Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Maschinen für Parfümerieartikel hergestellt worden waren, 
surrten die Motore und klatschten die Transmissionen an 
den Drehbänken, in denen Frauen und Mädchen, die Feld 
grauen ersetzend, die Eisen- oder Stahlrohstäbe eingespannt 
hatten, um daraus Granaten zu drechseln. 
Bild 1 zeigt uns das äußerliche Abdrehen der Geschosse, 
das mit peinlicher Genauigkeit erfolgen muß, denn das 
Geschoß darf auf dem Wege durch die Rohrseele nicht 
schlottern. Noch weniger darf es zu dick sein und stecken 
bleiben, wodurch ein Bersten des Geschützes verursacht 
werden könnte. Nahe dem Kopfe ist die Granate etwas 
dicker. Man nennt diesen Teil die Zentrierwulst. Nahe dem 
Boden wird außen eine kreisförmig umlaufende Rille ein- 
gefrüst, in die mit hydraulischem Druck ein Kupferring 
— der Führungsring — eingepreßt wird. Dieser steht etwas 
vor, ist aber sehr weich und schmiegt sich, sobald das Geschoß 
sich in Bewegung setzt, der Führung der gezogenen Seele 
an, auf diese Weise dem Geschoß eine Drehung um seine 
Längsachse gebend, die es bis zum Springen beibehält. 
Bild 2 und 4 stellen das Ausdrehen des inneren Hohl 
raums dar, sowie das Lackieren desselben, damit die Pikrin 
säure nicht mit dem Metall in Berührung kommen und 
chemische Verbindungen eingehen kann. 
Auf Bild 5 sehen wir das Ausleuchten, Abstempeln und 
Verschrauben der gestrichenen Granaten, bei 3 das Wiegen. 
Ein kleiner Gewichtsunterschied ändert die Flugbahn des 
Geschosses sehr wesentlich. Je größer die Schußweite ist, 
um so mehr. Es muß deshalb eine möglichst genaue Aber- 
einstimmung des Gewichts aller Granaten derselben Art 
verlangt werden. Denn eine Granate, die um 10 Meter 
zu kurz geht, schlägt mit nur geringer Wirkung vor der Brust 
wehr, eine 10 Meter zu weit gehende ganz ohne Wirkung 
hinter dem Graben ein. Um aber gar auf 2 Meter genau 
in den Graben zu treffen, dazu gehört neben genauem 
Nichten ein genau gearbeitetes Geschütz, ein ebensolches Ge 
schoß, richtiges Ermitteln der Entfernung und — Glück! 
Daher der große Geschoßverbrauch. 
Bild 6 endlich zeigt uns den gewissenhaften deutschen 
Feuerwerker bei der „Abnahme". Er hat mit sogenannten 
„Leeren" die Abmessungen genau zu prüfen und was nicht 
stimmt, zurückzuweisen. Das ist ein Dienst im verborgenen, 
der unbedingte Zuverlässigkeit bei schneller Arbeit verlangt 
und auf dessen richtiger Ausführung die Wirkung unserer 
Artillerie hauptsächlich mit beruht. Wir wollen also auch 
unserer Feuerwerker nicht vergessen! 
Nachdem die Geschosse durch den von unseren Bildern 
veranschaulichten Kleinbetrieb unserer „mobilisierten Zivil 
industrie" hindurchgegangen sind, gelangen sie zum Ein 
pressen der Führungsringe in die Riesenhallen unserer Welt 
firmen. Von da wandern sie dann in andere, unter mili 
tärischer Aufsicht stehende Betriebe, wo sie geladen werden. 
Zwei Millionen Gefangene. 
Zwei Millionen Feinde sind den deutschen und öster 
reichisch-ungarischen Truppen seit Kriegsbeginn bis Mitte 
August 1915 als Gefangene in die Hände gefallen. Diese in 
der Weltgeschichte unerhörte Zahl gibt, wie die „Frankfurter 
Zeitung" schreibt, das greifbarste Maß unseres Erfolges. Er 
ist mit dem Fortschreiten des Krieges gewachsen. Während 
die erste Million Kriegsgefangener nach 6 Monaten und 
3 Wochen erreicht war, hat es eines Monats weniger be 
durft, um diese reiche Beute zu verdoppeln. Die zwei Mil 
lionen verteilen sich ungleich auf die Heere des feindlichen 
Bundes. Die Westfront, die monatelang fast unveränderlich 
feststand, hat etwa 331000 französische, belgische und eng 
lische Gefangene eingebracht. Das Heer der Donaumonarchie 
hat auf dem südöstlichen Kriegschauplatz 23 000 Serben ge 
fangen genommen. Der Rest entfällt auf das russische 
Heer, das 1 654 000 Mann durch Gefangennahme verloren 
hat. Mehr als die Hälfte davon sind in den letzten Mo 
naten in den Händen unserer Truppen geblieben. Seit 
der Durchbruch bei Tarnow und Gorlice den erstarrten 
Stellungskrieg im Osten zur frischen Bewegung aufgelöst 
hat, nahmen wir in Galizien, Polen und im Norden 
301 000 Russen gefangen, im Juni 220 000, in der ersten 
Hälfte des Juli 32000. Am 14; Juli begann dann der Haupt 
angriff der verbündeten Armeen gegen die polnische Festungs 
linie, der zu dem umfassenden Gesamtrückzug der Russen 
führte. Hier brachten wir bis Ende Juli 190 000, bis Mitte 
August weitere 95 000 Gefangene ein, so daß die russischen 
Heere seit dem 14. Juli wieder 285 000 Mann eingebüßt 
haben. Die-gewaltigen Verluste der Russen hindern, so be 
merkt das Blatt, die russischen und französischen Militär- 
kritiker nicht, den Rückzug als gelungenes Manöver zu er 
klären, das die russische Armee vor Verlusten bewahrt habe. 
