um die Besatzung zu töten oder 
gefangen zu nehmen. Ferner gehört dazu das schnelle Ent 
waffnen der Überrumpelten, um sie nach rückwärts zu 
bringen. Die nämlichen Aufgaben fallen selbstredend auch 
unseren deutschen Soldaten beim Stürmen der feindlichen 
Gräben zu. Doch ist bei uns jeder Infanterist mit den 
neuen Kampfarten vertraut, so daß wir nicht nötig haben, 
wie die Franzosen „besonders intelligente Leute von raschester 
Entschlußfähigkeit, höchster körperlicher Gewandtheit und 
kühnsten Gedanken" in besonderen Regimentern zu vereinigen. 
Was uns jedoch an der neuen französischen Ausrüstung 
am meisten fesselt, ist ihre Kopfbedeckung. Das Käppi 
ist dem Adrianstahlhelm gewichen. Uber 2 1 , l 2 Millionen 
dieses 670—750 Gramm schweren Helmes sind bereits im 
Gebrauch. Auch die Trümmer der belgischen Armee haben 
einige geschenkt bekommen, mit einem Löwenkopf statt der 
französischen Granate. Die Abbildungen 1—6 auf Seite 415 
zeigen Helme, die nach französischen Mitteilungen ihren Trä 
gern das Leben gerettet haben, indem die Besitzernicht getötet, 
Hand über die soldatische Klugheit, und es entstehen ohne 
vorhergehende Vereinbarung von selbst Gefechtspausen, in 
denen sich die Gegner vereint um die Verwundeten und 
Gefallenen bemühen. Ein solcher Vorfall sei hier nach dem 
Feldbrief eines Landsturmmannes aus Düsseldorf-Oberkassel 
geschildert, den er nach einem der ungemein heftigen An 
griffe während der großen englisch-französischen Offensive 
im September-Oktober 1915 an seine Frau schrieb: 
„Als es Mittag wurde, setzte Trommelfeuer von unbe 
schreiblicher Gewalt ein. Wir rechneten damit, daß unsere 
9. Kompanie im vorderen Graben einer solchen Hölle 
unmöglich standhalten könne; deshalb eilten wir, als dann 
das Sperrfeuer einsetzte, sofort an unsere Brustwehr, jeder 
mit ein paar Handgranaten versehen. Aber unsere Neunte 
hielt heldenmütig aus und schlug noch den ersten nun fol 
genden Angriff glatt ab. Danach wurde sie verstärkt, 
schließlich ganz abgelöst, während wir nach vorn geholt 
wurden. Da die Franzosen sich jetzt ruhiger verhielten, 
konnte, während die eine Hälfte von uns scharf Ausguck 
hielt, die andere daran gehen, den völlig zusammenge 
schossenen Graben wieder herzurichten. Plötzlich um zwei 
Uhr nachts wieder wahnsinniges Trommelfeuer, daß uns 
Hören und Sehen verging. Alles ringsum ein Damp 
fen und Krachen — schauerlich 
Eines der in Nowo-Georgiewsk erbeuteten Rohre von russischen 28-ern-Geschüßen, 
waren, als die Festung in die Hände der Deutschen siel. 
Phot. Presse-Centrale, Berlin. 
die noch nicht aufgestellt 
sondern nur verwundet wurden. Man sieht deutlich, daß 
die deutschen Geschosse beträchtliche Löcher in die Helme ge 
rissen haben und teilweise die Wand als Querschläger durch 
schlugen. Was die französischen Zeitungen über die neue 
Kopfbedeckung nicht schreiben, ist, daß viele Franzosen den 
Helm für fast wertlos und wegen seines hohen Gewichtes 
für hinderlich halten. Obwohl zugestanden werden soll, 
daß er einen gewissen Schutz — besonders gegen Prell 
schüsse — bietet, so sind die Abbildungen kein Beweis für 
die Güte des Helmes. Es ließen sich sicher auch sechs Taschen 
uhren, Lederhelme und dergleichen photographieren, die 
als Lebensretter wirkten. Lediglich auf Trefferprozente 
kommt es an! Diese Angaben fehlten jedoch im französischen 
Artikel der „L'Jllustration". 
