Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Eine französische Armbandgranate, da 
zwischen französische und englische Hand 
granaten verschiedener Art, unten rechts 
ein aus einer Konservenbüchse hergestelltes 
Wurfgeschoß- 
andauert, nichts an 
ihrer Angriffsfreudig 
keit, ihrer Beweglich 
keit, nichts an ihrer 
Mannszucht und ih 
rem frischfröhlichen 
Geiste einbüßt, wird 
die Hauptsorge ihres 
Führers, der Prüfstein 
für ihre Tüchtigkeit 
sein. Diese Prüfung 
durften wir in den 
letzten Tagen bestehen. 
Seit einigen Wochen 
schon lag unser . . .- 
Regiment zum Teil in 
erhöhter Bergstellung, 
zum Teil in weiter 
Sandebene, vorPrasz- 
nysz, den Russen bis 
auf 200 Meter gegen 
über. Diese hatten in 
ihre Stellung eine 
durch starke Schanzen 
bauten befestigteBerg- 
kuppe einbezogen, die 
ihnen eine genaue Be 
obachtung unseres Ab 
schnittes und des Hin 
terlandes ermöglichte 
und uns dadurch täg 
lich Verluste brachte. 
Dem .. .-Regiment 
fiel nun die ehrenvolle 
Aufgabe zu, diese Schanzen nördlich Patolenka zu stürmen. 
Mit einer Freude und einer Ausdauer traten Offiziere und 
Mannschaften an diesen Gefechtsauftrag heran, als gälte 
es die erste Waffentat des in vielen früheren und in diesem 
Kriege schon so oft erprobten Regiments zu vollbringen. 
Um unnötige Verluste zu vermeiden, wurde der Angriff 
mit allen Mitteln unter Mitwirkung unserer Pioniere vor 
bereitet. Sappen wurden im Schutze der Nacht vorgetrieben, 
und nach wenigen Tagen hatten einige Sappenköpfe das 
feindliche Drahthindernis erreicht. Entlang diesem Hindernis 
wurde eine neue Jnfanteriestellung ausgehoben und die 
Sappen unter dem ersten Hindernis gegen das zweite, stärkere 
vorgeschoben. Minenwerfer wurden eingefahren. Unsere 
Feld- und schwere Artillerie schoß sich genau auf die Haupt 
angriffspunkte, die beiden Schanzen, ein. 
Am 11. Juni frühmorgens begann das Wirkungsschießen 
unserer Artillerie auf die feindliche Stellung und deren 
Hindernisse in einer halbstündigen Feuerwelle, der im Laufe 
des Tages noch zwei weitere Feuerüberfälle folgten. In 
der Nacht vom 11./12. Juni wurden die vordersten Sappen 
köpfe zu einer Sturmstellung verbunden, die feindlichen 
Drahthindernisse durchschnitten; bei Tagesanbruch waren 
alle Vorbereitungen zur Erstürmung der Schanzen getroffen, 
das Regiment war zum Sturm bereit. 
Zwei Uhr dreißig Minuten eröffnete unsere gesamte 
Artillerie ihr Feuer auf die russischen Stellungen. Mit hellem 
Pfeifen durchschneiden die Geschosse der Feldhaubitzen die 
Luft, brausend steuern die schweren Mörsergranaten gegen 
den Feind. Tief bohren sich diese ehernen Grüße in den 
weichen Sand, um mit Donnerkrachen ganze Staubberge 
in die Luft zu schleudern. Nach wenigen Minuten türmt 
sich eine haushohe graue Wand über der feindlichen Stellung, 
durchzuckt von den Blitzen der berstenden Geschosse. Da 
erhebt sich aus unseren Schützengräben eine neue Wand, 
eine Wand aus Menschen, die sich feindwärts wälzt — 
unsere Leute greifen an und stürzen sich in raschen Sprüngen 
auf die feindliche Stellung. Die noch bestehenden Draht 
hindernisse vermögen den Ansturm nicht aufzuhalten, die 
Mannschaften, unterstützt durch Pioniere, schneiden sich 
Sturmgassen hindurch, und mit einem „Hurra", das den 
Geschützdonner übertönt, brechen unsere Braven in den 
Feind. Die Anschlußtruppen rechts und links unterstützen 
den Angriff durch lebhafte Feuertätigkeit, schrill klingt das 
Feuer unserer Maschinengewehre aus dem Feuerlärm her 
aus. Die Schlacht ist in vollem Gange. 
