Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Diese kamen abends in Gestalt Zweier sächsischer Bataillone 
vom Nachbarkorps und, am nächsten Morgen, einer bayerischen 
Neservebrigade. An diesen Kräften verblutete sich dann der 
englische Angriff von 48 Bataillonen tagelang. Die Engländer 
haben erst nach Wochen ihre Verluste mit 30 000 Mann zu 
gegeben, während die unseren kaum ein Drittel betrugen. 
Gleichzeitig mit diesem Angriff auf Neuve-Chapelle war am 
16. März ein Angriff auf Eivenchy erfolgt, der infolge der 
dortigen günstigeren Stellung glatt abgewiesen wurde. 
Die Erfahrungen dieser Kämpfe veranlaßten die deutsche 
Heeresleitung,' die Linie bei Neuve-Chapelle durch eine 
bayerische Neserveinfanteriedivision zu verstärken. 
Am 9. Mai, gleichzeitig mit dem Beginn der fran 
zösischen Durchbruchsversuche bei Arras, kam dann ein 
neuer großer Angriff von Festubert aus. Nachdem vom 
frühen Morgen an wieder ein ganz unsinniges Trommelfeuer 
auf unseren Gräben gelegen hatte, griffen die Engländer 
mit zwei Divisionen gegen zwei Bataillone, die auf einer 
Breite von etwa 2 Kilometern standen, dreimal an. Alle 
drei Angriffe wurden unter schwersten Verlusten für die 
Engländer abgewiesen. Wir schätzten sie damals auf etwa 
Laufe des 16. Mai eine Landwehrbrigade zur Unterstützung 
erhielten. Die Jnfanterieangriffe der Engländer wieder 
holten sich bis zum 19. abends, vergeblich und verlustreich 
für sie — um so mehr, als Bayern und Sachsen uns nun 
aus aller Bedrängnis halfen. Vom 20. Mai an hörten die 
Vorstöße der Engländer auf. 
Das Xte Infanterieregiment hatte Ehrfurcht erweckende 
Verluste aufzuweisen,' im ganzen betrugen diese aber für 
die Division mit 3000 Mann nur den siebenten Teil der 
englischen Einbuße. Die Gegner benahmen sich bei den 
letzten Angriffen ganz töricht. Sie kamen an in dicken Kolon 
nen, meistens vollständig betrunken, und liefen direkt in 
unser Artillerie- und Maschinengewehrfeuer hinein. 
Eine Wiedereroberung der verlorenen Stellung des 
Regiments X kam nicht in Frage. Sie lag im Wasser und 
wurde, nach dem Gegner vorspringend, von beiden Seiten 
eingesehen und flankiert. Sie war seinerzeit den Engländern 
im Dezember 1914 abgenommen worden bei den Kämpfen 
um Festubert, und ihre Behauptung galt als eine Art 
Ehrensache, wie etwa die des Dorfes Le Bourget bei der Be 
lagerung von Paris 1870. Daß sie aufgegeben wurde, war 
eine Wohltat für das Re 
giment, das dort täglich 
30 bis 40 Mann durch 
Feuer aller Art verloren 
hatte. Am 20. Mai trafen 
neue, starke Reserven ein, 
die den Gefechtstreifen 
der Division auf 5 Kilo 
meter verkürzen ließen. 
Das herrliche Infanterie 
regiment X, für das bis 
zu erneuter Verwen 
dungsfähigkeit ein frisches 
Regiment einrückte, ist 
herausgezogen worden 
und drillte dann hinter 
der Front seinen Nach 
ersatz, bis es wieder ein 
gesetzt werden konnte. 
Von großer Wichtigkeit 
zur Abweisung weiterer 
Angriffe der Engländer 
in dem ehemaligen Ge 
fechtstreifen des Regi 
ments X war die südlich 
anschließende, hart östlich 
Eivenchy, nördlich des 
Kanals d^Aire a-la Bas 
see gelegene überhöhende 
Stellung des Infanterie 
regiments P, von der aus 
die englischen Angriffe 
flankiert werden konnten. 
Es war klar, daß diese 
Stellung von nun an den 
Engländern ein Dorn im Auge sein mußte. Sie griffen also 
hier ungestüm an, was ihnen aber sehr übel bekommen ist. 
Der erste Anlauf einer vollen Division erfolgte am 3. Juni 
abends. Es gelang den Engländern, in eine vorspringende Ecke 
unserer Gräben auf eine Ausdehnung von etwa 300 Metern 
einzudringen. Um zwei Uhr morgens waren sie schon wieder 
draußen, das heißt, soweit sie nicht niedergemacht waren. 
Wir zählten damals allein 290 tote Engländer in unserem 
Graben; mindestens das Dreifache lag zwischen unseren und 
den englischen Gräben. Unsere Verluste betrugen nur rund 
60 Tote und 130 Verwundete. Das Regiment P wurde 
nun auch in die zweite Linie gezogen und durch ein sächsisches 
aktives Regiment ersetzt, das sich in den nächsten zehn Tagen 
glänzend schlug. Acht Tage lang ließen uns die Engländer 
in Ruhe, was uns für die Wiederherstellung der stark zer 
schossenen Stellung gut zustatten kam. Dann brach das 
feindliche Artilleriefeuer wieder los; diesmal auf unserer 
ganzen Front nördlich des Kanals, in einer Breite von 
2V 2 Kilometern. Den Angriff konnten wir mit zwei frischen 
Regimentern in der Front und den Regimentern X und P 
in Reserve kaltblütig erwarten. Er kam am 16. Juni abends 
mit vier englischen Divisionen, darunter einer kanadischen und 
einer Territorialdivision. An drei Stellen kamen sie bis in 
unsere Gräben, wurden aber dort im Handgemenge nieder- 
Phot. R. Sennecke, Berlin. 
Zerstörte Drahthindernisse vor den Kasematten des Forts 2 der Festung Nowo-Georgiewsk. 
3000 tote Engländer vor unserer Front. Unsere Verluste 
waren dagegen gering; nur rund 300 Tote und Verwundete 
bei Infanterieregiment T. Schon am nächsten Tage setzte 
das unsinnige Artilleriefeuer der Engländer wieder ein; 
es wurde 8 Tage lang ununterbrochen fortgesetzt. Es war 
gar nicht mehr möglich, die Stellungen nachts soweit wieder 
auszuflicken, wie sie tagsüber zerschossen wurden, und alle 
entbehrlichen Truppen mutzten bei Arras den Franzosen 
entgegengesetzt werden. So kam es, datz die Stellungen 
des Regiments X verloren gingen. Bei Arras und an der 
Lorettohöhe waren die französischen Durchbruchsversuche 
schon im Gange. Unaufhörlich Tag und Nacht rollte der 
Donner der Geschütze; der richtige Hexensabbat. Es ist 
selbstverständlich, datz eine Truppe, die derartiges eine ganze 
Woche auszuhalten hat, langsam aber sicher zermürbt wird 
und ermattet. Als in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai der 
Gegner um zwei Uhr mit drei frischen Divisionen angriff, 
rannte er beim vierten Angriff das Infanterieregiments über 
den Haufen. Das Regiment hat sich verzweifelt gewehrt und 
sich brav geschlagen, wie 1870 bei Mars-la-Tour und Beaune- 
la-Rolande. Ein eigentlicher Durchbruch der Engländer 
wurde indes verhindert. Alle verfügbaren Reserven hatten 
eine etwa 800 Meter rückwärts gelegene, schon vorbereitete 
Stellung besetzt. Diese geniigten um so mehr, als wir im
	        
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