Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

10 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Führung des bayerischen Generals Graf Bothmer, des Er 
oberers des Zwinin, in die Stadt ein. In den Straßen der 
Bezirkshauptstadt wurden die Truppen von der Bevölkerung 
als langersehnte Befreier jubelnd begrüßt. Doch hielten sie sich 
in der Stadt nicht auf, sondern marschierten in Verfolgung 
des geschlagenen Gegners nur rasch durch und gelangten in 
der Stryjniederung bereits halbwegs bis zur Dnjestrlinie. 
Während sich die Armeegruppen des Grafen Bothmer 
und des Feldmarschalleutnants Hofmann den Zugang zur 
Stadt Stryj und damit zu den beiden Bahnlinien nach 
Lemberg erkämpften, brachte der linke Flügel der Armee 
Linsingen, nämlich die Armeegruppe Szurmay, das ganze 
Petroleumgebiet in seine Gewalt. Dieses wichtigste und 
reichste Naphthagebiet Zentraleuropas, das bis zum Kriegs 
ausbruch jährlich 15 Millionen Meterzentner Erdöl im Werte 
von 60 Millionen Kronen lieferte, blieb unter der russischen 
Herrschaft im großen und ganzen unbeschädigt, sowohl weil 
englisches, französisches und belgisches Kapital dort sehr 
stark beteiligt war, als auch weil die russische Heeresverwal 
tung sich die Produktion an Leuchtöl, Benzin und Schmieröl 
für ihre Zwecke nutzbar machen wollte. Erst als der Aus 
gang der großen Maischlacht auch an der Karpathenfront 
fühlbar wurde und die Südarmee Linsingens vom Uzsoker 
Paß und aus dem Orawatal gegen Boryslaw und Stryj vor 
stieß, setzten die Russen die Quellen, soviel sie in der Eile des 
Rückzuges nur erreichen konnten, in Brand, wobei sie auch das 
Eigentum ihrer englischen und französischen Bundesgenossen 
nicht schonten (siehe Band II, Seite 498). Sie entfernten aus 
den großen runden Eisenbehältern die Nieten und zündeten 
das ausströmende Gas an, worauf die Behälter nach einiger 
Zeit infolge der starken Hitzeentwicklung explodierten. Von 
den 3000 Bohrtürmen, die den ganzen Raum zwischen 
Boryslaw und Drohobycz wie ein Wald bedecken, brannten 
sie 200 nieder. Sie stiegen sogar in die Tiefe der Schächte, 
die bis zu 1500 Meter unter Tag hinunterführen, und ent 
zündeten die Naphthaquellen. Die violettschwarzen Rauch 
säulen des brennenden Naphthas standen, von rotgoldenen 
Feuergarben durchschossen, noch lange drohend in der früh 
lingsblauen Luft, die von einem lästigen Naphthageruch 
durchtränkt war. Die Fabrikgebäude und die Bureaus waren 
in ihren Grundmauern meist unversehrt, dagegen beschädig 
ten die Russen an den Bahnstationen das Röhrennetz, das 
zu der Überleitung des Rohöls in die Zisternenwagen 
diente. Von diesen Wagen selbst, von denen in Friedens 
zeiten täglich hundert Lastzüge zwischen Boryslaw und 
Drohobycz verkehrten, fanden unsere Leute nur noch wenige 
vor. Die ungarischen und deutschen Soldaten machten sich- 
sogleich daran, die Brände der Naphthawerke einzudämmen. 
Nach dem Rat der Ansässigen, die die durch Blitzschlag ent 
standenen Naphthabrände so zu bekämpfen pflegen, erstickten 
sie die Quellenbrände durch Aufhäufung von Erde. Die 
Behälter, deren Eisenteile bei den Explosionen rotglühend 
und als weiche Masse umherspritzten, mußte man ausbrennen 
lassen. Die Menge des vernichteten Rohöls wurde auf 
80 000 Tonnen geschätzt. Die Stadt Drohobycz, die 38 000 
Einwohner zählt, und die Doppelgemeinde Boryslaw- 
Jnstanowice mit zusammen 28 000 Einwohnern blieben bis 
auf einige niedergebrannte und ausgeplünderte Häuser un 
versehrt. Außer den Ölquellen und Raffinerien gab dieser 
Vormarsch uns auch ein anderes wichtiges Industriegebiet 
wieder, die Erdwachsgruben von Boryslaw, deren Produkt 
zur Kerzenfabrikation unerläßlich ist. Diese Gruben sind die 
einzigen in Europa. Ihre Jahreserzeugung betrug 20 000 
Meterzentner im Werte von 3 Millionen Kronen. 
Das rasche Vordringen der Verbündeten nach dem Siege 
in Westgalizien hatte die Russen offenbar höchlichst überrascht. 
