Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
zu gebieten. Bombensichere Unterstände wurden geschaffen, 
ein Labyrinth von Wolfsgruben, Minen und Drahtver 
hauen angelegt, jeder Schützengraben mit Maschinenge 
wehren, Revolverkanonen und Bombenwerfern geradezu 
gespickt, so daß die französischen Stellungen, deren Ver 
teidigung man nur kampferprobten Truppen anvertraute, 
schlechterdings uneinnehmbar erscheinen mutzten. Trotzdem 
kamen unsere tapferen Feldgrauen vorwärts und eroberten 
in heitzem Ringen vom 20. Juni bis 13. Juli die Werke 
Labordsre, Central, Cimitiöre, Bagatelle und die Höhe 285. 
Damit hatten sie den vordersten Hang der französischen 
Höhenstellungen erreicht; es galt jetzt noch den Gegner 
von der anderen Seite wie vom Rand der Höhen zu ver 
treiben. Hier bildete das nach der Farm Marie-Thöröse 
benannte Werk den Hauptstützpunkt der Franzosen, die es 
mit vielen Unterständen, Blockhäusern und Beobachtung- 
stellen ausgebaut hatten. Auf der vorspringenden „Esels 
nase" und dem St.-Hubertus-Rücken gelegen, fiel es senkrecht 
zu beiden Ufern des Charmebaches ab, im Bogen in unsere 
Linien hineinragend- Dieses Werk samt seinen zahllosen 
Gräben, die es in mehrfachem Kranze umgürteten, zu er 
obern, war das Ziel des Angriffs, den am Morgen des 
8. September die unter der Führung des Generals v. Mudra 
(siehe Bild Seite 269) stehenden Truppen unternahmen. 
Wenige Tage vorher hatten sie bereits das Werk St.-Mar- 
tin erstürmt, das am weitesten gegen unsere Front vor 
geschoben war. Von Marie-Thöröse aus hatten die Fran 
zosen wochenlang unsere Stellung mit Wurfminen beschossen 
und dabei bett Wald, der an den Abhängen grünte, hin 
weggefegt, datz nicht einmal mehr ein Baumstumpf auf 
dem kahlen, von Granaten aufgewühlten Lehmfeld übrig 
blieb. 
Um 8 Uhr morgens begann unsere Artillerie die feind 
lichen Stellungen ununterbrochen bis 11 Uhr zu beschietzen» 
um den Sturmangriff der Infanterie vorzubereiten. Die 
Wirkung dieses Artilleriefeuers mutz furchtbar gewesen sein, 
denn gefangene Franzosen sagten aus, datz sie selbst bei 
Arras und Ppern keiner derartig verheerenden Beschießung 
ausgesetzt gewesen wären. Um 11 Uhr verstummten die 
Kanonen, und württembergische, reichsländische und preußi 
sche Regimenter stürmten aus ihren Gräben auf die feind 
lichen Stellungen. Eine halbe Stunde später hatten sie 
schon die vordersten Gräben erobert, obwohl sich die Fran 
zosen mit größter Tapferkeit zur Wehr setzten und ihre 
Artillerie sie durch ungeheure Munitionsverschwendung zu 
unterstützen suchte. Mit Handgranaten und Gewehrkolben 
bahnten sich die Württemberger den Weg zu den Schanzen 
des Werkes Marie-Thöröse, aus deren Unterständen und 
Blockhäusern sie ein Hagel von Geschossen empfing. Trotz 
dem aber gelang es den Angreifern, auch hier über die 
Brustwehren ins Herz der feindlichen Stellungen einzu 
dringen, und wenige Minuten nach 12 Uhr hatten unsere 
Feldgrauen das ganze Werk Marie-Thörsse in festem Besitz. 
In einer Breite von über 2 Kilometern waren unsere Trup 
pen 300 bis 500 Meter tief in die französische Front ein 
gedrungen und behaupteten das eroberte Gelände siegreich 
gegen alle noch so wütenden Gegenangriffe des Feindes. 
Was diesem Sieg noch besonderen Glanz verleiht, das 
ist die große Beute, die in die Hände unserer Truppen 
fiel: außer 2050 Gefangenen der verschiedensten Regimenter 
verloren die Franzosen an diesem Tage allein 50 Maschinen 
gewehre, 48 Minenwerfer, eine Revolverkanone, 100 große 
Flügelminen und eine große Menge anderes Kriegsmate 
rial, das in dem eroberten Schanzwerk aufgehäuft war. 
Es war ein Sieg, auf den unser Volk und Heer stolz sein 
durfte, und es war die beste Antwort auf die prahlerische 
Prophezeiung des französischen Oberbefehlshabers, der erst 
wenige Tage vor unserem großen Argonnensieg seinen 
Truppen verkündet hatte, daß die bevorstehende Offensive 
den Krieg an die Ufer des Rheines tragen werde. 
Kriegsgeld. 
Unter den vielen merkwürdigen Dingen, die uns der 
Weltkrieg bescherte, steht nicht an letzter Stelle und als 
durchaus charakteristisches Zeichen für die veränderten Ver 
hältnisse das Kriegsgeld. Erst kamen die Zwei- und Ein 
markscheine, dann als Schluß gewissermaßen der eiserne 
„Kriegssechser", das Fünfpfennigstück, das wir nur in 
Nickel geprägt zu sehen gewohnt waren. Aber Nickel war 
selten geworden bei uns, denn seine Hauptfundorte sind 
Neukaledonien und Kanada. Das Kriegsgeld ist eine alte 
Erscheinung. Wir kennen es bereits aus dem alten Rom, 
wo in den hannibalischen Kriegen die Staatsfinanzen im 
kläglichsten Zustand waren und man sich entschloß, die 
Silber- und Kupfermünze zu verringern, den gesetzlichen 
Kurs des Silberstücks um mehr als ein Drittel zu erhöhen 
und eine Goldmünze weit über den Metallwert auszu 
geben. 
Die bei Schaffung des römischen Kriegsgelds üblichen 
Maßnahmen wurden auch für alle kommenden Zeiten bei 
behalten in allen Staaten und in allen großen Kriegen. 
Entweder erhielt das vorhandene Geld einen weit über 
den üblichen hinausgehenden Kurs oder das neugeprägte 
ward in einer Legierung 
hergestellt, die zu dem 
Nennwert des Stücks in 
keinem Verhältnis stand. 
Eine große Rolle spielte 
das Kriegsgeld im Drei 
ßigjährigen Krieg, wo 
zum Beispiel der voll 
wichtige Speziestaler, ur 
sprünglich gleich 68 Kreu 
zern, schließlich auf den 
Nennwert von 600 Kreu 
zern in der vorherrschen 
den schlechten Münze 
stieg. Von den dama 
ligen Münzverhältnissen 
kann man sich eine unge 
fähre Vorstellung machen, 
wenn man hört, daß man 
vom Silber allmählich zu 
fast reinem Kupfer über 
ging, das nur knapp 
weißgesotten wurde, daß 
schließlich auch das Kupfer 
zum Münzen noch zu gut 
war und man wie in 
Leipzig einfach eckige 
Blechstücke stempelte und 
als Kleingeld ausgab. 
Nicht ganz so arg, aber 
noch schlimm genug, ging 
es im Siebenjährigen 
Krieg zu, wo unter Fried- 
Eine Straße in Semendria nach der Erstürmung am 11. Oktober 1913.
	        
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