Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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2. daß von der Eardedivision 
Großes erwartet wird. 
Als ein Gardist von über 
30 Dienstjahren weiß er, daß er 
nichts mehr hinzuzufügen braucht. 
(gez.) Lord Cavan." 
Die deutsche Oberste Heeres 
leitung erläuterte auf Grund der 
wirklichen Tatsachen diese feind 
lichen Kundgebungen vor der 
Schlacht mit den Worten: 
„Aus diesen beiden Doku 
menten geht zunächst hervor, wie 
schmählich man die Öffentlichkeit 
täuscht, wenn ihr nach dem Fehl 
schlagen des am 25. September 
unternommenen Angriffs in sei 
nen eigentlichen Bestrebungen im- 
mer wieder versichert wird, der 
in der Vorbewegung eingetretene 
Stillstand habe von vornherein 
in der Absicht der verbündeten 
englischenundfranzösischenHeeres- 
leitungen gelegen. 
Aber die Befehle gestatten 
auch noch andere Feststellungen. 
Der Zweck des Angriffs war, die 
Deutschen aus Frankreich zu ver 
treiben, das Ergebnis dagegen, 
daß die deutschen Truppen auf 
der etwa 840 Kilometer langen 
Front an einer Stelle in 23 Kilo 
meter, an einer anderen, und an 
dieser nicht durch die soldatischen 
Leistungen des englischen An 
greifers, sondern durch gelungene 
Überraschung nüt einem Gasan 
griff, in 12 Kilometer Breite aus 
der vordersten Linie ihres Ver 
teidigungsystems in die zweite, die 
nicht die letzte ist, gedrückt wurden. 
Nach vorsichtiger Berechnung be 
tragen die französischen Verluste 
an Toten, Verwundeten und Ge 
fangenen mindestens 130 000, die 
englischen 60 000, die deutschen 
noch nicht ein Fünftel dieser Zahl. 
Ob die Gegner hiernach noch Aus 
sicht haben, ihr Endziel zu er 
reichen, mag dahingestellt bleiben. 
Jedenfalls können solche örtlichen Erfolge, erkämpft 
durch den Einsatz sechs- bis siebenfacher zahlenmäßiger 
Überlegenheit und vorbereitet durch vielmonatige Arbeit 
der Kriegsmaterialfabriken der halben Welt einschließlich 
Amerikas, nicht ein glänzender Sieg' genannt werden. 
Noch weniger ist davon zu reden, daß der Angriff uns 
gezwungen hätte, irgendetwas zu tun, was nicht in unserem 
Plan lag, im besonderen unser Vorgehen gegen die russische 
Armee nach ihm zu richten. Abgesehen davon, daß eine 
zum Abtransport bestimmte Division beim Einsetzen der 
Offensive auf dem Westkriegschauplatz angehalten und dafür 
eine im Antransport hierher befindliche andere Division 
nach dem Bestimmungsort der ersten gelenkt wurde, hat 
der Angriff die deutsche Oberste Heeresleitung nicht ver 
anlaßt, auch nur einen einzigen Mann anders zu ver 
wenden, wie es seit langer Zeit bestimmt war. 
Anderseits ist der Angriff weder ohne Nutze Tag und 
Nacht fortgeführt worden, noch ist er bisher an irgendeiner 
Stelle über unsere zweite Linie hinaus gelangt, noch hat 
er uns verhindert, unsere Reserven genau so sicher und 
wirksam zu verschieben, wie wir es bei der Maioffensive 
nördlich Arras tun konnten. 
Oberste Heeresleitung." 
Die Gegner haben diese Kundgebung mit einem Wut 
schrei aufgenommen, besonders auch, weil die Neutralen 
sich nunmehr ein genaues Bild machen konnten von der 
furchtbar blutigen Niederlage, die sich die Franzosen und 
Engländer an der deutschen Westfront aufs neue geholt 
hatten. Groß war auch wieder die Zahl der Gefangenen. 
