Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
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Angeklagten günstigen Augenblick den Prozeß niederschlagen. 
Die Betriebsamkeit Genadiews, der nun vielleicht von 
seinem Schicksal ereilt wird, hat die Neutralitätspolitik Bul 
gariens mehrfach ernstlich in Gefahr gebracht; dennoch 
schlug die Stimmung Bulgariens immer deutlicher zu 
gunsten der Zentralmächte um. Ganz offen und von 
ganzem Herzen gönnte man den Russen ihre Niederlagen 
in Galizien. Die bulgarische Regierung verhandelte sowohl 
mit dem Vierverband wie mit den Zentralmächten und zu 
letzt auch mit der Türkei. Während die großprahlerischen 
Versprechungen des Vierverbandes keinen Eindruck auf sie 
machten, führten die Verhandlungen mit den Zentralmächten 
und der Türkei bereits zu einem greifbaren Ergebnis. Die 
Vermittlung zwischen den Mächten übernahm der außer 
ordentliche deutsche Botschafter in Konstantinopel, Fürst 
Hohenlohe-Langenburg, der am 18. Juli auch von dem 
bulgarischen König in besonderer Audienz empfangen wurde. 
Als Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bulgarien und 
der Türkei meldeten die „Times" aus Sofia, daß am 
22. Juli in Konstantinopel ein Abkommen unterzeichnet 
wurde, wonach die Türkei an Bulgarien die Dedeagatsch- 
eisenbahn abtritt. Dedeagatsch ist der wichtigste Hafen 
Bulgariens am Ägäischen Meere. Das gesamte Gebiet 
westlich der Maritza soll bulgarisch werden. Damit erlangt 
Bulgarien — ein bedeutender Erfolg von Radoslawows 
kluger Neutralitätspolitik — einen sehr beträchtlichen Ge 
bietszuwachs außer der ihm so überaus wichtigen Eisen 
bahn. Die türkisch-bulgarische Grenze wird fortan bis un 
mittelbar unter die Tore Adrianopels führen, von dessen 
südlichen Befestigungen alle Werke am Westufer der Maritza 
an Bulgarien fallen. Wenn der Wunsch Bulgariens auf 
den Besitz einer Zone von 2900 Meter um den ihm zu 
fallenden Adrianopeler Bahnhof Lara erfüllt wird, muß 
sogar eine kurze neue Eisenbahnstrecke angelegt werden, 
damit die Türkei einen unabhängigen Zugang zu Adria 
nopel erhält. Wenn die „Times" auch hervorheben zu 
müssen glaubten, daß dieses Abkommen keine politischen 
Verbindlichkeiten Bulgariens der Türkei und den Zentral 
mächten gegenüber enthalte, so bemerkten sie gleichzeitig 
doch, daß die Türkei sich kaum einer solch wichtigen Ge 
bietsentäußerung ohne die Sicherheit der einen oder 
anderen politischen Gegenleistung unterzogen haben würde. 
England hat denn auch seine Hoffnung auf Bulgariens 
Eintritt in die Reihen des Vierverbandes schon aufgegeben 
und dehnt die Belästigungen des Handels im Ägäischen 
Meere demgemäß auch auf die bulgarische Küste aus. Eng 
lische Kriegschiffe üben ihre störende Überwachung schon un 
mittelbar am Hafen von Dedeagatsch. 
Rumänien war nächst Griechenland den Plänen des 
Vierverbandes noch am meisten geneigt, obwohl mit ihm 
ein ähnlicher Vertrag wie der Dreibundvertrag mit Italien be 
steht. Rumänien handelte sogar offen feindlich gegen Deutsch 
land und Österreich-Ungarn durch das Verbot der Ausfuhr 
von Getreide und Petroleum und noch mehr durch die 
Unterbindung der Munitionszufuhr für die Türkei. Rumä 
nien in erster Linie ist es zuzuschreiben, wenn die Engländer 
und Franzosen überhaupt noch ernsthaft feindselig auf 
Gallipoli auftreten können, weil es die Zentralmächte ge 
hindert hat, den Türken mit schweren Geschützen zu Hilfe 
zu kommen. Nunmehr scheint aber auch in diesem Balkan- 
staat der tote Punkt überwunden zu sein. Das Ausfuhr 
verbot für Getreide und Petroleum ist bereits gemildert. 
Fürst Hohenlohe-Langenburg ist auch in Bukarest vom 
Hofe und von der Regierung mit Auszeichnung emp 
fangen worden, und demnächst soll in Bukarest eine 
türkische Kommission eintreffen, um die Regelung der 
zwischen beiden Staaten schwebenden Fragen zu be 
sprechen. Das Rätsel, das die noch nicht in den Kampf 
gezogenen Balkanstaaten bisher gewesen sind, löst sich 
mehr und mehr in einem für die Zentralmächte günstigen 
Sinne. 
Das ist einer der bedeutendsten mittelbaren Erfolge un 
serer gemeinschaftlichen großen Erfolge, namentlich der Be 
freiung Galiziens und der erneuten Angriffsbewegung gegen 
die russischen Heere. Wir können auch für diese unblutigen 
Siege auf dem Balkan unseren Feldgrauen von Herzen 
dankbar sein. Nicht durch gemeine, mit Mordanschlägen 
verbundene Intrigen führen wir unsere Sache zum Siege, 
sondern durch den ehrlichen Wagemut und die unbesiegbare 
Kraft und Ausdauer unserer zum Schuh von Herd und 
Heim ins Feld gerückten wehrhaften Männer. 
^Fortsetzung folgt.) 
Militärische Ansichtskizze des französischen Angriffs auf MarchEville von einer Beobachtungswarte aus. 
Man sieht die Franzosen angreifen, während die deutsche Grabenbesatzung infolge der Schutzschilde und Sandsackschietzscharten fast unsichtbar ist. 
Nach der Zeichnung eines mitkämpfenden Offiziers.
	        
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