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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Blick in einen französischen Schützengraben bei Vauquois.
Soldaten mit Schutzbrillen und Gesichtsmasken im Begriff, Handgranaten mit Stickgasiüllung auf deutsche
Truppen zu schleudern.
genau berechnet und die Minen entzündet wurden, bevor
sie unter unserem Schützengraben angelangt waren. Dar
aufhin haben wir sie wegen ihrer guten Deckung mit einem
Drahthindernis versehen und unserer Stellung einverleibt.
Der französische Befehl selbst umfaßt nebst Anlagen neun
Folioseiten. Er wird deshalb nur auszugsweise hier wieder
gegeben. Dem Fachmann wird es interessant sein, als
Gegensatz zu unseren vielgeübten Befehlen für Marsch,
Übergang zur Ruhe und Angriff im Bewegungskampf auch
einmal einen feindlichen Angriffsbefehl im Stellungskampf
zu lesen. Der Nichtfachmann möge ersehen, wie mühevoll
schon ein Angriff von rein örtlicher Bedeutung ist, mit dem
Zweck, ein feindliches Grabenstück zu nehmen.
Die Anweisung für den Angriff beginnt mit einer Ein
leitung, die jedoch von französischen Offizieren außer acht
gelasseu wurde, sonst wäre der Befehl wohl nie in die
Hände unserer Truppen gefallen. Sie lautet: „Diese In
struktion muß sorgfältig von den Führern studiert werden,
jeder muß seine sich für ihn ergebende Rolle genau über
legen und sie gut im voraus kennen. Sie darf nicht mit in
die Schützengräben genommen werden."
1. Zeit und Zweck.
„Der Angriff wird an einem Tage und zu einer Stunde
stattfinden, die noch genauer angegeben werden. Er wird
zum Ziel haben: Fortnähme der deutschen Gräben nörd
lich Marchöville in Linie 6 bis 8 der beigefügten Skizze und
der Gräben zweiter Linie, die in Linie F bis P liegen
könnten."
2. Truppen.
„Er wird ausgeführt werden durch
ein Bataillon mit zwei Zügen Schützen
vom 166. Regiment und eine Pionier
kompanie, unterstützt durch das Feuer
von 10 Feldbatterien, zwei 58-mm-
Geschützen, einer Batterie (4Eeschütze)
155 - mm - Rimailho - Haubitzen, zwei
220-mm-Eeschlltzen, vier kurzen 155-
ipm-Kanonen, vier langen 155-mm-
Kanonen, vier 120-mm-Kanonen,
zwei 95-mm-Kanonen, vier 90-mm-
Kanonen. Andere Geschütze sind als
Eegenbatterien aufgestellt." —
Die französische Feldbatterie hat
4 Geschütze. Man kann sich vorstellen,
wie diese 66 Geschütze leichten, mitt
leren und schweren Kalibers auf die
500 Meter langen Schützengräben ge
wirkt haben. Man achte auch auf die
vielen verschiedenen Kaliber, die einen
verwickelten Munitionsersatz nötig
machen. „Gegenbatterien" sind Bat
terien, die nicht wie die genannten
die deutsche Infanterie beschießen
sollten, sondern unsere Artillerie mit
Feuer überschütten, sie „beschäftigen"
sollten. —
„Unabhängig von den Angriffs-
truppen wird der mittlere Abschnitt
durch zwei Kompanien besetzt, ein
Bataillon als Rückhalt in Riaville.
Die beiden Kompanien werden als
dauernde Erabenbesatzung besetzen:
mit einem Zug den verlängerten
Graben P 3, mit drei Zügen den
Graben P 1. Das Angriffsbataillon
und die Pionierkompanie stellen sich
wie folgt bereit: zwei Infanterie
kompanien und eine halbe Pionier
kompanie an P 3, zwei Infanterie
kompanien und eine halbe Pionier
kompanie an P 2. Handgranaten
werden ausgegeben an die Pioniere
und die damit ausgebildeten Infan
teristen. Rote Flaggen zur Bezeich
nung der Breschen im Drahthinder
nis, sobald sie erkannt sind, und als
Marlen für das Vorschreiten der
Truppen werden jeder Kompanie
beigegeben."
3. Vorbereitung des Angriffs..
„Die Artillerie wird vier Breschen von 5—7 Meter Breite
in das Drahthindernis schießen, und Zwar eine Gruppe von
zwei Breschen bei Punkt 8 und eine Gruppe von zwei Bre
schen bei Punkt 14. Pfähle sind auf der Brüstung gegen
über den Breschen aufgestellt. Die anderen Batterien werden
die Gräben der Angriffsfront beschießen, die Gräben neben
dem Einbruchspunkt und etwa noch nicht erkannte gefähr
liche Punkte auf dieser Front. Die Truppen bei P 3 müssen
einen freien Zwischenraum lassen in einer Ausdehnung, die
ihnen an Ort und Stelle in der Nähe der 58-mm-Batterie
bekanntgegeben wird. Um .. . Uhr wird die ganze mit der
Vorbereitung beauftragte Artillerie gleichzeitig nach gleich
gestellten Uhren das Feuer eröffnen.
Die Infanterie hat während der Vorbereitung folgende
Maßnahmen zu treffen: um .'.. Uhr und 50 Minuten müssen
die Breschebatterien aufhören, die Breschen zu beschießen,
und andere Ziele aufnehmen. Vier Gruppen, zusammen
gesetzt aus Jnfanterieaufklärern und einer Korporalschaft
Pionieren, werden aus dem Graben herausgehen. Jede von
ihnen wird die Breite der Bresche festzustellen suchen, auf
die ihre Kolonne folgen muß, ihren Zustand erkunden, sie
vergrößern, wenn es geht, und ihre Öffnung durch eine
kleine rote Flagge kenntlich machen. Gleichzeitig wird sich
je ein Halbzug Pioniere und Infanterie mit Handgranaten
unter dem Kommando des Sousleutnant Papin der 3. Pio
niere 25 auf den Minentrichter stürzen, um sich dort ein
zunisten. Die Anfänge der Kolonnen müssen sich aus den
Gräben herausschleichen und sich möglichst den Breschen