Allein bei den französischen Angriffen in der Champagne 
betrug sie bis zum 30. September über 7000. 
Unter den Kämpfen, die sich am 1. Oktober bei Aube- 
rive, Vauquois und namentlich bei Loos abspielten, ver 
dient eine furchtbare Episode bei letztgenanntem Orte be 
sondere Hervorhebung. Hier bemerkten die Deutschen an 
einer Stelle, wie die Engländer in dichten Massen bis zu 
acht Staffeln gegen die deutschen Stellungen vorgingen. 
Reitende englische Artillerie sah man am hellen Tage auf 
offenem Felde wie bei einer Manöverübung auffahren. Zu 
allem Überfluß tauchten im Hintergründe auch noch zwei 
aufgesessene Regimenter englischer Gardedragoner auf. So 
trugen die Engländer den Angriff vor. Auf deutscher Seite 
nahmen die Beobachter an den Telephonen sofort ihre 
Tätigkeit auf. Unverzüglich wurden der feindlichen Artil 
lerie, Kavallerie und Infanterie Granaten entgegengesandt. 
Und dazu huben die Maschinengewehre an zu toben. Die 
achtfachen Sturmkolonnen waren nach wenigen Augen 
blicken von dem wütenden Feuer vernichtet, und auch die 
nun noch heranstürmenden Reserven wurden niedergemäht. 
Noch vor den deutschen Hindernissen brach der Angriff zu 
sammen. Die feindliche Artillerie hatte nicht einmal ab 
geprotzt, die feindlichen Reiter mußten sich nach schweren 
Verlusten zurückwülzen, in wilder Eile, ohne auch nur den 
^übel aus der Scheide gezogen zu haben. Mehrere Hun 
dert überlebende Angreifer gaben sich gefangen, darunter 
1 Oberst, 4 Majore und 15 andere Offiziere. Die Toten 
und Verwundeten zählten allein auf dem Abschnitt dieser 
feindlichen Division nach vielen Tausenden. So spielten 
Der Zusammenbruch der 
französischen Kavallerie- 
Ltttackebei Souain. 
Nach einer Ochmalzeichnung von 
Fritz Grotemeyer. 
englische Generale mit Soldatenleben. Der Vorgang ist 
aber auch insofern bezeichnend, als er klar erkennen läßt, 
das; die französisch-englische Offensive dank dem unerschüt 
terlichen Heldenmut der deutschen Verteidigung schon nach 
kurzer Zeit geradezu den Charakter eines Verzweiflungs 
kampfes angenommen hatte. «Fortsetzung folgt.) 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Die große Herbstoffensive im Westen. 
Von Major a. D. Ernst Moraht. 
II. 
(Hierzu die Bilder Seite 346 und 347, sowie die Kartenskizze Seite 364.) 
In dem Bericht über den ersten Teil der großen Herbst 
offensive im Westen (siehe Seite 331), die am 25. Sep 
tember 1915 begann, um nach einigen Schreckenstagen mit 
einem kaum greifbaren Erfolg zu enden, hob ich hervor, 
daß die Zahlen der feindlichen Kampfkräfte uns noch fehlten. 
Ich fügte hinzu: „Wenn wir sie erfahren haben, werden wir 
erkennen, daß in der Nordchampagne die ganze französische 
Kraft eingesetzt wurde, die noch außerhalb der langen 
Frontlinie zur Verfügung stand." Inzwischen sind uns 
jene kritischen Zahlen durch das Große Hauptquartier zu 
gängig gemacht worden. Sie wurden einem Armeebefehl 
entnommen, der bei einem gefallenen französischen Stabs 
offizier auf dem Schlachtfelde gefunden wurde. Marschall 
Joffre datierte diesen Befehl aus 
dem „Großen Hauptquartier der 
Ostarmeen" vom 21. September, 
gewissermaßen als Zusatz zu sei 
nem allgemeinen Angriffsbefehl 
vom 14. September (der im 
Wortlaut auf Seite 348 mitge 
teilt wurde). Wieder gibt uns 
ein aufgefundenes Dokument Ein 
blick in die Erwartungen unserer 
westlichen Feinde. Sie knüpften 
ihre großen Hoffnungen ganz und 
gar an jene große Herbstoffensive, 
die jetzt schon zum zweitenmal 
ohne nennenswerten Erfolg ge 
blieben ist, und bei einer zweiten 
Wiederholung ebensowenig Aus 
sicht hat, zum Ziele zu gelangen, 
nämlich zu unserer Vertreibung 
aus Nordfrankreich und Belgien. 
