Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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Gesamtansicht von Tarnopol. m. b. H. 
Arn 4. Mai unternahm das 105. Re 
giment einen plötzlichen Vorstoß und 
warf den zähen Gegner aus seinen 
Gräben. Die Engländer waren völlig 
überrascht und räumten ihre Stellung, 
so daß die sächsischen Patrouillen bis zu 
vier Kilometer vorwärts in die feind 
lichen Gräben kamen. Die Spreng 
trichter, die erste und die zweite Reihe 
)er feindlichen Gräben wurden besetzt 
und ausgebaut. Der Erfolg war sehr 
groß, da mit dieser Besetzung das Ge 
lände bis nördlich und westlich Ppern 
beherrscht wurde und unter Artillerie- 
feuer genommen werden konnte; 7 Ma 
schinengewehre und 1 Minenwerfer 
wurden bei dem Sturm erbeutet. Es 
war eine Freude, die braven 105er, 
die nun über drei Wochen ununter 
brochen täglich in den schwersten Kämp 
fen gestanden hatten, zu sehen: die 
Mannschaften stürmten mit einer Be 
geisterung und auch Erbitterung vor, die in jeder Weise be 
wunderungswürdig waren. — Auch blieb die eroberte Stel 
lung trotz starker englischer Gegenangriffe fest in den Händen 
des 105. Regiments. 
Grodno. 
Von Major a. D. Ernst Moraht. 
sHierzu die Bilder Seite 292-296.) 
Die Nachricht von dem Fall der Njemenfestung Grodno 
am 4. September 1915 (siehe Seite 288) hatte für unsere 
Kriegführung eine ganz besondere Bedeutung. War doch 
dieser Platz die letzte der starken Befestigungen der Njemen-, 
Bobr- und Narewlinie, die uns den Zugang in das östlich 
davon gelegene Rußland sperrte. Die russische Landes 
verteidigung konnte keine günstigere Stelle finden als die 
jenige, in der sie die Werke von Grodno angelegt hatte. 
Schon Ende des vorigen Jahrhunderts entstanden hier östlich 
und westlich des Njemen Brückenköpfe. Für den später 
zwischen Frankreich und Rußland verabredeten Angriffs 
krieg gegen Deutschland genügten aber diese geringen Be 
festigungen nicht. Frankreich gab um 1910 seine Millionen, 
und Rußland wurde angewiesen, auch hier eine Festung 
ersten Ranges zu schaffen. Es ist oft daran gezweifelt 
worden, ob das französische Geld dementsprechend verwendet 
wurde. Diese Zweifel waren, was Grodno anlangt, durch 
aus unberechtigt, denn es hat sich tatsächlich als erstklassige 
Festung erwiesen. Dabei kam den Russen allerdings nach 
jeder Richtung hin die Natur zu Hilfe. 
Grodno hat im Lauf dies s Krieges wiederholt seine 
Bedeutung erwiesen. Hier war der Ausgangspunkt der 
russischen Offensive gegen Ostpreußen. Im Verein mit 
Kowno leistete es dem russischen Heer vielfache Dienste. 
Es barg die Mittel zum Vorstoß in sich, erleichterte das über 
raschende Vordringen, bot den von 
Hindenburgs Armeegruppen wieder 
holt geschlagenen Heeresteilen zur rech 
ten Zeit Zuflucht und schützte sie vor 
der Vernichtung. Wir waren Ende 
Augustmit unseren Heeresteilen bereits 
nördlich und südlich an Grodno vor 
bei marschiert, indem wir die Russen 
immer weiter nach Osten zurückdräng 
ten. Grodno blieb hinter ihrem Rücken 
als Stützpunkt und Hemmung des 
deutschen Vorgehens liegen. Rach dem 
Fall der Festung wurde bekannt, daß 
der Großfürst Heerführer ausdrück 
lichen Befehl gegeben hatte, sie bis 
zum Äußersten zu halten. In gewissem 
Sinne ist der Gouverneur der Festung 
diesem Befehl auch nachgekommen. 
General der Infanterie Keigorodow, 
der erste russische General, dem man 
Humanität und Liebenswürdigkeit ge 
genüber der Bevölkerung nachsagen 
kann, hat sich tapfer gewehrt. Das 
muß um so mehr wundernehmen, als 
schon am 23. August der Bevölkerung 
der Stadt bekanntgegeben worden war, man werde die 
Festung kampflos verlassen und von einer Belagerung habe 
sie nichts zu befürchten. — Es war kein leichtes Werk für 
unsere Truppen, sich der Angriffszone zu nähern und in ihr 
Erfolge zu erreichen. Aber es zeigte sich einmal wieder, was 
norddeutsche Landwe'r und badische Truppen zu erreichen 
imstande sind. Die Brücken über den Rjemenfluß waren 
sämtlich von den Russen zerstört. Es galt also für den fort 
schreitenden Angriff, bei Nacht und Nebel eine Schiffbrücke 
zu bauen, auf der die Truppen vom westlichen zum östlichen 
Ufer hinübergehen konnten. Der Bau gelang. Wir wandten 
im Kampf um Grodno dieselbe Art an, die wir als die „neue 
deutsche" bezeichnen können und die uns schon bei mancher 
der eroberten russischen Festungen und bei anderen Verteidi 
gungswerken im Westen guten Erfolg eingebracht hat. Wir 
geben uns nicht mehr lange mit der Einschließung des an 
zugreifenden Bollwerks ab, sondern beginnen, sobald wir 
im Bereich unseres wirksamen Artilleriefeuers uns einem Fort 
genähert haben, mit der Beschießung. Dann kommt es dar 
auf an, dieses angegriffene Werk aus der Reihe der übrigen 
durch Sturm herauszunehmen und zu Fall zu bringen. Bei 
Grodno faßte unser Angriff in den ersten Septembertagen 
zuerst zwei Forts der Südwestfront an, dann drangen wir in 
die Stadt ein und reinigten sie in einem heftigen Straßen 
kampf von den Russen. Endlich nahmen unsere Truppen 
die Verteidigungswerke zum Ziel, die sich östlich der Stadt 
in weitem Bogen um diese erstreckten. Einige der Befesti 
gungsanlagen sind durch die abziehenden Gegner nicht ge 
sprengt worden. Sie gerieten gut erhalten in unsere Hände 
und dienten nun zur Befestigung der Njemenlinie dein sieg 
reichen Heere. Ungeheure Munitionsmengen sind diesem 
in den bombensicheren Räumen der Forts in die Hände ge 
fallen, ebenso viele japanische Gewehre und japanische 
Pliot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H. 
Gesamtansicht von Rowno mit dem Friedhof im Vordergrund.
	        
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