Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Achter Band. (Achter Band)

Die in der RauchmeldepaLrone enthaltene Meldung wird in der vordersten Stellung gelesen. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
der Rauch, den sie entwickeln, soll den Platz kennzeichnen, 
wo sie die Erde erreichten. Hat die Truppe den in der 
Rauichmeldepatrone enthaltenen Befehl gelesen, so gibt sie 
wieder ein mit weißen Tüchern verabredetes Verstanden 
zeichen. 
Im Winter, wenn Schnee liegt und weiße Tücher schlecht 
erkannt werden können, ersetzt man diese durch schwarze 
oder rote Tücher; dann ist auf der weißen Schneedecke 
die gleiche Wirkung mit Schwarz oder Rot zu erreichen 
wie auf dem dunkeln Erdboden mit Weiß. Der Flieger 
ist solche Zeichen gewöhnt; sein scharfes und geübtes Auge 
hält die einzelnen Meldungen genau auseinander. Wenn 
er auf dem Flugplatz landet, legt man ihm ein Landekreuz 
aus, ein Leinwandkreuz, das die Stelle angibt, auf der die 
Maschine den Boden berühren muß. Ein derartiges Lande 
kreuz erkennt man aus der Luft ebenso deutlich, wie die 
einzelnen Zeichen in nächster Nachbarschaft der Stellungen. 
Charakterköpfe der Weltkriegsbühne. 
Von Dr. Frhrn. v. Mackay. 
10. Czernin. 
(Siehe die Bilder Seite 143 und 171.) 
Ottokar Graf Czernin von Chudenitz wurde auf der 
Herrschaft Dimokur am 26. September 1872 — also im 
gleichen Jahr wie v. Kühlmann — geboren. Sein Vater 
war Geheimer Rat, Kämmerer, Mitglied des Herrenhauses 
uud reicher Großgrundbesitzer, seine Mutter eine Gräfin 
Anna von Westfalen zu Fürstenberg aus dem Stamm der 
Canitz; während also von dieser Seite echt norddeutsches 
Blut in seiner Familie fließt, trat er durch seine Verehe 
lichung mit der Gräfin Kinsky in enge verwandtschaftliche 
Fühlung zum höchsten österreichisch-ungarischen Adel. Seine 
diplomatische Vorschule war sehr kurz. Als junger Bot 
schaftsattache kam er 1900 nach Paris und wurde von da 
1902 als Legationssekretär nach dem Haag versetzt, worauf 
er sich 1903 bereits aus dem auswärtigen Dienst zurückzog 
und sich dem inneren politischen Leben als Mitglied des 
Landtags und Herrenhauses, zugleich aber neben der Be 
wirtschaftung seiner Güter staatswissenschaftlichen und volks 
wirtschaftlichen Studien widmete. In dieser Nbergangs- 
zeit seiner Laufbahn war er einer der ersten Vertrauten 
des sogenannten Konopischter Kreises, das heißt der sich 
um den Thronfolger Franz Ferdinand scharenden feudalen 
Staatsmänner; als der Erzherzog kurz vor seiner Abreise 
nach Serajewo den Besuch Kaiser Wilhelms auf seinem 
Schloßsitz empfing, stellte er Czernin mit den Worten vor: 
„Das ist mein zukünftiger Minister des Äußeren." Aber 
das Programm dieses Kreises ist sehr viel, aber sicherlich 
mehr falsches als richtiges orakelt worden. Man behauptete, 
in ihr gehe ein finsterer Kapuzinergeist um; rückschrittlich 
gestimmt, verfeme er allen völkischen 
Selbständigkeitsdrang und wolle den 
Nationalismus im buntgewürfelten 
habsburgischen Reich einfach dadurch 
aus der Welt schaffen, daß er dessen 
Freiheitsgedanken verneine und ledig 
lich den katholischen Glauben als eini- 
gendes Band anerkenne. Das beredte 
Zeugnis, wie oberflächlich solche Be 
hauptungen sind, ist eine sehr wenig 
beachtete, aber höchst lehrreiche Schrift, 
die Czernin als Frucht seiner staats- 
männischen Studien und,als Bekennt 
nis seiner Weltanschauung Und Lebens 
ziele 1912 unter dem Titel „Politische 
Betrachtungen" herausgab, und in der 
sich zweifellos die Ideen seiner Partei 
genossenschaft widerspiegeln. Von Bis 
marck stammen die ewig und in Zeiten 
kriegerischer Stürme und politischer 
Irrungen und Wirrungen wie den 
gegenwärtigen mehr denn je denkwür 
digen Worte: 
Keine Regierung ist für das Lan 
desinteresse so schädlich wie eine 
schwache. Eine Regierung muß vor 
allen Dingen fest und energisch sein, 
nötigenfalls sogar mit Härte vorgehen. 
