Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Kriege 1870/71. Im September bewies Iwanow seine 
Tatkraft und seine guten Führereigenschaften in Ostgalizien 
und Wolhynien, besonders durch die schweren Stürme, die 
er gegen die Deutschen, Österreicher und Ungarn an der 
Serethlinie richten liest. Wir sahen aber schon, daß er das 
Vordringen der verbündeten Heere wohl aufzuhalten ver 
stand, dost er aber mit dem Versuch ihrer Überwindung und 
der Durchflößung ihrer Front schweren Schiffbruch erlitt. 
Schon Anfang Oktober mutzte er sich ihrer in verlustreichen 
Rückzugskämpfen erwehren. 
Auch auf der übrigen Front blieb die Gesamtlage für 
die Angreifer der Russen unverändert günstig. Die Heeres 
gruppe Hindenburg erzielte bereits am 17. September 
wieder einen Erfolg, der ihr als Beute 26 Offiziere, 
5380 Mann und 16 Maschinengewehre eintrug, v. Mackensen 
erhöhte seine Beute im Vorrücken auf Pinsk auf 21 Offiziere, 
2500 Mann und 9 Maschinengewehre. Dünaburg, das die 
russische Haupteisenbahnlinie an ihrem Übergang über die 
Düna deckt, ward an diesem Tage mit wachsendem Erfolg be- 
rannt. Wilna wurde den Russen durch General v. Eichhorn 
am 18. September entrissen (siehe die Bilder Seite 309 und 
311 oben), Zu welchem grotzartigen Erfolge der gleichzeitige 
Frontangriff der Generale v. Scholtz und v. Eallwitz erheblich 
beitrug. Zwei Tage nach der Einnahme von Widsy war 
dem Heere v. Eichhorns die überraschend schnell durchgeführte 
Ausnützung seines Einbrechens in die russische Front zu 
einer Umfassung des Feindes in südlicher Richtung ge 
lungen. Wie 1870/71 die Vorstostabteilungen des Generals 
v. Alvensleben die rechte Flanke Bazaines vor Metz packten, 
so krallten sich die Truppen v. Eichhorns in die rechte Flanke 
der russischen Hauptarmee durch ihr Vorgehen auf Molo- 
detschno, Smorgon und Wornjany und liesten sie nicht 
wieder los. Dadurch hinderten sie die Russen an der freien 
Bewegung nach rückwärts. Verzweifelt unternahmen diese 
mit schleunigst zusammengerafften Kräften in der Richtung 
gegen Michaliwski einen wilden Durchbruchsversuch, um sich 
aus ihrer bedrängten Lage zu retten. Sie konnten aber 
den wohldurchdachten deutschen Angriffsplan nicht mehr 
über den Haufen werfen. Das kühne Unternehmen der 
Deutschen zwischen der starken Festung Dünaburg und der 
durch mächtige Feldbefestigungen gestützten russischen Stel 
lung bei Wilna war glänzend gelungen. Auf ungeheurem 
Raume hatten die Russen, trotz der Ausdehnung der Front, 
nicht mehr die wünschenswerte Bewegungsfreiheit. Ein 
Ausweichen mutzte, wie und wohin es auch geschehen 
würde, mit erheblichen Verlusten für sie verbunden sein. — 
Prinz Leopold von Bayern erreichte am Tage des Falles 
von Wilna die Linie Rienadowicze—Derwnoje—Domoro- 
mysz, v. Mackensen kam nördlich von Pinsk an die Wisliza 
und überschritt südlich der Stadt den Strumen. Am 19. Sep 
tember versuchte der Gegner einen Durchbruch bei Smor 
gon und wurde wieder abgeschlagen. Die Verfolgung des 
nunmehr aus dieser Gegend weichenden Feindes blieb in 
Flutz. Am Brückenkopf von Dünaburg mutzten die Russen 
vor dem deutschen Angriff aus Nowo-Alerandrowsk in eine 
rückwärtige Stellung weichen und verloren 550 Gefangene. 
Die südlichen Teile der Heeresgruppe Hindenburg erreichten 
die Linie Mjedniki—Lida—Soljane, während sich anschlie 
ßend Leopold von Bayern den Zugang zu dem Molczadz- 
abschnitt bei und südöstlich Dworzec erkämpfte und sich mit 
seinem rechten Flügel dem Myschankaabschnitt näherte. 
Der Raum vor Dünaburg wurde in den folgenden 
Tagen der Schauplatz gewaltig gesteigerter deutscher An 
griffe. Südwestlich der Festung, bei Smelina, brachen 
die Deutschen am 21. September in die russischen Linien 
ein und nahmen dem Gegner 9 Offiziere, 2000 Mann und 
8 Maschinengewehre. Auch auf der gesamten übrigen Front 
ließen sich die Deutschen durch keinen Widerstand der 
Missen im allgemeinen Fortschreiten aufhalten. Prinz Leo 
pold von Bayern überschritt den Molczadzabschnitt und 
erstürmte auf dem westlichen Myschankaufer, beiderseits 
der Bahn Brest-Litowsk—Minsk, russische Stellungen, dabei 
1000 Gefangene und 5 Maschinengewehre erbeutend. Bei 
Telechany gingen vorgeschobene deutsche Abteilungen über 
den Oginskikanal und warfen die Russen östlich davon, 
in der Richtung aus Dobroslawka, in den Sumpf zurück. 
Auch v. Mackensen war über den genannten Kanal vor 
gedrungen. Teile seiner Truppen standen östlich Logischin in 
kleineren Gefechten mit dem Gegner, die nordöstlich und 
östlich des Ortes auch am nächsten Tage fortgesetzt wurden. 
