Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Flieger am 19. September den Bahnhof und das Lager 
von Arsiero erfolgreich mit Bomben. 
Zu einer Kampshandjung großen Stiles hatten sich die 
Italiener im vierten Kriegsmonat nicht mehr aufraffen 
können. Selbst ihre rnnfangreichsten Angriffstöße wurden 
nur mit Truppenkörpern von der Stärke einer Division 
unternommen. Die Gesamtzahl der italienischen Verwun 
deten und Toten stieg aber in diesem Monat auf mehr als 
300000. Dabei stand die österreichisch-ungarische Erenzwacht 
nach Ablauf des Monats stärker da als je zuvor. Cadorna 
gelang es auch noch weniger als früher, die italienische 
Öffentlichkeit über die Aussichtslosigkeit seiner Durchbruchs 
versuche zu täuschen. Die für die italienische Regierung 
sehr empfindliche Folge war ein fast gänzlicher Mangel an 
Kriegsbegeisterung. Nicht nur das Ausbleiben an Kriegs 
erfolgen belastete die öffentliche Stimmung in Italien, 
sondern auch die schwere wirtschaftliche Notlage, die in 
weiten Volkskreisen durch das Ausbleiben des Fremden 
stromes und das starke Sinken der Ausfuhr von Süd 
früchten hervorgerufen wurde. Wegen seiner kriegerischen 
Mißerfolge wurde das Land jetzt von den einst so viel 
in Aussicht stellenden Engländern im Stich gelassen. Höch 
stens daß sich diese durch die italienische Kriegserklärung 
an die Türkei noch zu einen: Geschenk von 100000 Tonnen 
Kohlen bewegen ließen, die die italienische Flotte bitter 
nötig hatte. Noch hatte Cadorna sich nicht zur Hergäbe 
einer Landungsarmee für die Dardanellen bestimmen lassen. 
Ebensowenig vermochte Joffres Reise an die italienische 
Front (siehe Bild Seite 324) zu erreichen, daß ein italienischer 
Unterstützungstrupp für die französische Ostfront freigemacht 
wurde. Aber Cadorna stand nunmehr selbst nicht mehr fest. 
Auch seine überzeugtesten früheren Anhänger hatten das 
Vertrauen in seine Fähigkeiten nachgerade verloren. In 
seinen Berichten trat noch mehr als schon vorher die Furcht 
vor dem immer schlechter werdenden Wetter zutage. Und 
es liegt ja auch auf der Hand, daß die Italiener dem kalten 
ununterbrochenen Winterregen ihrer küstenländischen Front 
ebensowenig gewachsen sein werden wie dem Schnee in den 
Gebieten an der Alpenfront, der ihnen schon Mitte Sep 
tember hart genug zusetzte. Kurz, wohin die Italiener auch 
blickten/überall drohten wachsende Kriegsnöte als gerechte 
Strafe für die einstige gewissenlose Kriegshetze und ihre 
Urheber. 
Der Seekrieg gegen England beschränkte sich in dem 
Zeitraum von Mitte August bis September vollständig 
auf den Li-Boot-Krieg, der diesmal mit seinen wuch 
tigen Schlägen allein die englische bewaffnete Handelsflotte 
traf. Diese Kriegführung hatte durch die Versenkung der 
Schweres italienisches Geschütz in Stellung. 
„Lusitania" und andere ähnliche Vorkommnisse zwischen der 
amerikanischen und der deutschen Regierung einen Meinung 
streit in Noten entfesselt, in dem n>an trotz der in der Form 
nachgiebigen, aber in allem sachlich Wesentlichen festen 
Haltung der deutschen Regierung durch die Hartnäckigkeit 
des englandfreundlichen amerikanischen Präsidenten Wilson 
aus einer Sackgasse in die andere geriet. Die deutsche Re 
gierung machte diesen: fruchtlosen Hin und Her, das die 
Gemüter höchst unnötig stets aufs neue erregte, iminer wie 
der das Schreckbild eines bevorstehenden Krieges zwischen 
Amerika und Deutschland heraufbeschwor, kurzerhand ein 
Ende, indem sie ihren Botschafter in Washington ermäch 
tigte, der an:erikanischen Regierung in sichere Aussicht zu 
stelle::, daß erneute Schwierigkeiten zwischen Deutschland 
und Amerika aus dem O-Boot-Krieg nicht erwachsen wür 
den. Die deutsche Regierung nahn: auf diese Weise dem 
englischen Verleumdungsfeldzug viel Wind aus den Segeln. 
Unerbittlich hart lastete der l4-Boot-Krieg auf dem ge 
samten Wirtschaftsleben Englands, so daß die verantwort 
lichen Politiker Englands immer verlegener um Ausreden 
für diese schlimme Begleiterscheinung des Krieges wurden. 
Durch Mißbrauch der Statistik gelang zwar eine Verzer 
rung des Tatsachenbildes, aber die Tatsachen selbst, die ins 
Ungeheuerliche gehende Teuerung in England, änderten sich 
nicht. Schließlich suchten die Engländer Trost aus der Be 
hauptung zu schöpfen, daß Deutschland unerhörte Verluste 
an D-Booten erlitten habe. Mehr denn 60 sollten danach 
schon auf dem Boden des Meeres liegen. Die deutsche 
Regierung trat diesem Märchen mit der klaren Feststellung 
entgegen, daß im Verlauf des ganzen Krieges noch nicht 
15 D-Boote verloren gegangen seien. 
Im September wurde der Verlust des deutschen 
D-Bootes „bi 27" bekannt, das ,eincn: weiter zurück 
liegenden Flaggenbetruge der Engländer zum Opfer ge 
fallen war. Ein älterer kleiner Kreuzer vernichtete das 
Boot um den 10. August westlich der Hebriden. Wir 
erfuhren diese schnöde britische Tat aus dem Bericht des 
amerikanischen Tierarztes Banks. ^Dieser beobachtete die 
Versenkung des „U 27" von Bord des Viehdampfers 
„Nirostan", der von dem bi-Bobt angegriffen und beschossen 
worden war, und erzählte, daß er gesehen habe, wie das 
britische Patrouillenschiff sich unter amerikanischer Flagge 
dem deütschen kt-Boot näherte. Als es nahe genug ge 
wesen sei, habe es plötzlich die britische Flagge gehißt 
und sofort das Li-Boot heftig beschossen, das sich gewehrt 
habe, dann aber gesunken sei. Banks teilte ferner mit, 
daß die Engländer auf die im Wasser schwimmenden 
Deutschen und auch auf die Mannschaften, die sich an Bord 
des „Nicosian" gerettet 
hätten, rücksichtslos ge 
schossen hätten. Ihm und 
der Mannschaft des „Ni 
rostan", die auf das eng 
lische Kriegschiffübernom 
men wurde, sei strengstens 
befohlen worden, über 
die Vorgänge Stillschwei 
gen zu beobachten. 
Einem solchen betrü 
gerischen Handstreich ist 
seinerzeit auch der deutsche 
Seeheld Otto v. Wed- 
digen zum Opfer gefal 
len. Gern erinnern wir 
uns bei dieser Gelegen 
heit des Rächers, der ihm 
in seinem Kameraden 
Otto Hersing (siehe Bild 
Seite 331) erstanden ist. 
Hersing, der der deutschen 
Marine seit 1903 ange 
hört und im Alter von 
30 Jahren steht, hat An 
spruch, in der Geschichte 
des Seekrieges als der 
erste D-Boot-Führer ge 
nanntzuwerden, dem die 
Versenkung eines Kreu 
zers gelungen ist: schon 
am 15. September 1914 
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
	        
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