Diese Manöver aber haben den Russen größere Einbuße 
gebracht als die gewaltigsten Schlachten. Bei diesen Zahlen 
sind die Gefangenen nicht eingerechnet, die von unseren 
türkischen Verbündeten und von den Österreichern und Un 
garn auf der italienischen Front gemacht worden sind. Es 
liegt in der Art der Kämpfe an den Dardanellen, im Kau 
kasus und am Jsonzo begründet, daß die Gefangenenzahlen 
hier nicht zu so gewaltiger Höhe anschwellen, wie auf den 
Hauptkriegschauplätzen Europas. Desto größer sind dort die 
blutigen Verluste unserer Feinde. Ihre Gesamteinbu.ße an 
kriegerischen Kräften ist auf viele Millionen Mann zu 
schätzen. Kein Menschenvorrat der Welt wird während des 
Krieges imstande sein, diese Verluste wieder gutzumachen. 
Erstürmung von Fes durch Kabylen. 
Merzn das nebenstehende Bild.) 
Unleugbar haben die Franzosen aus ihren Kolonien 
einen erheblichen Vorteil gezogen, indem sie von dort eine 
große Zahl farbiger Soldaten auf den europäischen Kampf 
platz werfen konnten. Ihre jüngste aber, um die schon vor 
einigen Jahren beinahe ein Krieg entbrannt wäre und die 
dann durch die Konferenz von Algeciras fest in ihre Hand 
gegeben wurde: Marokko hat die günstig scheinende Ge 
legenheit sofort benutzt, ernste Anstrengungen zur Wieder 
gewinnung der verlorenen Freiheit zu machen. Bereits im 
September vorigen Jahres wurden verlustreiche Schar 
mützel der Franzosen gegen Aufständische gemeldet. Die 
Verkündigung des heiligen Krieges rief den größten Teil 
der Marokkaner, soweit sie nicht unmittelbar von den Ka 
nonen der Fremdherrscher bedroht waren, zur Erhebung 
gegen die Eindringlinge auf. . Auch aus Algier, ja selbst 
aus Tunis machten sich viele Kabylen auf, an diesem Be 
freiungskämpfe teilzunehmen. Anderseits hatten die Fran 
zosen gerade aus Algier die Truppen fortgeholt, die seit 
Jahren im Kolonialkrieg ausgebildet waren, die Turko und 
Spahi; den Fremdenlegionären aber, unter denen es ja 
leider so viele Deutsche gibt, mochten sie wohl selber nicht 
mehr recht trauen. So zogen sie sich allmählich aus dem 
Innern des Landes zurück, und wo sie gelegentlich ernsteren 
Widerstand wagten, endete der Strauß gewöhnlich mit emp 
findlichen Verlusten für sie. Im Januar kam dann über 
Konstantinopel die Nachricht, daß einer der angesehensten 
marokkanischen Führer, Abdul Malik, sich der Hauptstadt 
Fes bemächtigt habe. Die Franzosen leisteten in der Er 
wägung, daß ihr Ansehen durch den Verlust dieser Stadt 
schweren Schaden leiden mußte, langen und zähen Wider 
stand. Aber der blinde Todesmut islamitischer Streiter im 
heiligen Krieg ist ja bekannt, und so scheuten auch die 
Truppen Abdul Maliks kein Opfer, ihr Ziel zu erreichen. 
Dazu kommt, daß er eine starke Stütze an dem an 
gesehenen Rais Uli fand, der ja schon in der Zeit vor und 
nach der Algeeiras-Konferenz in den dortigen Unruhen eine 
wichtige und für die Franzosen sehr unliebsame Rolle gespielt 
hatte. Zuletzt versuchten diese dann noch Uneinigkeit in die 
Reihen der Feinde zu tragen, indem sie durch von ihnen ab 
hängige angesehene Marokkaner Abdul Malik die Sultans 
würde anboten und so den Neid seiner Unterführer zu er 
regen hofften. Er ließ aber die Abgesandten kurzerhand 
gefangen setzen und dem französischen Befehlshaber ant 
worten, er werde den Kampf so lange fortführen, als 
Seine Heiligkeit der Kalif ihm nicht das Gegenteil befehle. 
Kowno. 
Von Major a. D. Ernst Moraht. 
Merzn die Bilder und Vogelschaukarten S. 198, 199, 201.) 
Ein starkes Hindernis für das Vordringen deutscher 
Heere gegen den Rjemen ist die russische Festung erster 
Klasse Kowno gewesen. Aber schon vorher hat sie ihre 
Einwirkung auf den Feldzug der Russen gegen die preußi 
schen Provinzen deutlich zu erkennen gegeben. Kowno war 
die feste Grundlage, auf die sich die Armee Rennenkampf 
stützen konnte, als sie gegen Gumbinnen vordrang, und
	        
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