Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
und kam damit der Besatzung des Grünen Grabens in 
den Rücken. Das war der Todesstoß für diese letzte feind 
liche Stellung. Ein schreckliches Kesseltreiben beginnt, denn 
unsere 67er und 145er dringen schon in die _ Front des 
Grabens ein. Stolz und heldenhaft fällt dabei der Kom 
mandeur der eingeschlossenen Franzosen, Major Remy vom 
Regiment 151, ohne sich zu ergeben. 
Der Kampflärm verstummt allmählich. Nur das Jam 
mern und Wimmern der vielen französischen Schwer 
verwundeten, denen man nicht sofort Hilfe bringen kann, 
stört die Stille der Nacht und das emsige Spatenklappern 
der Sieger, die sich neu eingraben, um allen Gegenangriffen 
mit Ruhe entgegensehen zu können. 
Wenige Tage später, am 9. Juli, waren Abordnungen 
sämtlicher an den ruhmvollen Kämpfen vom 20. Juni bis 
2. Juli beteiligten Regimenter, etwa 2000 Offiziere, Unter 
offiziere und Mannschaften, südöstlich Lanxon am Rande 
der Argonnen zu feierlichem Dankgottesdienst (siehe Bild 
Seite 88) in stiller Waldschlucht vereint, um dem obersten 
Lenker der Schlachten die Ehre zu geben und im Namen des 
Kaisers durch den hohen Armeeführer die wohlverdienten 
Eisernen Kreuze zu empfangen. Als der Divisionsgeistliche 
in zündender Rede darauf hinwies, daß der herrliche Sieges 
zug im Osten nur möglich geworden sei, weil in dem fest 
gefügten Bollwerk des Westens nie verzagte, treue, schlichte 
Helden in unerschütterlichem, nimmermüdem, selbstlosem 
Kriegstum den unaufhörlichen Angriffen der überlegenen 
Feinde eiserne Schranken setzten, und daß selbst diese Lei 
stungen durch die letzten kühnen und erfolgreichen Kämpfe 
in den Argonnen übertroffen seien, da leuchteten auf den 
hart gewordenen Soldatengesichtern all der Tapferen Be 
friedigung und Dank gegen die Vorsehung, die sie zu dieser 
blutgetränkten, ehrenvollen Walstatt geführt hatte. Reiche 
Anerkennung zollte auch der Kronprinz in knappen Worten 
dem mustergültigen Verhalten der erprobten Truppen, die 
nach monatelangem Stellungskampfe altpreußisches und 
württembergisches Draufgehen nicht verlernt hätten und 
die einst in frischem, allseitigem Angriff erneut dem Feinde 
entgegenzuführen sein Herzenswunsch sei. Diesen Wunsch 
bekräftigte er mit einem dreifachen Hurra auf Ihre Majestäten 
den Deutschen Kaiser und den König von Württemberg. — 
Während also in den Kämpfen vom 20. Juni bis 2. Juli 
die Franzosen aus ihren guten Höhenstellungen gegen das 
Biesmetal geworfen wurden, waren unsere Truppen östlich 
Le Four-de-Paris (siehe die Skizze Band II Seite 352) nicht 
untätig, sondern sammelten ihre Kräfte und Vorräte für 
einen wohlvorbereiteten Angriff gegen die beherrschende 
Höhenstellung 285 und den sich daran anschließenden Höhen 
zug La Fille-morte in den Ostargonnen (siehe Skizze 
Seite 134 unten). Die Franzosen dagegen wollten im 
Gegenstoß den Eeländeverlust vom 20. Juni bis 2. Juli 
wieder einbringen, und dazu sollte ihnen der Hauptsturm am 
14. Juli verhelfen. 
Die feindlichen Stellungen lagen in den Ostargonnen 
den deutschen Gräben auf meist nicht mehr als fünfzig Schritt 
gegenüber. Teilweise verringerte sich der Abstand aus 
zwanzig. Wir lagen am Hang; die Franzosen schossen von 
oben in unsere Stellungen, hatten gute Beobachtungsmög 
lichkeit, freies Schußfeld und gedeckte rückwärtige Verbin 
dungen. Kein Wunder, daß den deutschen Truppen ihre 
Stellung auf die Dauer nicht paßte. Doch stand zwischen 
Angriffslust und Ausführung die Feldbefestigungskunst der 
Franzosen, die vorerst nicht mit Mut und Tapferkeit, son 
dern nur mit technischen Hilfsmitteln beseitigt werden konnte. 
3 Meter tief lagen die feindlichen Gräben im Boden, un 
kenntlich gemacht durch die hohen Farnkräuter ringsum 
und das Dorngestrüpp, das der Feind teilweise eigens auf 
die feindlichen Brustwehren eingepflanzt hatte, um sie der 
Umgebung anzupassen. Ein Netz von Verbindungsgräben 
zwischen Schützen-, Deckungs- und Reservegräben ließ eine 
gedeckte Befehlsübermittlung zu und erlaubte ein rasches, 
unbemerktes Verschieben der Truppen von einem Graben, 
einer Stellung zur anderen. Starke Balken, gut geflochtene 
Zweigbündel, Drahtmaschenwände, Mauern aus Ziegel 
oder Beton hatten eine vorbildlich ausgebaute Stellung 
entstehen lassen, die mit den ein bis zwei Meter starken Ein 
deckungen der Unterschlupfe, ihren alle fünf bis sechs Schritt 
angebrachten starken Schulterwehren, ihren vielen Block 
häusern und Maschinengewehrstünden einer kräftigen Be 
schießung und einem heftigen Ansturm wohl gewachsen 
schien. Die Armierung war entsprechend reichhaltig. Leichte 
und schwere Batterien hatten sich im Walde gut zuge 
wachsen aufgestellt, Bronzemörser, Minenwerfer, Revolver 
kanonen standen in den Gräben. 
