Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
rührte, und setzte sich ohne weitere Umstände zu uns. Sofort 
erhob sich an allen Tischen ein lebhaftes Geflüster. „Er 
kennen Sie ihn?" fragte mich ein junger Serbe, den ich als 
Journalist in Paris kennen gelernt hatte. — „Nie gesehen!" — 
„Ist auch etwas sehr Seltenes, den Mann zu treffen. Er 
steckt mit seinen Komitadschi immer oben auf den Bergen, 
bald im Norden, bald im Süden Serbiens, immer gegen 
wärtig und nie zu finden. Tankowitsch ist das, der berühmte 
Major Tankowitsch, einer der volkstümlichsten Männer von 
ganz Serbien, über den zahllose Legenden umlaufen. Das 
Volk nennt ihn geradezu den General und Woiwoden der 
Komitadschis. Das ist jener Tankowitsch, von dem Österreich- 
Ungarn behauptet, daß er die Ermordung des Erzherzogs in 
Serajewo ins Werk setzte und dessen Ausstoßung aus dem 
Heere und Auslieferung es demgemäß forderte. Wissen Sie, 
wie man ihn bei uns nennt? Den Mann, der den Weltkrieg 
entfesselt hat. Prosit!" — Der Mann, der den Weltkrieg ent 
fesselt hat: das ist nichts Geringes! Ich betrachte ihn mit 
größerer Aufmerksamkeit, wie er in einer Haltung, als 
wolle er jeden Augenblick beim ersten Zeichen in die Höhe 
springen, am Tisch 
sitzt. Er sieht aus, 
als lebe er in be 
ständiger Unruhe, 
die ihm selbst nicht 
eine kurze Muße 
stunde gönnt. 
Phantastische 
Dinge bekomme ich 
über ihn zu hören. 
Er ist ein wahrer 
Abenteurer, der 
sein Leben mit der 
selben kalten 
Gleichgültigkeit 
aufs Spiel setzt, 
mit der ein leiden 
schaftlicher Spieler 
sein ganzes Ver 
mögen auf den 
grünen Tisch wirft. 
Er ist fünsunddrei- 
ßig Jahre alt und 
lebt inmitten der 
Gefahren, seitdem 
er fünfzehn wurde. 
AIs Mazedonien 
und Albanien der 
Türkei gehörten, 
machte er die Be 
hörden in Konstan- 
tinopel halb ver 
rückt. Eine Prämie 
wurde auf seinen 
Kops gesetzt, aber 
geholt hat sie sich keiner. Dann brachte er den Gouverneur 
von Bosnien zur Verzweiflung. Sein Bataillon Komitadschi 
ist ein wahres Todesbataillon. Zu Beginn dieses Krieges 
hatte er achthundert Mann, jetzt nur achtzig; alle anderen 
haben ihr Leben gelassen. Die waghalsigsten Unter 
nehmungen erhielt immer das Bataillon des Tankowitsch. 
Ihm darf nur der Korpskommandeur befehlen, und wenn 
ihm nicht die unwahrscheinlichsten Dinge aufgetragen 
werden, sucht er sich seine Abenteuer auf eigene Faust. Und 
bei all diesen Gefahren ist er nicht ein einziges Mal ver 
wundet worden. Nicht einmal die Haut ist ihm geritzt 
worden. Seine Leute sind überzeugt, daß er unverwund 
bar ist. Ich spreche mit ihm und lasse mir einige seiner 
schwindelerregenden Waffentaten erzählen. Wie ich ihn 
über die Zukunft befrage, springt er auf ein anderes Thema 
über. Plötzlich erhebt er sich, rührt leicht an die Mütze und 
ist schon am Ausgang. „Wohin so schnell?" fragen ihn die 
Offiziere. „Dorthin!" und er macht eine unbestimmte 
Bewegung mit der Hand. Schon ist er mit seinem thea 
tralischen Schritt hinausgeschwebt. Draußen auf der 
Straße bleiben alle, die ihn sehen, überrascht stehen und 
mächen einander auf ihn aufmerksam. „Dorthin?" Wo 
hin? Aber wer hat je gewußt, wohin Tankowitsch, der 
Woiwode der Komitadschi, geht? Man erfährt es immer 
erst nachher, wenn er getan hat, was er tun sollte. 