Die furchtbar erbitterten Kämpfe an der Düna führten 
den schon seit dem Vortage tobenden Zusammenstoß bei 
Lennewaden noch nicht zum Abschluß. Westlich von Düna 
burg gelang aber wieder ein deutscher Einbruch in die feind 
liche Stellung, bei dem den Russen 17 Offiziere, 2105 Mann 
und 4 Maschinengewehre verloren gingen. Am 23. wurden 
bei Smelina weitere russische Stellungen gestürmt, wobei 
der Feind wieder über 1000 Gefangene einbüßte. Süd 
westlich von Lennewaden kamen die Orte Rose und Strigge, 
die Zeitweilig in der Hand der Russen gewesen waren, aufs 
neue in deutschen Besitz. Zu vorübergehenden Erfolgen 
führten überaus starke russische Angriffe auf die in der 
Flanke des zurückgehenden Feindes befindlichen deutschen 
Truppen bei Wilejka. Dabei verloren diese mehrere Ge 
schütze, deren Bedienungen bis auf den letzten Mann aus 
gehalten hatten. Die deutsche Front blieb aber auf diesem 
Gefechtsabschnitt im ganzen in scharfem Vordrängen und 
überschrittdie Linie Soly—Olschany—Traby—Jwje—Rowo- 
Grodek. Die Heeresgruppe Leopold von Bayern brach den 
Widerstand des Feindes auf der ganzen Front und er 
reichte in der Verfolgung den Serwetschabschnitt oberhalb 
von Korelitschi sowie den Szczaraabschnitt nordwestlich von 
Kraschin. 
v. Mackensens vorgeschobene Abteilungen nordöstlich und 
östlich von Logischin wurden jetzt vor einem umfassenden 
russischen Angriff hinter den Oginskikanal und die Jassiolda 
zurückgenommen. Diese örtliche Frontveränderung, die Zu 
rücknahme der deutschen Truppen aus dem Hügelland von 
Logischin (siehe Vogelschaukarte zu dem Operationsgebiet 
der Armee Mackensen Seite 301) hinter den natürlichen 
Schutz des Kanals und der Jassiolda, war nicht etwa auf 
einen Waffenerfolg der Russen zurückzuführen, sondern 
nichts weiter als eine Vorsichtsmaßregel gegenüber dem 
Feind, der in dem überaus schwierigen Gelände jeden 
Schlupfwinkel kannte und, wie sich vielfach gezeigt hatte, 
jeden Geländevorteil wirksam auszunutzen verstand. 
Die Kämpfe im Gebiet nördlich von Pinsk (siehe 
Karte) spielten sich auf dem denkbar ungünstigsten Ge 
lände und in schwierigem Ringen mit natürlichen Hin 
dernissen ab. Das Kampfgebiet am Oginskikanal ist eine 
einzige unwegsame Sumpflandschaft mit weit ausge 
dehnten ebenen Flächen von 20—25 Kilometer Breite. 
Diese weitgestreckten Ebenen bilden trotz ihrer nur ge 
ringen Höhe von 160 Metern über dem Meeresspiegel 
die europäische Wasserscheide, indem sie die Gewässer 
der Ostsee von denen des Schwarzen Meeres trennen. 
Aus den unendlich weit sich erstreckenden Sümpfen er 
heben sich einzelne Hügelgruppen um wenige Meter, gleich 
sam Inseln im Sumpfmeer. Diese Hügelgruppen sind 
die Stellen, an denen sich armselige menschliche Siedlungen 
finden. Diese Stellen werden auch von den dortigen Straßen 
aufgesucht, die dem gewundenen Lauf der Hügelketten be 
harrlich treu bleiben wie die Wüstenstraßen den Oasen. Der 
Oginskikanal, von dem aus die Soldaten v. Mackensens nun 
mehr vorsichtige und wohlerwogene Maßnahmen für das 
weitere Vordringen trafen, heißt so nach seinem Erbauer, 
dem Fürsten Michael Oginski, dem Eroßhetman von Litauen 
(1761—1799). Der Kanal ist 55 Kilometer lang, verbindet 
über Dnjepr—Pripet—Jassiolda—Schara—Rjemen das 
Schwarze Meer mit der Ostsee und schafft so einen un 
unterbrochenen Wasserweg von 2566 Kilometern. Dieser 
Wasserweg hat bei dem Mangel an wirklich brauchbaren 
Straßen in dem dünnbesiedelten Gebiet als Verkehrsweg 
eine ganz hervorragende Bedeutung. Die Nachteile eines 
solchen Geländes ließen sich bei aller Vollkommenheit der 
technischen deutschen Truppen nur unter bedeutendem Zeit- 
flufwand mit Erfolg bekämpfen. So erklärt es sich, daß 
von der Heeresgruppe der Armee Mackensen bis Ende 
September kein neues Ereignis im deutschen Tagesbericht 
zu erwähnen war, die Lage hier vielmehr im großen und 
ganzen vorläufig unverändert blieb. Auch die Truppen 
des Prinzen Leopold von Bayern machten in ihrem Vor 
marsch halt, soweit sie schon am Oginskikanal nördlich von 
Teleschany standen. Westlich Medwjeditschi bis südlich 
Lipsk kam diese Heeresgruppe am 24. September an die 
Szczara. Östlich und südöstlich von Baranowitschi schritt 
ihr Angriff auf dem Westufer der Szczara fort, nordöstlich 
von Rowo-Grodek stürmte sie die Stadt Negniewitschi und 
schlug hier und auch bei Korolitschi mehrere, hartnäckige 
Gegenangriffe der Russen blutig ab.
	        
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