Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Prasznysz und bei Kolno klargemacht hatten, daß die preußi 
sche Grenze für ihn nicht mehr überschreitbar war, befanden 
wir uns auf russischem Gebiet in den Gouvernements Plock 
und Lomsha in der Verteidigungstellung. In gut' aus 
gebauten Erdwerken hielten wir uns den Gegner vom Leibe. 
Sonst aber Hörle man aus diesem Kampfgebiet nur immer, 
daß die Lage unverändert sei. 
Kurz nachdem in den Julitagen Eeneralfeldmarschall 
v. Hindenburg auf dem Posener Schloß mit dem Kaiser 
und dem Chef des Generalstabes, General v. Falkenhayn, 
zu wichtigen Besprechungen zusammengetroffen war, kam 
Leben in die deutsche Stellung zwischen Mlawa und Kolno. 
Zunächst ereigneten sich lebhafte Zusammenstöße in einigen 
Abschnitten der Bobr- und Narewfronr. Diese gewaltige 
russische Verteidigungstellung mit ihren sieben starken 
Brückenköpfen zwischen Osowiec und Nowo-Georgiewsk gab 
den Russen die größte Zuversicht, ihre wichtige Zentralstel 
lung zwischen Weichsel und Bug unbelästigt durch einen 
deutschen Vorstoß von Norden zu sehen. Es sollte anders 
kommen. Zunächst ließ 
General v. Eallwitz, dem 
auf diesem Flügel von Ee 
neralfeldmarschall v. Hin 
denburg der neue Angriff 
anvertraut war, die Werke 
von Osowiec am Bobr 
aufs neue unter heftiges 
Feuer nehmen. Der schwer 
zugängliche Brückenkopf 
hat seit Ailgust vorigen 
Jahres starken Angriffen 
widerstanden. Die Russen 
verlegten ihre Artillerie 
stellungen damals zwischen 
Wälder und Sumpfstrecken 
und sperrten den nächsten 
Weg auf den Eisenbahn 
knotenpunkt Bielostok. 
Gleichzeitig mit dieser 
Einleitung des Angriffs 
sehte ein mächtiger Vor 
stoß bei Kolno, Prasznysz 
und Mlawa ein. Südlich 
und südöstlich von Mlawa 
hatten die Russen ihre 
Stellungen auf das raffi 
nierteste ausgebaut. Sie 
schienen uneinnehmbar. 
Aber in glänzendem An 
sturm nahmen unsere Re 
gimenter gleich drei hinter 
einander liegende russische 
Linien, die den Raum 
zwischen Mlawa und 
Prasznysz sperrten. Hier 
war es auch, wo die Rus 
sen, um dasihnen drohende 
Verderben abzuwenden, 
ihre 14. Kavalleriebrigade 
(ein Regiment Kosaken und 
ein Husarenregiment) den Deutschen entgegenwarfen. Diese 
ließen, in einem Kartoffelacker liegend, die russischen Reiter 
bis auf 300 Meter herankommen und eröffneten dann ihr 
Schnellfeuer, das die Vernichtung fast der gesamten Brigade 
zur Folge hatte (siehe die Kunstbeilage). Prasznysz, das von 
Januar bis April schwer umstritten war und mehrmals den 
Besitzer wechselte, wurde von uns besetzt. Ein breiter Teil der 
russischen Front mußte weichen und zog sich auf die vorbereitete 
Stellung zurück, die längst zwischen Ciechanow und Krasno- 
sielc ausgebaut war. Äber nur einen Tag durften die 
Feinde dort sich erholen, dann nahten schon wieder die an 
greifenden deutschen Truppen und erzwangen den weiteren 
Rückzug auf den Rarew. 
Zu derselben Zeit, in der unser Vorstoß im Raume von 
Mlawa—Prasznysz begann, setzte er auch im Raume von 
Kolno ein. Er nahm südwestliche Richtung und betätigte sich 
bei Rowogrod. Tausende von Russen wurden gefangen ge 
nommen, und dann marschierte General v. Scholtz, indem 
er fliehende Russen vor sich hertrieb, auf den Kanonen 
donner zu, der vom linken Flügel der bei Krasnosielc 
kämpfenden Truppen zu ihm herüberklang. Auf dem 
Schlachtfelde wirkten die vorher getrennt gewesenen Ko 
lonnen der Deutschen zum Enderfolg zusammen. 
