Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
(Fortsetzung.) 
Wir verliehen die Betrachtung der Lage anr Balkan in 
dein Augenblick des Bekanntwerdens eines Abkommens 
zwischen Bulgarien und der Türkei, das nach einer „Times"- 
Meldung schon am 22. Juli in Konstantinopel unterzeichnet 
worden sein sollte (siehe Seite 87). Aber auch während 
des Monats August kam es noch nicht zur Unterzeichnung, 
die Vereinbarungen wurden vielmehr während dieser Zeit 
in ihren Einzelheiten in ruhiger diplomatischer Aussprache 
auf beiden Seiten genauer festgelegt. Der endgültige 
Abschluß, über den auch Anfang September noch keine 
einwandfreie Nachricht vorlag, stand aber bereits außer 
jedem Zweifel. Die Vertreter der Verbündeten, in erster 
Linie natürlich die englischen, ließen nichts unversucht, 
was die vorzügliche diplomatische Stellung der Mittel 
mächte und der Türkei in Sofia untergraben konnte. 
Die rücksichtslosen Gewaltmaßnahmen, die England im 
Schiffsverkehr mit den neutralen Mächten besonders in 
der Nordsee und in den Mittelmeergewüssern kraft seiner 
Seegewalt eingeführt hatte, versuchte es auch auf den 
diplomatischen Verkehr mit den Balkanstaaten zu über 
tragen. Gleichzeitig drohte es in allen Hauptstädten der 
Balkanländer mit 
der Peitsche des 
Gebietsraubes 
und lockte mit 
dem Zuckerbrot 
von Gebietser 
weiterungen und 
Eeldunterstützun- 
gen. Der eigene 
Verbündete, Ser 
bien, bekam das 
englische Verfah 
ren rücksichtsloser 
Gewalttätigkeit 
am härtesten zu 
kosten.Jhmwurde 
zugemutet, un 
verzüglich einen 
großen Teil Ma 
zedoniens, den es 
besitzt, an Bul 
garien abzutreten 
mit der Allssicht 
auf Teile 
Herzegowina und 
Bosniens, die 
noch unbestritten 
in der Hand sei 
nes Hauptgeg 
ners Österreich- 
Ungarn waren. 
Serbien wandte 
sich entrüstet ge 
gen die englischen 
Zumutungen, 
die von seinem 
Standpunkt aus 
allerdings als 
treulos und ver 
räterisch ange 
sehen werden 
mußten. Nicht mit 
Unrecht wies die 
serbische Presse 
mit der ihr eigenen ungezügelten Heftigkeit darauf hin, 
daß Serbiens Söhne es gewesen seien, die voller Opfer 
mut zuerst für den Vierverband geblutet hätten, daß 
Serbien der gemeinsamen Sache verhältnismäßig die 
härtesten Opfer gebracht und ebenso die vernichtendsten 
Schläge zu ertragen gehabt habe. Die Engländer, die 
dem Mitgefühl nur dann zugänglich sind, wenn es zu 
gleich der Förderung ihrer eigenen Interessen zu dienen 
geeignet ist, wiesen die Vorstellungen der Serben hohn- 
voll zurück und beharrten bei den schwersten, für Ser- 
Grohs, Berlin. 
Der Herzog von Mecklenburg (X), General Liman v. Sanders Pascha (XX) und Frese Bey (XXX) 
an den Dardanellen. 
bien die Vernichtung bedeutenden Drohungen auf seiner 
Unterwerfung unter die bulgarischen Forderungen. Pa- 
schitsch (siehe Bild Bd. I Seite 2), der Anstifter der ser 
bischen Raub- und Meuchelmordpolitik, erlebte seine schwer 
sten Stunden. Er sah für das gleich bei Beginn des Krieges 
völlig erschöpfte Land, das eben langsam begann, sich von 
seinen furchtbaren Wunden zu erholen, leinen Ausweg. 
In Thronräten und Skupschtinasihungen wurde fruchtlos 
beraten, wie sich die drohende Gebietsabtretung vermeiden 
lasse. England zog seine Daumenschrauben nur unerbittlicher 
und fester an. Was half aller Tadel der serbischen Politiker 
darüber, daß Paschitsch sich dem Vierverband gegenüber als 
zu nachgiebig erweise? Am 24. August nahm die Skup- 
schtina mit 103 gegen 22 Stimmen in absichtlicher Abwesen 
heit von über 30 Abgeordneten die Tagesordnung an: 
„Nach der von der Regierung in einer geschlossenen Sitzung 
der Skupschtina gegebenen Aufklärung billigt die Versamm 
lung, indem sie die gefallenen Helden ehrt und ihren Ent 
schluß bekundet, auf seiten der Verbündeten den Kampf 
für die Befreiung und die serbisch-kroatisch-slowenische Ein 
heit durchzuhalten, unter den unerläßlichen Opfern zur 
Wahrung ihrer 
Lebensinteressen» 
die Politik der 
Regierung." 
Dieser Be 
schluß bedeutete 
nichts Geringe 
res, als die Be 
reitwilligkeit der 
serbischen Regie 
rung und der 
Volksvertretung, 
sich unter das 
englische Joch zu 
beugen und mit 
Bulgarien inVer- 
handlungen über 
die ihm nach dem 
zweiten Balkan 
feldzug abgenom 
menen Gebiete 
Mazedoniens ein 
zutreten. Dieser 
Entschluß ist allen 
äußeren Anzei 
chen nach den 
Serben überaus 
schwer geworden. 
Auch blieb Ser 
bien , indem es 
in der Antwort 
auf die einem 
Ultimatum gleich 
kommende Note 
des Vierverban- 
eine Abtre 
tung Mazedo 
niens bis zum 
Wardar versprach, 
so sehr hinter den 
Forderungen 
Bulgariens zu 
rück, daß dieses 
nicht einmal die 
Möglichkeit, überhaupt in Verhandlungen einzutreten, ge 
geben erachtete. Die Bulgaren verlangten klipp und klar 
auch die Abtretung des Gebietes Monastir, dessen gleich 
namige Hauptstadt Jahrhunderte hindurch der kulturelle 
und politische Mittelpunkt des einstmals stattlichen Lan 
des gewesen ist. Abgesehen davon, daß die Opferbereit 
schaft Serbiens völlig unzureichend war, kam sie aber auch 
zu spät. Denn die Verhandlungen Bulgariens mit der 
Türkei wurden durch das diplomatische Unternehmen des 
Vierverbandes eher beschleunigt, als gehemmt oder gar 
Amerikan. Copyright 1915 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart/ 
III. Band. 
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