Die Geschichte des Weltkrieges 1914/18,
(Fortsetzung.)
Die Wirkung des so großartig gelungenen Durchbruchs
bei Tolmein und der weiteren erfolgreichen Kämpfe in
Italien zeigte sich besouders deutlich an dem riesigen An
wachsen der deutschen und österreichisch-ungarischen Kriegs
beute. Nach einer am 17. November veröffentlichten Zu
sammenstellung belief sich der Kriegsgewinn der verbün
deten Mittelmächte innerhalb der letzten vier Monate auf
fast 400000 Gefangene und 3233 Geschütze , dabei war
die täglich gemachte, in den Tagesberichten nicht genannte
Zahl an Gefangenen und Merläufern. namentlich an der
russischen Front, noch gar nicht einmal mit in Rechnung
gestellt. Der Geländegewinn mit 45 550 Quadratkilometern
erreichte nahezu den zwölften Teil des Deutschen Reiches.
Die Bewirtschaftung des besetzten Gebietes in Venetien
wurde von den Verbündeten sofort organisiert. Die vor
dersten Divisionen benötigten nur Tabak, Zucker und Salz
und beförderten die aufgefundenen Vorräte an Mais,
Schlachtvieh und Wein, aber auch Kaffee, Reis, Kleider
stoffe und anderes aus den erbeuteten Heeresmagazinen
nach rückwärts. Dadurch wurden gewaltige Nachschubgüter
für andere Verwendung frei. Alle Reoimenter konnten
ihre Ausrüstung und Bespannung verbessern. Der Mais
stand größtenteils noch auf den Feldern und wurde langsam
eingebracht. Wein lagerte in ungezählten Kellereien, na
mentlich dunkler Rotwein. Große Schlachtviehherden waren
über das ganze Land verstreut und wurden gesammelt.
Eigentümer, die sich meldeten, erhielten Entschädigung.
Tausende von Haus- und Küchengeräten aus Kupfer und
Messing wurden dem Kriegsbedarf zugeführt. Die Sich
tung und Aufräumung der italienischen Magazine und
Vorratslager und der viele Kilometer langen Trainkolonnen
in den tiefen Gräben der Straßen beanspruchte viele Wochen.
Die Armeen der Generale Krauß und Below (siehe Bild
Seite 35) hatten im Gebirge die Italiener in erfolgreichen
Kämpfen immer weiter zurückgedrängt. Marschtüchtige
Württemberger verlegten am 11. November im Verein
mit österreichisch-ungarischen Kameraden den nach der Ebene
strebenden Italienern bei Longarone an der oberen Piave
den Rückweg und zwangen über 10000 Mann samt reich
lichem Kriegsgerät, darunter vielen Geschützen (siehe Bild
Seite 37), zur Ergebung. Das gleiche Schicksal erlitten
zahlreiche andere italienische Abteilungen, die sich verge
bens durchzuschlagen versuchten. Die Fortsetzung des Vor
marsches der Verbündeten von Belluno piaveabwärts auf
Feltre vervollständigte die Vereinigung der Angriffsabtei
lungen von Tolmein mit den Truppen Conrads v. Hötzen-
dorf. Das eilige Vorrücken machte rmt fast jedem Tage neue
verbündete Divisionen zum Einsatz an anderen Abschnitten
frei; denn die Frontverkürzung betrug mtt dem Einrücken
der Verbündeten in Feltre am 13. November bereits volle
drei Viertel der früheren, im weiten Bogen nach Osten
ausladenden Kampflinie gegen Italien.
Am 11. November konnte Feldmarschall Conrad seinen
65. Geburtstag auf italienischem Gebiet feiern, in einem
Kampfraume, in dem die Feinde schon einmal unter der
österreichisch - ungarischen Angriffsbewegung zusammenge
brochen waren. Während er den Feind vom Gardasee
bis an die Piave unter Druck hielt, setzte er seine Haupt
kräfte auf die italienischen Sperrfortlinien an, die den Aus
tritt aus dem Brenta- und Piavetal in die Ebene hinderten
(siehe die Karte Seite 39). Nach der Ntederkämpfung der
italienischen Besatzung von Asiago schritt Conrad zum
entscheidenden Angriff gegen die Linie Asiago—Primo-
lano, um den Austritt aus dem Suganer Tal nach Süden
und Osten freizulegen. General Diaz beeilte sich, seine
Gegenmaßnahmen zu treffen. .Nachdem in aller Eile Re
serven an die bedrohten Punkte geworfen waren, um die
wankende Frönt zu stützen, ging er am 12. November mit
einer zu diesem Zwccke eigens gebildeten Heeresgruppe
zum Gegenstoß über. Mit äußerster Kraft brachen die Bri-
Phot. Bild-- und Film-Amt.
50006 gefangene Italiener im Lager von Cividale, das ursprünglich für österreichisch-ungarische Gefangene bestimmt war.
VIII. Band. 5