Marschall Joffre rief seinen nörd 
lichen und mittleren Heeresgrup 
pen, die er im Kampfgebiet von 
Arras und der Nordchampagne 
versammelt hielt, zu, daß alle Vor 
bedingungen für einen sicheren 
Erfolg gegeben seien, daß die 
Kraft des Stoßes, den die fran 
zösischen und englischen Armeen 
führen würden, ungeheuer sein 
werde. Und nun die Zahlen. Für 
die Operationen des Feindes 
waren im ganzen 93 Divisionen 
und dazu die belgische Armee be 
stimmt. Diese Heeresmacht setzte 
sich zusammen aus 35 Divisionen 
unter General de Eastelneau, 
18 Divisionen unter General Foch, 
13 englischen Divisionen und 
15 Kavalleriedivisionen (darunter 
5 englische). Als Reserve dieser 
Macht standen unmittelbar hinter 
ihr bereit 12 Infanteriedivisionen 
und die belgische Armee. Über 
setzen wir diese Zahl der strate 
gischen Einheiten in die Zahl der 
Kämpfer, so kommen wir auf 
IV2 Millionen Mann, die zum 
Durchbruch auf den schmalen 
Fronten in der Nordchampagne 
und im Artois angesetzt waren. 
Gegen 45 Kilometer Front unserer Schützenlinie sollten 
IV2 Millionen Feinde anrennen, also eine mehr als 
zehnfache Überlegenheit. Was ich an dieser Stelle als Ver 
mutung aussprach, bewahrheitete sich: Die Feinde hatten 
ihre ganze verfügbare Kraft herangeschafft. Marschall 
Joffre berechnet sie, was die französischen Streitkräfte an 
langt, auf drei Viertel der gesamten Kriegsmacht. 
Es leuchtet ohne weiteres ein, daß diese ungeheure 
Masse im ersten Ansturin nicht voll zur Geltung kommen 
konnte. Als die dicht einander folgenden Reihen der Feinde 
niedergeschmettert wurden, genügte offenbar die Autorität 
der feindlichen Offiziere nicht mehr, die noch übrigen eng 
gestaffelten Massen in ununterbrochener Offensive nach 
vorn zu treiben. So ergab sich aus den Schrecken der Ver 
luste jene geschwundene Angriffslust des Feindes, die den 
Verteidigern eine Atempause von mehreren Tagen ge 
währte. Während dieser Zeit haben sie sich keinen Augen 
blick darüber getäuscht, daß die Wiederholung des Versuches, 
durchzubrechen, bevorstand. Während die Deutschen unter 
dem niemals aufhörenden französischen Artilleriefeuer Tag 
und Nacht beschäftigt waren, ihre Gräben wieder herzu 
stellen, die fast eingeebnet waren, und die Verbindungs- 
wege nach hinten wieder gangbar zu machen, bildeten die 
Franzosen neue Stoßgruppen. Wie das erste Mal, so ließen 
sie auch dem zweiten Vorstoß ein gewaltiges Artillerie 
feuer vorangehen. Der Mißerfolg der ersten Offensive war 
in der feindlichen und neutralen Presse mit Munitions 
mangel begründet worden. Diese Behauptung hat sich als 
unwahr erwiesen. Durch die amerikanischen Lieferungen
	        
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