Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
^Fortsetzung.) 
Der Monat Mai, der den deutschen Wald und die 
deutschen Auen zu so blühendem, strotzendem Leben weckte, 
brachte im Kriegsjahr 1915 auch eine frühlingsfrische, wuch 
tige Kraftäußerung des deutschen Heereskörpers. Im Osten 
erzwangen die verbündeten Heere eine umwälzende Vor 
wärtsentwicklung fast der ganzen langen Front, im Westen 
schlugen unsere Tapferen nicht nur die wildesten, ent 
schlossensten Angriffe des ganzen Krieges ab, sondern packten 
dort stellenweise noch fester zu und inehrten und stützten 
unseren Besitzstand. 
Der überraschende deutsche Vorstoß vor Ppern reizte 
den Gegner zu zahllosen Angriffen mit dem Ziel, uns den 
wertvollen Geländegewinn wieder zu entreißen. Sie hatten 
das Ergebnis, daß er in der Zeit vom 23. April bis zum 
1. Mai außer allerschlimmsten Einbußen an Toten und Ver 
wundeten 5000 Gefangene, 66 Geschütze, darunter 4 schwere 
englische Kanonen mit langen Rohren, und viel anderes 
Kriegsmaterial darangeben mußte. Kein Stück des am 
23. April abgenommenen Geländes war zurückgewonnen, in 
der Gegend St.-Julien, nordwestlich 's Eravenstafel, hatten 
wir unsere Stellung sogar etwas vorgeschoben. Die blutige 
Abwehr der hartnäckigen Angriffe gelang uns besonders 
nachdrücklich, weil die Batterien unseres Südflügels auf 
Grund des Erfolges vom 22. April den Feind wirkungs 
voll im Rücken zu fassen vermochten. Die Stellung der 
Gegner wurde von drei Seiten von dem Feuer unserer 
Batterien umklammert; dagegen vermochten die verzwei 
felten, opferreichen Angriffe nichts auszurichten. Wie drin 
gend man aus London auch getrieben haben mag, die alten 
Stellungen wieder zu holen oder die neuen wenigstens zu 
halten, trafen die Verbündeten nach einem letzten schwer 
verlustreichen Angriff der Franzosen am.1. Mai auf den 
Westabschnitt unserer Front doch deutlich Vorbereitungen, 
die das Aufgeben der vorgeschobenen Stellungen auf dem 
ganzen rechten Merufer vermuten ließen. Der Gegner 
machte sich an den Bau eines Brückenkopfes hart östlich 
von Bpern und zog schwere Artillerie aus der vorgeschobenen 
sackähnlichen Stellung heraus. Diese Rückzugsvorbereitungen 
und noch mehr die starke Schwächung der feindlichen Kräfte 
infolge der vielen mißlungenen Angriffe liefert unserer 
Heeresleitung den Augenblick für einen neuen Vorstoß 
günstig erscheinen. Er begann am Abend des 2. Mai und 
kam in der Mitte der Front südlich St.-Julien, in dem 
Abschnitt des westlich dieses Dorfes gelegenen Wäldchens 
und,der Straße Langemarck—Zonnebeke, merkbar vorwärts. 
Var Einbruch der Nacht 
schon war hier die Straße 
Mosselmarkt, nördlich von 
Paschendaele—Fortuin, 
erreicht. Der Häuser 
kampf in Fortuin endete 
nach tapferster Gegen 
wehr mit dem Siege un 
serer Feldgrauen, und da 
mit war an dieser Stelle 
Gelände in der Tiefe von 
500 Meter bis 1 Kilo 
meter gewonnen. Zu 
beiden Seiten dieses An 
griffstreifens kamen un 
sere Truppen unter sehr 
hartnäckigen Kämpfen 
ebenfalls langsam voran. 
Am 3. Mai verloren die 
Engländer unter dem un 
widerstehlichen Ansturm 
württembergischer und 
sächsischer Bataillone das 
als Stützpunkt stark aus 
gebaute Wäldchen nörd 
lich 's Gravenstafel, den 
Eckpfeiler im Schnitt 
punkt der feindlichen 
Nord- und Ostfront. 
Wieder war der Sack 
östlich von dpern bedenklich enger geworden, ständig wuchs 
die Gefahr, daß bei weiterem Vorschieben der deutschen 
Front die am weitesten östlich stehenden Heeresteile nicht 
rechtzeitig zurückgenommen werden könnten. Da entschloß 
sich denn der Gegner in der Nacht vom 3. auf den 
4. Mai zum Abbau seiner Stellungen. Seine Nordost- und 
Südfront gab er zwischen Fortuin, Broodfeinde und Zille- 
beke in einer Breite von 15 Kilometer und in einer Tiefe 
von Va bis 3 Kilometer auf. Unsere Truppen drängten 
sofort kräftig nach. Die voranflutenden Schützenlinien, die 
nachfolgenden Abteilungen von Reservetruppen, die im Trab 
nachkommenden langen Artillerie- und Munitionskolonnen 
belebten nach so langer Zeit des Stellungskrieges die flan 
drische Wiesenlandschaft einmal wieder mit den wechsel- 
vollen Bildern des Bewegungskampfes. 
Währenddem deckte der Feind unter zäher Behauptung 
seiner westlichen und mittleren Nordostfront und des west 
lichsten Teiles seiner Südfront den Rückzug der übrigen 
Teile. Diese setzten sich in der ungefähren Linie 700 Meter 
südwestlich Fortuin—Fredenberg—Erksternest—Ostrand des 
Waldes östlich Zillebeke erneut fest. 
In dem damit beginnenden neuen Abschnitt der Käinpfe 
um Vpern hatten die Verbündeten fast täglich bittere Ver 
luste an Menschen und Material, unsere tapferen, unermüd 
lichen Vaterlandsverteidiger aber dauernd kleinen, doch wert 
vollen Eeländegewinn. Am 6. und 7. Mai versuchten die 
Engländer die Rückeroberung der vielumstrittenen Höhe 60 
südöstlich Zillebeke; bei der erfolgreichen Abwehr gewannen 
unsere Truppen sogar noch Raum und behielten sieben 
englische Maschinengewehre und einen Minenwerfer, dazu 
viele Gewehre und Munition. Der 8. Mai führte zu einem 
besonders schönen Erfolg. An diesem Tage warfen die 
deutschen Truppen den Feind aus seiner stark geschützten 
Stellung zwischen den Straßen Fortuin und Eheluvelt— 
Vpern heraus und eroberten die militärisch wichtigen Orte 
Frezenberg und Verlorenhoek. Dabei wurden 800 Eng 
länder, darunter 15 Offiziere, gefangen genommen; durch 
die Fortsetzung der Angriffe am nächsten Tage kamen dazu 
weitere 162 Gefangene. 
In den heißen Gefechten östlich von Wern gewannen die 
deutschen Kräfte am 10. Mai fünf Maschinengewehre, am 
11. erkämpften sie den Besitz einer beherrschenden Höhe, 
am 12. näherten sie sich im Kampf gegen die Engländer 
dem Brückenkopf östlich Wern. Am nächsten Tage stürm 
ten sie die Ferme Vanheule und schritten an der Bahn 
Ungarische Husaren mit Füllen auf dem Marsch nach Lemberg. 
Welt--Preß--Pholv, Wien. 
Amerikan. Copyright 1915 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. 
III. Band. 
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