Fünfzehn Minuten Gefechtspause. 
(Hierzu die Kunstbeilage.) 
Herrscht auch allgemein an der Front der Brauch, in 
Eefechtspausen die Opfer der Kämpfe rücksichtsvoll zur 
letzten Ruhe zu betten, so ist es doch dort, wo sich die 
vordersten Schützengräben zu nahe gegenüberliegen, nicht 
immer möglich, die Bergung der Gefallenen sogleich vor 
zunehmen. Ließe man da den Gegner aus seinen Deckungen 
ungestört herauskommen, so würde schon die natürliche Höhe 
des Menschen genügen, in die feindlichen Stellungen einen 
Einblick zu gewinnen. Trotzdem bekommt auch in solchen 
Fällen nicht selten das rein menschliche Gefühl die Ober 
schön! Unser Vertrauen 
wuchs immer mehr, da 
wir viel weniger Verluste 
hatten, als man bei dem 
fürchterlich en Artillerie 
feuer hätte denken müssen ; 
auch gelang es, die Franz 
männer, so oft sie sich 
in unsere Nähe wagten, 
jedesmal schon mit den 
Gewehren abzuweisen, 
ohne daß Handgranaten 
nötig geworden wären. 
Gegen Morgen waren 
wir dann natürlich recht 
neugierig, zu sehen, wie 
es auf dem Gelände vor 
uns aussah. Vor unserem 
Verhau, der an einigen 
Stellen völlig der Erde 
gleich gemacht war, lagen 
tote und verwundete 
Franzosen zu Haufen. 
Nun wagte einer unserer 
Sanitäter den Versuch, 
einem Schwerverwunde 
ten vom Horchposten 
Hilfe zu bringen. Kaum 
zeigte er sich, tauchte in 
etwa 20 Meter Entfernung ein französischer Arzt auf und 
erklärte ihm, man werde drüben nicht schießen. Darauf 
gab unser Kompanieführer das gleiche Versprechen für 
uns, und nun hub ein Treiben an! Hüben und drüben 
heraus, wer konnte, von den verletzten und gefallenen 
Kameraden soviel wie möglich zu bergen! Ein fran 
zösischer Offiziersdiener schleppte seinen verwundeten Kapi 
tän kurzerhand in unseren Schützengraben und war dann 
sehr verwundert, daß er selber auch dableiben mußte; er 
meinte in gebrochenein Deutsch, nach der Pause hätte doch 
alles wieder an die alten Plätze zurückkehren sollen. 
Schließlich wurde unserm Kompanieführer das Gewimmel 
überhaupt zu gefährlich, denn jener Sanitäter, der sich zu 
erst herauswagte, hatte gesehen, daß die vordersten fran 
zösischen Sappen gedrängt voll Reserven steckten. So ließ 
er abwinken, und alles zog sich wieder in die Gräben zu 
rück. Sofort ging von beiden Seiten wieder das Artillerie 
feuer mit größter Heftigkeit los, und die Franzosen setzten 
noch dreimal am hellen Tage zum Angriff an, wurden 
aber jedesmal wieder zurückgeschlagen, so daß sie nur eine 
Menge Verluste hatten..." 
Ein anderes Beispiel, wie entgegenkommend unsere Feld 
grauen oft gegen die Feinde sind, liefert ein in der „West- 
minster Gazette" abgedruckter Feldbrief eines englischen 
Sergeanten: „Ich hörte vor unserem Laufgraben schweres 
Stöhnen. Es kam von einem Verwundeten, der dicht an 
der deutschen Brustwehr lag — seit Samstag, und jetzt war 
es Montag nachmiitag! Er war halb tot vor Hunger und
	        
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