Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
211 
die Vorwerke von Jwangorod 
ein. In zweistündigem Sturm 
angriff fielen am 1. August 
acht Austenforts mit 32 Ge 
schützen, 2300 Gefangenen und 
zahlreichem Material in die 
Hände der Sieger. Durch den 
Weichselübergang der Armee 
Woyrsch im Osten bedroht und 
der Gefahr ausgesetzt, umzin 
gelt und von der Hauptmasse 
des Heeres abgeschnitten zu 
werden, begannen die Russen 
Jwangorod zu räumen und 
gaben die wichtige Warschau 
deckende Blonielime auf. So 
hatte der Weichselübergang das 
Schicksal der beiden grotzen pol 
nischen Festungen entschieden: 
die russische Weichsellinie war 
durchbrochen und unhaltbar 
geworden. 
Jwangorod. 
Von Paul Otto Ebe. 
(Hierzu Bilder und Kartenskizze Seite 211 
bis 214.) 
Nachdem in dem Aufsatz 
Marschrichtung „Sienno — 
Jwangorod" Seite 190 ein 
kleinerer Teil der großen Ruß- 
landoffensive ausführlicher be 
sprochen wurde, mögen hier 
einige Angaben über den eigent 
lichen Kampf um die Festung 
Jwangorod mitgeteilt werden. 
Nowo-Georgiewsk, Warschau 
und Jwangorod bilden die „Weichselfestungen". Sie sollen 
den Übergang über den Strom unmöglich machen, indem 
sie das von diesem gebildete natürliche Hindernis künstlich 
verstärken. Im Unterschiede von Warschau sind die beiden 
anderen Festungen reine Militärfestungen, in denen also 
keine Zivilbevölkerung sich aufhält. Dieser Unterschied be 
wirkte eine grundverschiedene Zuteilung der militärischen 
Aufgaben schon vor der letzten Einkreisung Warschaus. Rus 
sische Befehle wurden bisher darüber Zwar nicht veröffent 
licht, doch geht es aus der Auslandspresse mit außergewöhn 
licher Offenheit hervor. Man fürchtete bei unseren Gegnern 
sehr bald, daß Warschau ein „russisches Sedan" werden 
möchte, vor dem nur noch ein eiliges Zurückreißen die 
Truppen retten könne. Einen hartnäckigen Widerstand 
scheint man im Hinblick auf die Menge der Zivilbevölkerung 
selbst bei zahlreicher Besatzung nicht für möglich gehalten 
zu haben. Ganz anders dagegen bei den Militärfestungen! 
Die Festung Jwangorod ist Knotenpunkt der vier 
Eisenbahnen nach Radom, Warschau, Lukow, Lublin. 
Sämtliche Brücken, Straßen und Eisenbahnen, sowohl die 
jenigen, die über die Weichsel, als auch die, die über den 
Wieprz führen, werden von den Festungsgeschützen be 
herrscht. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die nächsten 
Weichselbrücken erst wieder bei Warschau, hundert Kilometer 
weiter stromabwärts, und bei Krakau liegen, also sogar 
zweihundertfünfzig Kilometer weit entfernt am Oberlauf 
der Weichsel. Dazu sind beide Flußufer sumpfig, bei Hoch 
wasser weithin überschwemmt und umkränzt von kleineren 
und größeren, halb überwucherten Tümpeln oder toten 
Flußarmen. Man wird nach diesen Angaben die Bedeu 
tung Jwangorods als Brückenkopf hoch genug einzu 
schätzen wissen. 
Auch die Befestigungen hat man sich als großangelegt 
vorzustellen. Die enge Umwallung am rechtseitigen Ufer 
ist bastionenartig und zur Eeschützverteidigung hergerichtet. 
Sie wird verstärkt durch mehrere Vorwerke. Zahlreiche 
Artillerieräume liegen wohlverborgen tief in die Erde ein 
gedeckt, während die Geschütze auf dem offenen Wall 
stehen. Mehrere Kasernen, Munitionsräume, Magazine 
und ähnliche Gebäude werden von der Umwallung um 
säumt. Mindestens drei Kilometer weiter vorgeschoben sind 
fünf Forts am rechten und drei am linken Weichselufer 
Phot. Emil Fischer, Hermannstadt. 
