Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
Damit schien denn auch die Tatkraft der Angreifer hier er 
mattet. Nur am Abend des 24. versuchten sie noch einen Vor 
stoß, der indes schon im Keime erstickt wurde. Der übrige 
Teil der zweiten Jsonzoschlacht spielte sich weiter südlich ab; 
diesmal betrugen die italienischen Verluste 100 000 Mann. 
Der italienische Minister Orlando, der sich kurz danach die 
Jsonzostellung ansah, formte sein Urteil in folgende Worte: 
„Die Österreicher haben den Ruf, Meister in der Kunst der 
Anlage solcher Verteidigungswerke zu sein; hier haben sie sich 
selbst übertroffen. Die Schützengräben stellen das Voll 
endetste dar, das man sich denken kann. Die Bauart ist 
dauerhaft, jeder Schlupfwinkel gesichert, der Mechanismus 
genial erdacht. Sie haben alle Erfindungen des bösen 
Geistes gegen uns in Anwendung gebracht und noch etwas 
dazu: die unvorhergesehensten Listen und die ausgeklügeltsten 
Täuschungen." Nun, die Verteidiger Haben allerdings zum 
Beispiel Drahtverhaue angelegt, die während des Artillerie- 
Phot. Leipziger Presse-Büro. 
Soldatengrab in einem Kornfeld auf dem polnischen Kriegschauplatz. 
feuers scheinbar zerschmettert auf dem Boden liegen, dann 
aber mit Stricken dicht vor den heranstürmenden Italienern 
plötzlich hochgezogen werden, und was derartige Kniffe mehr 
sind. Was aber das alles mit dem „bösen Geist" zu tun haben 
soll, ist unerfindlich; eher dürfte er in den Angreifern 
wirken, die nach jahrzehntelangem Bündnis treulos ins 
Lager der Feinde abgeschwenkt sind und nun an Öster 
reichs Grenze das finden, was schon in dem bekannten Ge 
dicht von „Habsburgs Mauern" als sicherster Schirm und 
beste Wehr bezeichnet ist, fester denn jede Mauer: einen 
Wall unerschütterlicher, zu jedem Opfer und jeder Leistung 
bereiter Männer, denen höchstens der Tod die Schwert 
hand zu lähmen vermag. 
Die Wiedereroberung von Szawle. 
(Hierzu die Bilder Seite 168 und 169.) 
Als die russischen Raubhorden aus dem nordöstlichen 
Zipfel Preußens geworfen worden waren, hatten sich die 
deutschen Truppen den Fliehenden sofort an die Fersen 
geheftet. Die ersten größeren Gefechte fanden bei Laugs 
zargen statt und endeten am 26. März 1915 damit, daß die 
Russen über die Jeziorupa hinter den Juraabschnitt zurück 
geworfen wurden, worauf zwei Tage später die Erstürmung 
von Tauroggen folgte. Damit trat auf diesem Kampfplatz 
scheinbar wieder Ruhe ein; bis auf die kurze Nachricht von 
einem Erfolg deutscher Kavallerie am 6. April bei Andrzejewo 
ließ das Hauptquartier nichts verlauten, und das dauernd 
schlechte Wetter konnte als genügende Erklärung für den 
Stillstand aller Bewegungen gelten. In Wahrheit wurden 
in jener Zeit alle erforderlichen Grundlagen für den kühnen 
Vormarsch getroffen, der am 27. April unter Führung des 
Generalleutnants v. Lauenstein gleichzeitig von Schmalle- 
ningken und vom ostpreußischen Zipfel aus einsetzte. Am 
1. Mai hörte die überraschte Welt plötzlich, daß starke deutsche 
Truppen in breiter Front die Eisenbahnlinie Dünaburg— 
Libau erreicht hatten. Tags zuvor waren sie bereits in 
den wichtigen Ort Szawle einmar 
schiert. Am 8. wurde unter kräftiger 
Mitwirkung deutscher Kriegschiffe 
Libau erobert. Deutsche Kavallerie 
stand schon vor Mitau; Riga, die 
Hauptstadt Livlands und zugleich 
nach St. Petersburg der wichtigste 
russische Handelsplatz an der Ostsee, 
schien stark bedroht. Nun holten die 
Russen Verstärkungen heran, so viel 
sie vermochten; sie erkannten jetzt die 
volle Bedeutung des deutschen Ein 
marsches in Kurland, den man in 
London und Paris bloß mit höh 
nischen Beiworten bedacht hatte. Die 
deutschen Truppen mußten vor der 
Übermacht ein Stück zurückgenom 
men werden, im südlichen Teil sogar 
bis hinter die Dubissa, und es folg 
ten nun wieder wochenlang an den 
verschiedensten Stellen russische An 
griffsversuche, zumeist mit überlege 
nen Kräften unternommen, die aber 
alle an der Klugheit der deutschen 
Führung und der Tapferkeit der ihr 
unterstellten Kämpferscheiterten. Erst 
am 14. Juli überschritt General v. Be- 
low wieder zu einer entschiedenen 
Vorwärtsbewegung die Windäu bei 
Kurfchany. Er erzielte einen vollen 
Erfolg. Am 20. begann der Angriff 
auf die russischen Stellungen bei 
Szawle zwischen den Dörfern Lepary 
und Gringary, die sehr kräftig aus 
gebaut waren. Schon bei einiger Ent 
fernung fast unsichtbar, liefen die 
Schützengräben und Deckungen in 
mehrfachen, untereinander mannig 
faltig verbundenen Linien durch das 
hüglige, baumreiche Gelände; auch 
verfügten die Verteidiger über ge 
nügend Artillerie und hatten insbeson 
dere an der beherrschenden Höhe 142 
bei Lepary einen höchst wertvollen Stützpunkt. Die Treff 
sicherheit der deutschen schweren Geschütze tat aber auch hier 
ihre oft erprobte Wirkung. Zweieinhalb Stunden lang wurden 
die russischen Verschanzungen mit einem Hagel von Geschossen 
überschüttet, die geradezu furchtbare Verheerungen anrich 
teten. Dann setzte der Jnfanterieangriff ein, der sich beson 
ders gegen die erwähnte Höhe 142 kehrte. Um halb vier Uhr 
war sie genommen und der Feind damit zum Rückzug ge 
zwungen. Abends und nachts machte er noch wiederholte hef 
tige Gegenangriffe, die aber am Ergebnis des Tages nichts 
mehr ändern konnten, ebensowenig wie die Beschießung des 
Ostteils von Szawle, die den Abmarsch nach Radziwilischki 
decken sollte. Die wichtige Stadt befand sich zum zweiten 
Male in deutschen Händen, allerdings wiederum brennend 
/siehe auch Bild Band II Seite 403), wie man es von den 
Russen bei jeder Niederlage schon gewohnt ist. Es wurden 
auch mehrere tausend Gefangene gemacht und sonstige reiche 
Kriegsvorräte erbeutet. Bei unseren Feinden im Westen 
aber war es bei der Nachricht von diesem Siege rasch mit 
allem Spott zu Ende; besonders Londoner Blätter erörterten
	        
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