Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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Egon Lerch.
Merzn das Bild Seite 176.)
Der 21. Dezember 1914
war ein besonderer Ehren-
und daher Freudentag für
die österreichisch - ungarische
Marine, und ihre Gefühle
fanden lauten Widerhall im
ganzen Vaterland und in
allen Gauen des treuver
bündeten Deutschen Reiches.
Das österreichisch-ungarische
Unterseeboot „LI 12" hatte
einen außerordentlichen Er
folg zu verzeichnen, ein noch
nicht dagewesenes Helden
stück war ihm glücklich ge
lungen. 350 Seemeilen vom
Heimathafen entfernt, hatte
es den französischen Uber-
dreadnought „Jean Bart",
ein Großkampfschiff von
23000 Tonnen, das, mit der
Admiralsflagge geziert, an
der Spitze der französischen,
aus über 16 Schlachtschif
fen bestehenden Hochseeflotte
fuhr, bei überaus stürmischem
und nebligem Wetter durch
zwei wohlgezielte Torpedos
in w enig en Minut en v ers enkt,
Der tapfere Kommandant des Heldenbootes war der
Linienschiffsleutnant Egon Lerch, dessen Name, schon bisher
seinen Kameraden wohlbekannt, nun geradezu volkstümlich
wurde. Die hervorragende Tat hatte nämlich nicht nur den
Schneid und Mut der Besatzung und des Führers dieses
Unterseebootes bewiesen, sondern auch gezeigt, wie seetüchtig
und kühn die österreichisch-ungarischen Tauchboote arbeiten
können und wie sehr noch der Geist Tegetthoffs in den Reihen
der österreichisch-ungarischen Marine lebt. Lerch und seine
Offiziere und Matrosen wurden hoch geehrt und erhielten von
Kaiser Franz Joseph wohlverdiente Auszeichnungen; Lerch
wurde außerdem mit dem Eisernen Kreuz geschmückt.
Egon Lerch war hochbe
glückt, denn von Kindheit an
hatte er von nichts ande
rem geträumt, als ein See-
held zu werden. AIs Sohn
eines hohen Marineoffiziers
liebte er das Meer und die
Marine über alles. Erwürbe
1886 in Triest geboren und
hatte sein ganzes Leben —
mit Ausnahme des vierjäh
rigen Besuches einer Mili-
türkadettenschule — ganz an
und auf der See verbracht.
Schon in jungen Jahren und
auf der Marineakademie
zeigte er, daß er ein kühner,
tapferer Seeoffizier werden
würde, und bald nachdem
er sich das Portepee erwor
ben hatte, lenkte er sein In
teresse in erster Linie der
schneidigstenMarinewaffe zu
— dem Unterseeboot. Er
rückte sehr rasch auf: 1904
war er Seekadett, 1908
Fregattenleutnant,und schon
1913 wurde er zum Li
nienschiffsleutnant ernannt.
Nachdem er zuerst auf dem
„LI 5", das sein Freund, der
kühne v. Trapp (Bild Bd. II
Seite 378), kommandierte, tätig gewesen war, dann vor
übergehend ein Torpedoboot befehligt hatte, erhielt er —
das Ziel seiner Sehnsucht — das Kommando über „L112".
Tiefen Eindruck machte auf Lerch die Kriegserklärung
Italiens. Er fühlte im ersten Augenblick, daß die öster
reichisch-ungarische Marine nun in hervorragendem Maße
werde zeigen können, was sie vermag. Mit erhöhtem
Mut sah er der Zukunft entgegen, und die Ehrentage, die
nun anbrachen, von der kühnen Beschießung der Ostküste
Italiens am Tage nach der Kriegserklärung an, waren
die glücklichsten seines Lebens. Ein tragisches Geschick hat
es gewollt, daß es zugleich seine letzten waren und daß unter
Pliot. Ed. Frankl, Berlin.
Rulhenische Telegraphenwache in Ostgalizien.
Rulhenisches Bauernhaus in Tucholka.