Das ist zur Erhaltung des Staats nach 
außen wie nach innen nötig. Eine Regierung, die an der 
Neigung krankt, Konflikten auszuweichen, notwendige Kämpfe 
zu unterlassen und sogar ausländischen Wünschen immerfort 
nachzugeben, verfällt unrettbar dem Untergang. Sie ge 
langt sehr bald dahin, sich überhaupt nur noch durch Zu 
geständnisse erhalten zu können, von denen das eine das 
andere nach sich zieht, bis von der Staatsgewalt überhaupt 
nichts mehr übrig ist. 
Czernins Schrift, die den eisernen Kanzler selbst zum Ver 
fasser haben könnte, ist eine einzige Verteidigung und Ver 
herrlichung der höheren Staatsgesetze in geradezu klas 
sischer Form, ein in kristallklar geschliffenen Sätzen und 
schärfster Logik an Thron, Regierung und Völker der 
Doppelmonarchie gerichteter Warnruf im Sinne Treitschkes, 
daß» „so gewiß der Staat Macht ist, ebenso gewiß die 
Schwäche, auch die wohlmeinende Schwäche, unter allen 
politischen Sünden die schwerste bleibt". Seine Mah 
nungen beginnt er mit dem scharfen Hinweis auf „den 
großen Irrtum in der Beurteilung der Volkseele, dem 
schon so manche Dynastien zum Opfer gefallen seien", 
nämlich zu glauben, daß herannahende Umwälzungen durch 
Rachgebung und Paktieren vermieden, durch tatkräftiges 
Einschreiten aber beschleunigt würden. Das Gegenteil sei 
von der Geschichte bewiesen: schwache Regierungen stärkten 
durch das Zurückweichen unausgesetzt den umstürzlerischen 
Gegner, bis der Augenblick komme, wo er so stark geworden 
sei, daß allerdings alle Tatkraft nichts mehr nützte. Mit ka- 
tonischer Strenge und in auflodernder vaterländischer Sorge 
weist er dann auf die Wunden Österreichs hin: „Die Ein 
heit der Armee wird untergraben, der Beamtenstand in 
den nationalen Zwist gehetzt, jede staatliche wie überhaupt 
die Autorität wird verfolgt, dem Gedanken der »Freiheit" 
werden alle Opfer gebracht ... aber die Freiheit, der wir 
damit zusteuern, ist nicht die Freiheit in ihrem edlen Sinne, 
in dem Sinn des Rechts, sondern die Freiheit der Revo 
lution und der Anarchie ... Ganz Österreich gleicht einem 
großen Vulkan, in dessen Innern es tobt und gärt, der 
sich bald hier, bald dort öffnet, feuerspeiend und verderben 
bringend. Ob es nun ein Streik der Beamten oder der 
Studenten ist, ob es ,Laibach" oder ,Schüttenhofen" heißt 
— das sind alles mehr oder weniger schwere Erscheinungen 
ein und derselben Krankheit: der sterbenden Staatsautori 
tät!" ■" 
Man muß bedenken, was es heißt, wenn so ein 
Czernin spricht, er, der Sprößling des tschechischen Adels, 
dessen weitaus überwiegende Mehrheit sich in dem Maß, 
wie von der Hofburg und der Wiener Beamtenschaft 
zentralistische und liberale Ideen gepflegt wurden, mehr 
und mehr für das „böhmische Staatsrecht" begeisterte, und 
dessen Vater ein Führer dieser angeblich konservativen, 
aber regierungsfeindlichen Magnatengruppe gewesen war.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.