Schon am nächsten Tage wurde die Verfolgung der zum 
Narew abziehenden Russen fortgesetzt. Es waren deutsche 
Reserve- und Landwehrtruppen, die den hartnäckigen 
Widerstand der russischen Nachhuten in dem wilden Wald- 
und Sumpfgelände nördlich des Narew gebrochen haben. 
So erreichte die Armee Gallwitz am 18. Juli schon die 
Narewlinie auf dem Raume südwestlich von Ostrolenka 
bis Nowo-Georgiewsk. Sämtliche Brückenköpfe der Narew 
linie wurden von uns umklammert und die russischen 
Vorstöße blutig zurückgewiesen. Zunächst gelang es bei 
Roshan, dem Gegner näher auf den Leib zu rücken; dann 
sahen die Russen die Aussichtslosigkeit ihrer Gegenstöße ein 
und ließen ihre Festungen Roshan und Pultusk im Stich, 
nachdem sie vorher versucht hatten, unserem letzten un 
widerstehlichen Ansturm standzuhalten. An diesen beiden 
Stellen wurde sofort der Albergang über den Narew ins 
Werk gesetzt, und schon am 
24. Juli konnte der Fluß 
auf der ganzen Front von 
südlich Ostrolenka bis Pul- 
tusk überschritten werden. 
Die zuerst hinübergegan 
genen Truppenteile blie 
ben imfortwährenden Vor 
marsch und näherten sich 
an demselben Tage bereits 
dem Bug. Unterdessen 
blieben die noch auf 
dem nördlichen Narew- 
ufer kämpfenden deutschen 
Truppenverbünde nicht 
müßig. Am 26. Juli er 
zwangen sie auch oberhalb 
Ostrolenka den Übergang. 
Was bereits an deutschen 
Kolonnen am südlichen 
Narewufer sich befand, 
drängte den Feind unauf 
haltsam gegen den Bug. 
Der rechte Flügel der 
Armee Gallwitz umklam 
merte , während Mitte 
und linker Flügel den 
Narew überschritten, von 
Tag zu Tag fester die 
große Verteidigungsanlage 
von Nowo-Georgiewsk und 
Cegrshe. Dadurch wurde 
die Behinderung unseres 
Vordringens gegen den 
Bug für die Rüssen un 
möglich. 
Die Arbeit der Armee 
Eallwitz kann nicht für 
sich allein betrachtet wer 
den. Sie steht in engem 
Zusammenhang mit der 
übrigen großen strategischen Umklammerung der russischen 
Zentralstellung zwischen Weichsel und Bug. Aber die 
Armee Gallwitz hat in wenigen Tagen zu dem End 
erfolg, an dem wir nicht zweifeln dürfen, wesentlich 
beigetragen. Durch sie ist die Bahnstrecke Warschau— 
Bielostok, eine Rückzugslinie für die Russen, unmittelbar 
bedroht. Durch sie ist die verhältnismäßig widerstands 
fähige russische Narewarmee mehrfach empfindlich geschlagen. 
Durch sie ist das Hindernis des Narew in kühnem Anlauf 
beseitigt, so daß die Einklammerung der Russen zwischen 
Warschau und Brest-Litowsk eine viel engere wurde. Die 
Führung hat ihre Aufgabe in vollendeter Weife gelöst, und 
die Truppen haben durch Mut und Ausdauer den taktischen 
Erfolg in kurzer Zert errungen und dabei eine Beute ge 
macht, die in dieser Kampfperiode unser östlicher Feind 
nicht ersetzen kann. Bis Ende Juli hatten wir 45000 un 
verwundete Gefangene, 14 Geschütze und 135 Maschinen 
gewehre erbeutet. Die blutigen Verluste der Russen dürften, 
nach Erfahrungsätzen berechnet, die Zahl 100000 erreicht 
haben.
	        
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