General der Infanterie Kövesz v. Köveszhäza, 
der Kommandant des siebenbürgischen Korps, das am 1. August vor 
der Westfront von Jwangorod einen glänzenden Erfolg erzielte. Acht 
stockwerkartig angelegte betonierte Stützpunkte wurden mit dem Bajonett 
dem Feinde entrissen, über 2300 Gefangene gemacht, 32 Geschütze, dar 
unter 21 schwere, und 11 Maschinengewehre erbeutet. 
mit einem Umfang von zwanzig 
Kilometern und einem Durch 
messer von siebeneinhalb Kilo 
metern. Die Fortszwischen- 
rüume wurden bei Kriegsbeginn 
gut ausgebaut. Mit Hilfe der 
Feldbefestigung schuf man stän 
dige Unterkunfts- und Artillerie- 
räume selbst drei Kilometer 
vom Fortsgürtel entfernt auf 
den überragenden Höhen des 
rechten Weichselufers. 
Entsprechend diesen gün 
stigen Vorbedingungen für die 
Verteidigung war der Kampf 
um die Festung sehr erbittert. 
Zeitungsleser, die nur den deut 
schen Tagesbericht durchsehen, 
haben freilich davon nicht viel 
gemerkt und wurden plötzlich 
überrascht durch die fettge 
druckte Nachricht, daß Jwan 
gorod genommen sei, und zwar 
schon einen Tag früher, als 
unsere Truppen in Warschau 
einrückten. Die Kämpfe um 
Jwangorod waren nämlich nicht 
aus dem deutschen, sondern 
aus dem österreichisch-ungari 
schen Tagesbericht zu ersehen. 
Die Truppen von Deutsch 
lands Verbündetem waren „an 
gesetzt" auf die Festung, einige 
deutsche Verbünde fochten an 
ihrer linken Schulter, und nur 
auf diese letzteren beziehen sich 
meist die deutschen Nachrichten. 
So meldete Wien am 24.Juli 
amtlich mehrere russische Vorstöße gegen das siebenbürgische 
Korps dicht westlich Jwangorod, die zurückgeschlagen wurden. 
Am nächsten Tage wiederholten sich ähnliche, aber schwächere 
Vorstöße. Man sieht, die russische Besatzung wehrte sich 
keineswegs nur defensiv, sondern wagte mit der Hauptreserve 
und den Abschnittreserven offensive Gegenstöße. So setzte 
ein gewaltiger Vorstoß nochmals am 28. Juli westlich Jwan 
gorod ein, der unter großen Verlusten für die Russen im 
Feuer der Einschließungstruppen zusammenbrach. Dadurch 
wurde der Verteidiger sehr geschwächt und konnte anschei 
nend nicht mehr verhindern, daß am 28. Juli früh an 
mehreren Stellen beiderseits der Radomkamündung der 
Weichselübergang erzwungen wurde. Diefe Stoßgruppe auf 
dem rechten Ufer war der schmerzhafteste Pfahl im russischen 
Fleische, denn er bedrohte die Festung vorläufig von Nord 
westen, konnte sich jedoch weiter vorwärts treiben und die 
rückwärtigen Verbindungen der noch nicht eingekreisten 
Festung abschneiden. Es nimmt deshalb nicht wunder, daß 
sich wütende russische Angriffe gegen den kühnen Eindring 
ling wandten. Auch der deutsche Bericht meldete am 31. Juli 
diese Gegenstöße, die mit der Gefangennahme von 1 Regi 
mentskommandeur, 6 Offizieren, 1600 Mann und der völ 
ligen Zurückwerfung des Feindes endeten. Als am 30. Juli 
österreichisch-ungarische Kavallerie in Lublin einrückte, war 
die Lage, wie aus Skizze Seite 214 ersichtlich. Immer wieder 
flammten diese Angriffe gegen Nordwesten auf, bis sieben 
bürgische Regimenter mit mächtigem Ansturm unter General 
der Infanterie v. Kövesz auch im Westen anpackten und 
acht stockwerkartig angelegte betonierte Stützpunkte er 
oberten (siehe obenstehendes Porträt und Bild Seite 212/213). 
Nun hielten die Russen nicht länger stand. Der zähe 
Kampf um die Festung ging über in einen Rückzug mit 
Nachhutgefechten. Am 4. August war West-Jwangorod 
in den Händen der deutschen Verbündeten. Am 9. August 
stand man bereits in Linie Zechelow—Ryki—Lublin. Süd 
westlich davon war das Gelände vom Feinde gesäubert — 
Jwangorod war unser! 
Die Badener im Gefecht. 
Ein trüber Herbsttag brach an und erfrischte uns mit 
seinem natzkalten Tau. Kaum waren wir wach» da kam der
	        
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