Langsam rückt die Feuerwalze unserer Artillerie feind 
wärts vor, und die Unsrigen folgen mit einer Unerschrocken 
heit, die den Sieg an unsere Fahnen bannt. Noch nicht 
zwei Stunden verflossen nach dem ersten Schuß, da wankt 
die russische Linie, der Feind ist im Rückzug auf der ganzen 
Front. Schon formen sich kleine Trupps Gefangener, sie 
wachsen an, und raschen Schrittes schlängeln sich kleine 
russische Kolonnen nach rückwärts unserer deutschen Heimat 
zu, die ja seit Monaten ihr Ziel war. Die feindliche Stellung, 
die Schanzen sind gestürmt! Die Waffen haben gesprochen, 
Todesmut und Wille zum Sieg ließen das Ziel erreichen, 
jetzt heißt es, das Erreichte festhalten. Mit fieberhaftem 
Eifer wird gearbeitet, bereitgestellte Hindernisse, Schutz 
schilde, Sandsäcke werden herangebracht, die feindliche 
Stellung für unsere Front umgebaut; die Maschinengewehre 
rücken in die gestürmte Stellung nach: alles ist bereit, einen 
Gegensturm der Russen zu empfangen. Er kam nicht, der 
erwartete Gegenangriff, die Russen hatten die Kraft zum 
Vorstoß verloren. 
Auch während der Nacht blieb alles ruhig. Wohl hatten 
wir beobachtet, daß die Russen uns gegenüber Truppen 
zusammenzogen, aber die dem russischen Ansturm in dichten 
Kolonnen günstige Nachtzeit wurde von ihnen nicht be 
nutzt. 
Am 13. Juni zeigte ihre Artillerie eine gegen die letzten 
Wochen stark abweichende lebhafte Tätigkeit, und zweimal 
versuchte gegen Mittag die russische Infanterie in ver 
zweifeltem Sturm, die ihr entrissenen Stellungen zurück 
zugewinnen. Während der erste Angriff der Russen schon 
in den Anfängen in unserem Feuer zusammenbrach, gelang 
es ihnen beim zweiten Male, begünstigt durch eine ihnen 
Deckung bietende kleine Bergkuppe, mit Teilen bis in unsere 
Gräben hineinzukommen. Dies bedeutete jedoch ihre Ver 
nichtung, denn unsere Braven schlugen nach der alt 
bekannten Art der Schwabenstreiche nieder, was seine 
Rettung nicht in der Flucht suchte. Massenhaft lagen die 
Feinde tot in der Stellung. Wohl als Antwort darauf 
erfolgte am Nachmittag durch eine überaus starke feind 
liche Artillerie» die die Russen jetzt eilig zusammengezogen 
hatten, eine Beschießung unserer Stellung mit solcher 
Heftigkeit, wie wir sie im ganzen Krieg nur selten gesehen 
hatten. Aber zu einem weiteren Angriff raffte sich ihre 
Infanterie nicht mehr auf. Die russischen Stellungen blieben 
fest in unserer Hand. 
Hunderte toter Russen deckten das Feld, gegen 300 hatten 
wir gefangengenommen, 3 Minenwerfer, 4 Maschinen 
gewehre, 400 Gewehre, Tausende von Patronen, Hand 
granaten und sonstiges Kriegsmaterial erbeutet. 
Auch wir hatten Verluste. Aber im Verhältnis zum erreich 
ten Ziel, im Verhältnis zu den Verlusten des Feindes waren 
sie gering. Und sie werden einen Ehrenplatz haben in der 
Eeschichtedes Re 
giments, die in 
treuester Pflicht 
erfüllung fürs 
Vaterland den 
Heldentod fanden 
beim Sturm auf 
die Schanzen von 
Patolenka. 
Moderne 
Kampf 
mittel im 
Der Stellungs 
krieg im heutigen 
Völkerringen hat 
teils alte Kampf 
mittel in neuzei 
tiger Form wie 
der aufleben las 
sen teile; rourden Das Schleudern einer französischen 
aucb neue Waffen Armbandbombe, 
füv Sdvt r. Durch das am Handgelenk befestigte lederne Armband 
für oen Jlül)' Ivird der Zünder aus der Bombe herausgerissen, 
kämpf ersonnen, worauf nach einigen Sekunden die Explosion erfolgt. 
Stellungs 
krieg. 
(Hierzu die Bilder 
Seite 90—95.) 
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