Immer wieder glaubten sie durch den Einsatz rasch herbei 
geführter Verstärkungen den Siegeslauf an verschiedenen 
zur Verteidigung geeigneten Abschnitten, insbesondere an 
der Wisloka und am Wislok, aufhalten und Przemysl, dem 
so wichtigen Stützpunkt der Zarenherrschaft in Galizien, die 
Belagerung ersparen zu können. So wurden der Feld 
armee denn auch beträchtliche Teile der Festungsbesatzung 
zu Hilfe gesandt und in den Strudel der rasch aufeinander 
folgenden Niederlagen hineingerissen. Mit unheimlicher 
Schnelligkeit näherten sich die Verbündeten Przemysl und 
überraschten die geschwächte Besatzung, die nun nicht Kraft 
hatte, die weit ausgedehnten Vorstellungen zu behaupten, 
sondern sie dem Ansturm der Verbündeten, besonders der 
von Westen heranrückenden Kavallerietruppendivision Berndt 
und dem von Südwest heranziehenden 10. Korps, überlassen 
mußte. Fast schien es, als ob auch der Gürtel der Werke 
nur als Nachhutstellung dienen sollte, um den Massen der 
über den San strebenden geschlagenen russischen Truppen 
einen Vorsprung zu verschaffen. Das 10. Korps setzte auch 
sofort, schon am 16. Mai, zum Angriff an. Obwohl zur 
artilleristischen Vorbereitung nur Feldgeschütze zur Ver 
wendung kommen konnten, drangen die Unsrigen unauf 
haltsam, die wütende Gegenwehr der Russen nicht achtend, 
bis an den Rand des Hindernisgürtels des südwestlichen Ab 
schnitts und namentlich des Werkes Pralkovce vor. Hier 
mußten sie halten, da zur Zerstörung der äußerst starken 
Hindernisse und betonierten Werke die Feldartillerie nicht 
ausreichte. Inzwischen war in Przemysl ein Befehl des 
Oberbefehlshabers Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch ein 
getroffen, daß die Besatzung die Festung bis zum Äußersten 
zu verteidigen habe. Das Eintreffen bedeutender Kräfte 
zur Verstärkung wurde in Aussicht gestellt. Das so dicht 
am Feinde liegende 10. Korps hielt die Besatzung nunmehr 
ständig in Atem. Mittlerweile vollzog sich die Einschließung 
der Festung im Süden und bald auch im Norden. Gegen 
Ende Mai kam allgemach die schwere Artillerie der Ver 
bündeten heran, deren Vormarsch durch die Zerstörung 
aller Brücken beträchtlich verzögert worden war. Kaum 
waren beim 10. Korps einige schwere Batterien eingetroffen, 
als die Beschießung, insbesondere gegen die hartbedrängte 
Front Pralkovce, begann. Nach wirkungsvoller Vorberei 
tung begann die Infanterie zu stürmen und nahm das Werk 
am Abend des 29. Mai. Als Pralkovce fiel, wurde die ge 
samte Reserveartillerie der Festung und alles Geschütz, das 
an den anderen Fronten entbehrlich war, herangezogen 
und zur Abwehr in Tätigkeit gesetzt. Bald ergoß sich ein 
dichter Hagel von Geschossen auf Pralkovce, so daß ein Ver 
bleiben in dem Werke unmöglich war. Die Infanterie 
mußte Zurückgezogen werden, setzte sich aber wieder in 
den höheren Stellungen vor den Hindernissen fest und ver 
eitelte von hier aus den Versuch der Russen, das Werk 
zurückzunehmen. So blieb die Wunde offen, die in den 
Festungsgürtel geschlagen worden war, und die Russen 
mußten ständig Massen ihrer Artillerie bereithalten, um 
jeden Versuch eines neuerlichen Einbruchs wirksam bekämpfen 
zu können. 
Inzwischen war auch vor der Nordfront, wo die bayerische 
Division des Generalleutnants Kneußl, verstärkt durch 
preußische Garde und ein preußisches Infanterieregiment so 
wie das Fußbataillon einer Hönved-Kavallerie-Division, nach 
dem Siege bei Radymno den Raum bis zum San abschloß, 
schwere Artillerie eingetroffen und begann am 30. Mar 
mittags die Beschießung des Abschnitts zwischen Ujkowice 
und Dunkowici, in dem sich die Werke 10 (Ujkowice), 10 a, 
11a und 11 (Dunkowici) nebst etlichen Zwischenwerken be 
fanden. Vom zwerghaften Eebirgsgeschütz bis zum 42er 
Riesen traten hier alle Kaliber der österreichisch-ungarischen 
und deutschen Artillerie in Tätigkeit. Mit unheimlicher 
Genauigkeit und Wirkung bearbeiteten die Feuerschlünde 
den ganzen Abschnitt, namentlich aber die Werke 10 a, 11a 
und 11. Die Arbeit wurde wesentlich dadurch gefördert, 
daß die Russen verhältnismäßig nur wenig Artillerie ent 
gegenstellen konnten, war doch das Gros an der Südwestfront 
durch das 10. Korps gebunden, Übrigens hielten die Russen 
den Angriff gegen diesen stärksten Teil des Gürtels für eine 
Scheinmaßnahme, die nur die Aufmerksamkeit von der Süd 
westfront ablenken sollte. Die Befestigungen, namentlich der 
Hindernisgürtel, waren so stark, daß die Beschießung am 31- 
fortgesetzt werden mußte. Doch hatte sich die Infanterie 
während der Nacht nahe an die Stellungen herangearbeitet- 
Am Mittag des 31. trat eine Feuerpause ein. Ein preußi 
scher Unteroffizier schlich sich aus der Deckung gegen 11 a vor, 
um die Wirkung der Beschießung zu erkunden. Er fand 
mehrere Breschen in den Hindernissen und merkte beim 
Vorgehen, daß die Schießscharten der Werke unbesetzt waren. 
Rasch eilte er mit mehreren herbeigewinkten Soldaten vor 
und erkletterte die Brustwehr. Die Russen waren während 
der fürchterlichen Beschießung aus den Werken in rückwärtige 
Stellungen zurückgegangen. Als die Feuerpause eintrat, 
eilten sie in ihre Stellungen zurück. Schon aber hatte der 
Unteroffizier mit seinen wenigen' Leuten die Brustwehr 
erklettert. Vor den drohend angeschlagenen Gewehren 
stutzten die Russen, einzelne warfen die Waffen weg und 
hoben die Hände hoch. Mittlerweile hatten aber auch die
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.