Das autogene Schneiden im Kriege. 
(Hierzu das untenstehende Bild.) 
Das autogene Schneiden, besser als „Sauerstoffschmelz 
schneiden" zu bezeichnen, spielt auch in diesem Kriege, der 
ja fast alle Zweige der Technik zu ihren Höchstleistungen 
aufruft, eine wesentliche Rolle. Unsere Abbildung zeigt 
uns einen Offizier beschäftigt, mittels dieses Verfahrens 
den eisernen Träger einer Brücke zu durchschneiden, 
sei es behufs Zerstörung dieses Bauwerks, sei es zwecks 
Wegräumung seiner Trümmer. Er bedient sich dazu 
der Knallgasflamme, deren Bestandteile, Wasserstoff und 
Sauerstoff, durch Schläuche dem tragbaren Brenner zu 
geführt werden. 
Knallgas ist ein Gemisch von zwei Teilen Wasserstoff 
und einem Teil Sauerstoff, es explodiert unter Bildung von 
Wasserdampf und Entwicklung großer Hitze (bis 2000 Grad 
Celsius). Die Explosion muß beim sogenannten autogenen 
Schneiden verhindert werden. Zu diesem Zweck hat man 
für die Verbrennung des Gemisches besondere Verbrennungs 
röhren gebaut, die 
so eingerichtet sind, 
daß die Ver 
mischung der bei 
den getrennt zu- 
gesührten Gase erst 
unmittelbar vor 
dem Eintritt der 
Flamme stattfin 
det; dadurch wird 
die Bildung größe 
rer Mengen von 
Knallgas und ihre 
Explosionsmöglich- 
keit verhindert, der 
Flamme aber ihre 
Hitze erhalten und 
ihre Wirkung durch 
einen llberschußvon 
Sauerstoff noch ge 
steigert. 
Richtet man diese 
Knallgasslamme 
auf ein dünnes 
Eisenblech, so steigt 
seine Temperatur 
an der durch die 
Flamme getroffe 
nen Stelle von 
Rotglut auf Weiß 
glut. Durch die 
Hitze der Knallgas- 
flamme wird die 
Entzündungstem 
peratur des Me 
talls an der Schneidestelle erreicht, worauf das Eisen infolge 
des Sauerstoffüberschusses unter Funkensprühen verbrennt. 
Hält man die Flamme auf eine Stelle gerichtet, so entsteht 
ein kreisrundes Loch im Eisen, durch Weiterbewegen des 
Apparates kommt ein Schnitt zustande. 
Der eigentliche Erfinder des autogenen Schneidens ist 
ein Einbrecher namens Browne, der 1890 mit einer Knall 
gasflamme, bei deren Erzeugung unter Druck stehender 
Sauerstoff zur Verfügung stand, versuchte, ein Loch in 
einen Geldschrank zu brennen. Jetzt findet das autogene 
Schneiden nicht nur zum Durchschneiden von Metall, sondern 
auch zum Durchlochen, Ausschneiden und Schlitzen Verwen 
dung. Die Arbeit wird durch das autogene Schneiden sehr 
erleichtert und beschleunigt. In eine gebogene Panzerplatte 
von 200 Millimeter Dicke wird ein Schauloch von 1,2 Meter 
Länge vom Apparat in fünf bis sechs Stunden ohne wesent 
liche Anstrengung für den Arbeiter geschnitten, sonst ist das 
Zehnfache der Zeit erforderlich. Eisenstücke bis zu 500 Milli 
meter Dicke und darüber können durchschnitten werden. 
So dient der Apparat im Frieden z. B. dazu, bei 
Eisenbahnunfällen verbogene Eisenstücke schwerster Dimen 
sion zu schneiden und dadurch die Rettung darunter befind 
licher Verunglückter zu ermöglichen, während er im Kriege 
in der Hand unserer Pioniere ein unentbehrliches Kriegs 
mittel geworden ist. 
Phot. Eiko-Film G.m. b. H., Berlin. 
Ein deutscher Offizier durchschneidet einen Träger der Pilicabrücke mit einem autogenen 
Sauerstoffgebläse.
	        
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