Schon am 11. Juli sollte nach späteren Eefangenen- 
aussagen der französische Hauptsturm in Szene gesetzt 
werden. Er wurde verschoben und endgültig auf den 
14. festgesetzt, mit einer Angriffsstärke von acht Divisionen. 
Der trübe, kühle Morgen des 14. Juli dämmert. Ein 
einzelner deutscher Mörserschuß kracht aus der Batterie- 
stellung weit hinten, schlürft hoch über die Grüben hinweg 
und wirft krachend drüben einen riesigen Sprengtrichter 
auf. Das war der Anfang. Denn plötzlich bricht die Hölle 
los in gewaltigem Tosen. Das Zuschauen wird jedoch bald 
vergällt durch die französischen Batterien, die wacker Rede 
und Antwort zu geben scheinen. Der Boden zittert. Erd 
fontänen spritzen auf. So unaufhörlich, so rasch nacheinander» 
so dicht nebeneinander, daß man in ein wogendes Meer 
zu blicken meint. Derartig hebt und senkt sich die Erdober 
fläche. Dort spritzt es hoch auf! Da wälzt sich eine Rauch 
wolke träge zerfließend nach der Seite. Die nächste mischt 
sich mit ihr. Es brodelt, wogt und quillt überall, ein dunkles, 
verschlingendes Chaos. Frohlockend merkt man allmählich, 
wie unsere Artillerie die Feuerüberlegenheit gewinnt. 
Täuscht man sich nicht? Das bedeutet für unsere braven 
Soldaten „weiterleben". Denn der Sturm ist eine Kleinig 
keit gegen dieses Artilleriefeuer. Es wäre zu schön, um es 
gleich zu glauben. 
Doch es ist wirklich so! Um acht Uhr vormittags 
können am linken Flügel, etwa in der Mitte zwischen 
Höhe 285 und 263, die 5. Jäger durch die feindlichen 
Verhaue brechen. In sieben Minuten sind die drei ersten 
Gräben überrannt. Die Besatzung wird eingeschlossen und 
scheidet aus dem weiteren Gefecht aus. Um elf Uhr 
dreißig Minuten vormittags ertönte eine gewaltige Ent 
ladung. Tapfere Pioniere hatten an anderer Stelle unter 
wütendem Handgranatenhagel unbekümmert in ihrer Sappe 
dicht beider feindlichen Stellung eine doppelte Sprengladung 
angebracht. Sie erplodierte zur rechten Zeit. Es war der 
Augenblick des deutschen Sturms auf das ganze Schützen 
grabengewirr. Die Hindernisse werden vollends zerschnitten, 
mit kühnem Sprung geht es in die Gräben. Es ist kein 
Halten mehr. Bis auf den Höhenkamm dringt die unauf 
hörliche Flut der deutschen Kämpfer. Der Kamm wird 
teilweise überschritten im tollen Draufgängertum bis nach 
Vallse-des-Courtes-Chausses. Ein kleiner Teil stürmt noch 
weiter. Cie haben sich ein verwegenes Ziel gesetzt, die 
feindlichen Geschütze im Grund. Ob sie wissen, daß ihr 
Bataillon sich schleunigst auf der Höhe La Fille-morte 
sammelt, ob sie wissen, daß sie weit über den Angriffsplan 
hinaus handeln? Der Ehrgeiz hat sie gepackt. Die Geschütze 
wollen sie in die Hand bekommen. Koste es, was es wolle! 
Jetzt sind sie dort! Vier leichte und vier schwere Geschütze 
stehen vor ihnen. Hand anlegen! Zurückschaffen! — Es 
geht nicht. Sie sind viel zu schwer. Schon zieht der Geg 
ner seine Truppen in der Ferne zum Gegenstoß zusammen. 
Arte, Spaten, Beilpicken schlagen klingend in das Kanonen 
metall. Sie sind zu schwach. Richtvorrichtungen, Ver 
schlüsse werden heruntergerissen. Die Kanonen müssen 
unbrauchbar werden! Einige Handgranaten in die Rohre! 
Das hilft! Es ist auch höchste Zeit. Nun heißt es Fersen 
geld geben. Es ist heute keine Schande. Doch wird noch 
rasch an einer anderen Stelle ein Motor gründlich zerstört, 
der Preßluft jn die Minenstollen führt. Schon kommt der 
Gegenstoß. Er wird blutig abgewiesen. 
Nicht viel länger als zwei Stunden hat das alles ge 
dauert. Doch wiederholten sich die aussichtslosen Gegen 
stöße noch den ganzen 14. Juli. Das war trotz aller Mühen 
bei unseren Truppen eine stolze Siegesfreude am französi 
schen Nationalfest! Auch die feindlichen Gegenstöße gegen 
die Westargonnenstellung wurden blutig abgewiesen, denn 
sie wurden durch die dringend nötigen Truppenabgaben an 
die Kampffront von La Fille-morte geschwächt, wo sich 
der Brennpunkt des ganzen Unternehmens befand. 
Das Ergebnis der gesamten Argonnenkämpfe vom 
20. Juni bis 14. Juli waren über 7000 Gefangene, darunter 
116 Offiziere, sowie 4000 Tote, wonach die Zahl ihrer Ver 
wundeten mindestens 5000 bis 6000 betragen haben dürfte. 
Die Eesamtverluste der Franzosen in diesem Abschnitt be 
trugen also 16 000 bis 17 000 Mann, wozu noch die Ma-
	        
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